Länderspiel international
Die Piazza an der Bo (2)
Russland, Iran, China, Italien, Polen, Deutschland und Griechenland (huch, ein Mädchen) stürmen umher, die anderen Knirpse stehen nur dabei, sind noch zu klein. Bunt wirbeln alle über die Piazza. Wo ist das Tor? Unwichtig. Rennen, Ballspielen, Toben ist wichtig. „Dimitrij!!!“ „Massimo!!!“, ein unsicheres „Hu?“ oder nur „Hey! “ oder Englisches, von hellen Stimmen gerufen, hallt von den Wänden des Platzes zurück. Es ist Sonntag, die Väter sind zuhause, lehnen am Balkon und genießen ihren Nachwuchs. Wenn einer der Schüsse besonders hart war oder ein Knie auf das Pflaster schlug, erklingt ein Stimmfühlungslaut. Batja ruft aufmunternd etwas auf Russisch vom Balkon im vierten Stock und raucht in Ruhe weiter. „Babbo, Babbo ...“ „Andiamo Massimo, andiamo“ kommentiert der Papa vom zweiten Stock.
Wenn das Jammern laut genug ist, kommt Mama auf den Balkon, ruft hinunter, es klingt wie: „Du kommst herauf, wenn du nicht sofort aufhörst zu schreien ...“, und schon geht es wieder zurück ins Länderspiel.
„Sergej kann nicht mitspielen, noch nicht einmal herumlaufen. Er ist fünf und lebt fast das ganze Jahr mit uns auf dem Balkon.“ Ein kleines Gesicht schaut durch die Balkonschlitze im Ersten zu mir herunter. „Nur bei Hitze sind wir drinnen. Kühle Luft lässt ihn besser atmen“, sagt seine Babuschka mit schwerem russischen Akzent und Großvater nickt. Ich stehe auf der Piazza und wenn ich hinhöre, ist da ein leises Keuchen und Husten. Vater und Mutter wohnen nah bei ihrer Arbeit, das Geld ist knapp, die Medikamente teuer und die Versicherung unzureichend, erfahre ich. „Er hat es schwer, der Kleine. Aber er ist tapfer, unser Sonnenschein, unser Serjoschenka.“
Inzwischen ist der Platz fast leer, die Väter sind hineingegangen. Sie muss ich erreichen, wenn ich mehr über die Menschen hier erfahren will. Mit diesem kurzen Gespräch vom Balkon ist ein Anfang gemacht. Für übermorgen schon habe ich eine Einladung zum Tee bei der ungarischen Familie Fórizs im vierten Stock ausgemacht.
Unsere nächste Geschichte von der Piazza an der Bo heißt "Ungarn liegt da hinten".
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