Architekten-Portraits für Allach-Untermenzing (Teil 2)
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet über Otho Orlando Kurz (1881-1933), Ernst Maria Lang (1916-2014) und Karl Meitinger (1882-1970)
Otho Orlando Kurz, geb. in Florenz und gest. in München, war Sohn des Bildhauers Erwin Kurz, eines Mitarbeiters des berühmten Münchner Bildhauers Adolf von Hildebrand. Nach dem Umzug seiner Eltern von Florenz nach München konnte er dort das Gymnasium besuchen und sein Abitur machen. Nach einem Studienversuch der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule München (THM) wechselt er dort zur Architektur, macht nach seinem Diplom Praktika in den Münchner Architekturbüros von Friedrich von Thiersch, Hans Gräßl und Heinrich Freiherr von Schmidt und wird in den nächsten Jahren zu einem bedeutenden Vertreter der „Münchner Bauschule“. Kurz kann 1908 nach einem Auftrag zum Bau der neuen Milbertshofener Pfarrkirche St. Georg sein Architekturbüro eröffnen und sich rasch in der Münchner Architektenszene etablieren.
Warum aber ist dieser Architekt mit den ungewöhnlichen Vornamen für uns überhaupt interessant? Weil er 1909 an der Grenze von Allach zu Karlsfeld für den Sohn des Allacher Dorfschmieds Karl Bieringer eine heute denkmalgeschützte Villa schuf (Bild 1), die ab 1917 zum Elternhaus der bekannten Allacher/Karlsfelder Malerin Edeltraut Klapproth (1909-2005) wurde. Es handelt sich, wie das entsprechende Gutachten formuliert, um eine freistehende Villa mit einem „hohen Mansardwalmdach“. Das Gebäude ist malerisch-historisierend, hat eine aufwändig gestaltete Eingangsfront mit Freitreppe, einen Flacherker und, wie man auch selbst erkennen kann, einen Dreiecksgiebel, der zu den sog. historischen Zitaten der „Münchner Bauschule“ gehört. Klapproth beschreibt diese Zeit in ihrem Buch „Am Unterlauf der Würm“ folgendermaßen: „Als ich mich durchs zweite Volksschuljahr mühte, kaufte mein Vater das stattliche Anwesen: Allach 101, das zu beiden Seiten der Würm lag. Wohnhaus und Stall standen in Allach (Bild 2), Grasgarten und die später erworbenen Felder und Scheunen lagen zumeist auf Augustenfelder Flur, die heute zu Karlsfeld gehört. Von einer Holzbrücke überquert, floß die Würm mitten durch den Hof.“ Bild 2 zeigt das Wohnhaus aus der Sicht der Künstlerin.
Noch einmal zur Person Kurz, der als junger Mann 1911 Professor an der THM wurde, vermutlich zuerst als Privatdozent. Im ersten Weltkrieg mußte er nicht zu Kriegseinsätzen, er übernahm für BMW den Bau weiterer Industriehallen. Die 20er und 30erJahre sind von Kirchen- und Wohnbauten, z.B. den Wohnblock am Steubenplatz geprägt.
Ich hatte das Glück, über die spätere Lebensgefährtin von Ernst Maria Lang, geb. in Oberammergau und gest. in München, Frau Erika Helmbrecht, einige Male noch zum fast blinden E. M. Lang Kontakt aufnehmen zu können. Damals suchte ich ein Gespräch mit ihm über die Untermenzinger Flaksiedlung, die Lang ab 1957 geplant und gebaut hatte. Mein folgender Artikel vom Mai 2012 hieß damals „LH, Letzte Hoffnung genannt, Flakhelfer in Untermenzing“. Leider hatte Lang keinerlei Pläne zur Flaksiedlung aufbewahrt, auch meine sonstigen Nachforschungen bei Hauseigentümern in der Ganzenmüllerstraße blieben erfolglos.
Zur Person: Lang machte 1936 sein Abitur bei den Benediktinern in Ettal, leistete den Reichsarbeitsdienst ab und war ab Oktober 1936 zum Wehrdienst bei den Pionieren in Ingolstadt. Zwei Jahre später konnte er sich an der THM für Architektur einschreiben, wurde aber zum Kriegsdienst eingezogen, den er als Hauptmann überlebte, als Architekturstudent an der THM weiterstudierte und 1947 als Dipl.-Ing. abschloss. Es folgten zwei Jahre als Assistent, in denen er zusammen mit dem später ebenfalls bekannten, aber unpolitischen Karikaturisten Ernst Hürlimann an der sog. Hungerdemonstration der Münchner Studenten am 17.06.1948 teilnahm und mit Hürlimann die Transparente malte (Bild 3). Die Demonstration von 13.500 Studenten aller Münchner Hochschulen mit Parolen wie „Wir haben Hunger“ war wirksam und blieb gewaltlos.
Gleichzeitig begann seine langjährige Karriere als politischer Karikaturist bei der Süddeutschen Zeitung, die eine eigene Betrachtung erfordern würde, weil er dort weit über 4.000 Karikaturen veröffentlichte. Ab 1950 wurde er auch als Architekt in München tätig. Neben vielen anderen Tätigkeiten in Film und Fernsehen leitete Lang zwischen 1961 und 1981 das große Berufsbildungszentrum für Bau und Gestaltung in der Münchner Luisenstr. 9-11.
Die Häuser der Flaksiedlung, die Lang ab 1957 geplant und gebaut hatte, verschwinden nach und nach und werden weitgehend durch Mehrfamilienhäuser ersetzt. E.M. Lang (Bild 4) baute neben vielen anderen Projekten die Pfarrkirche St. Andreas, die Studentenstadt Freimann, Am Hasenbergl und die Parkstadt Solln. 1971-1991 war er Präsident der Bayerischen Architektenkammer. 1987 wurde Ernst Maria Lang Ehrensenator der TU München.
Der geborene Münchner Karl Meitinger, geb. und gest. in München, hat von 1941-1943 in München 16 Hochbunker erbaut, darunter 1942 unseren Hochbunker in der Franz-Nißl-Straße mit der Baufirma Stock & Söhne (Bild 5). Das Bild zeigt die Nordansicht des Bunkers mit Treppe und Eingang.
Karl Meitinger hatte an der TH München Architektur studiert. Nach einer Tätigkeit bei der Baufirma Stöhr begann er 1910 seine Laufbahn in der Münchner Stadtverwaltung. Sein Sohn Otto (1927-2017), der ein renommierter Architekt, Denkmalpfleger und Präsident der TU München werden sollte, machte sich nach dem Krieg vor allem um den Wiederaufbau der Residenz verdient. Karl Meitinger wurde 1928 Oberbaurat, 1936 Abteilungsleiter Hochbau und erhielt 1938 das Amt des Stadtbaurats. Er bemühte sich um die Stadtplanung sowohl in den Jahren des Nationalsozialismus als auch in der Nachkriegsaufbauzeit, in der ihn die Amerikaner von 1945-1946 in seine alte Zuständigkeit einsetzten.
In Würdigung seiner Verdienste als Münchner Stadtbaurat um die Stadtplanung Münchens nach 1945 verlieh ihm die Fakultät für Bauwesen der damaligen TH München 1964 die Ehrendoktorwürde. Er ist im Münchner Westfriedhof im Gräberfeld 31, Reihe 2, Grab 5/6 begraben (Bild 6).
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