"Bleiben Sie bunt"
Im Selbsthilfezentrum wurde "München dankt" verliehen
"Ich danke Ihnen, dass Sie bereit sind, so viel von Ihrer Lebenszeit zu investieren", sagte Stadtratsmitglied Christian Müller (SPD), als er die Auszeichnung "München dankt" im Selbsthilfezentrum überreichte. Wer sich bei einer der rund 1200 Selbsthilfegruppen und selbstorganisierten Initiativen in und um München ehrenamtlich engagiert, hilft nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Menschen. Sozialpolitiker Müller überreichte die "München dankt"-Urkunde an sieben Aktive aus der Selbsthilfe. Zwischen 150 und 550 Stunden pro Jahr stecken die Geehrten in ihr Engagement. Wie in den Vorjahren betonte Klaus Grothe-Bortlik, Geschäftsführer des Selbsthilfezentrums, dass auch all die anderen Gäste des Jahresempfangs die Auszeichnung verdient hätten.
"Bleiben Sie bunt, vielfältig, widerständig – also bleiben Sie so wie Sie sind", gab Christian Müller den Aktiven mit auf den Weg. Die "Selbsthilfeszene" sei in einem gewissen Sinne politisch. Hier gelte nämlich die Devise: "Wir gehören zusammen und jeder gehört dazu." Das sei nicht selbstverständlich: "Sie lassen sich auf andere Menschen ein."
Sucht und Burnout
Mit etwa 240 Stunden pro Jahr engagiert sich Reinhard Pribyl beim Kreuzbund als Gruppenleiter und als stellvertretender Vorsitzender des Diözesanverbands. Außerdem ist er als Referent für Sucht tätig. "Ich bin seit 25 Jahren in der Suchtselbsthilfe tätig, und das hat mir geholfen, trocken zu bleiben", sagte Pribyl, als er Urkunde und Blumen entgegennahm.
Auf den Prinzipien der Anonymen Alkoholiker basieren verschiedene anonyme Sucht-Selbsthilfegruppen, die so genannten "12-Schritte-Gruppen". Jeweils unterschiedliche Probleme und Schicksale werden hier aufgearbeitet. Die Mitglieder kennen nur ihre Vornamen. Leitungsfunktionen gibt es nicht, aber Karina ist rund 200 Stunden pro Jahr als Organisatorin und Ansprechpartnerin im Einsatz. "Es ist wie ein kleines Wunder, dass ich hier stehe", verriet sie den versammelten Gästen. Sie engagiert sich seit 2014 und sagte: "Seit 2014 lebe ich überhaupt erst."
Für die Gründung und Leitung der Burnout-Selbsthilfegruppe "Your Way 2 Life" wurden Angelika Weinfurtner-Eberle und Edgar Rodehack ausgezeichnet. Etwa 150 Stunden pro Jahr sind sie jeweils mit Organisation und Durchführung der Gruppentreffen, mit Beratung und Öffentlichkeitsarbeit sowie Beantragung und Verwaltung der Fördermittel beschäftigt. "Es gibt ja einigermaßen viele Betroffene", sagte Edgar Rodehack. "Wenn Sie jemanden kennen: Sie wissen ja, wo Sie uns finden."
Uiguren und Fibromyalgie
Ebenfalls rund 150 Stunden pro Jahr investiert Nurnissam Schäufele in ihr Amt als Vorsitzende des Uigurischen Frauenvereines e.V. "Mir ist wichtig, dass die uigurischen Kinder, die in Deutschland geboren sind, wissen woher sie kommen", erklärte die Frau, als sie in einem prachtvollen uigurischen Kleid die Urkunde entgegen nahm. Sie engagiert sich für viele interkulturelle Veranstaltungen, für Integrationsprojekte, moderiert die Auftritte der uigurischen Tanzgruppe, begleitet und dolmetscht für uigurische und russische Flüchtlinge.
"Vor 15 Jahren wollte ich mir selbst helfen", sagte Margitta Scherr, die Gruppentreffen für Fibromyalgie-Erkrankte organisiert und leitet. 340 Stunden im Jahr hilft sie nun auch anderen Betroffenen und ist im Vorstand des Fibromyalgie Vereins Bayern e.V. und im Vorstand der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung tätig.
550 Stunden
Dass auch für Norbert Gerstlacher der Tag nur 24 Stunden hat, ist kaum zu glauben angesichts der Liste an Tätigkeiten, die Stadtrat Christian Müller vorlas: 2. Vorstand von Blaues Kreuz München e.V., Leiter des Künstlerkreises KK83, Ausstellungsorganisation für den Verein der Freunde Schloss Blutenburg e.V., 2. Vorstand des Landesverbands Bayern des Freien Deutschen Autorenverbands, Beirat am Runden Tisch der Krankenkassen, Mitglied im Selbsthilfebeirat der Landeshauptstadt München. 550 Stunden im Jahr kommen so zusammen. Sein Engagement gelte der Menschlichkeit, sagte Gerstlacher: "Ich hoffe, unsere Gesellschaft wird menschlicher, und nicht nur von Ratio und Kapital regiert."
Seit zwölf Jahren hat das Selbsthilfezentrum München (www.shz-muenchen.de) seinen Sitz im ehemaligen Tröpferlbad an der Westendstraße 68. Zum traditionellen Jahresempfang lädt das Team Vertreter der Selbsthilfegruppen und Initiativen ein. Neben der Auszeichnung ausgewählter Aktiver gehört ein Buffet dazu, das jedes Jahr vom Internationalen Mütterforum gestaltet wird. Jährlich wechselnd dagegen sind die musikalischen Gäste: Diesmal sorgte das Duo "Blue Moon Music" mit einem breiten Repertoire an Unterhaltungsmusik für den guten Ton.
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