Pause
Die Sonne scheint, der Winter war mild und kurz und inzwischen liegt die Piazza schon ein ganzes Jahr vor meinem Gartenzaun. Aus offenen Balkontüren dringt Musik vieler Länder. Das Internet macht es möglich, in München zu leben und doch die Musik und die Nachrichten aus dem Land zu hören, wo Vater und Mutter, Verwandte und Freunde leben. Hier ein Leben im direkten Gegenüber mit Menschen zu beginnen, deren Sprache ich nicht verstehe, deren Lebensweise mir fremd ist und mit denen ich trotzdem interagieren muss und will.
Hat das anfangs harmonische Miteinander seinen angenehmen, unkomplizierten Charakter behalten? Ja. Ich bereue es nicht, hier zu sein. Manches ist anders als ich es gewohnt war, vieles schöner als ich es erwartet hatte. Aber das Beste ist, ich fühle das Leben, Treiben, Spielen, Diskutieren, Kommen und Gehen, das Streiten und Feiern der Menschen hautnah. Ich sehe ihre Freude an den Kindern, verliebte Pärchen, aber auch Leid, Einsamkeit, Krankheit und ..., aber nein, in diesem Jahr ist offenbar hier niemand gestorben. Ich bin Teil des oft in babylonischer Sprachverwirrung verlaufenden Lebens.
An einem Ort, wo so viele Menschen zusammenleben geschehen auch Dinge, die peinlich, lächerlich, unanständig und womöglich auch unerlaubt sind. Wie überall eben. Von Vielen weiß ich noch nicht, warum es sie hierher verschlagen hat, und dauernd kommen Neue hinzu. Aber das Kennenlernen geht weiter, auch wenn ich erst einmal mit meinen kleinen Berichten pausieren werde. Ich möchte weiter zusammentragen, was hier auf unserer fremden, vertrauten, chaotischen, mittlerweile von Kindern wimmelnden Piazza vor sich geht. Ja, und auch einen kleinen Riss hat das Bild der Piazza bekommen. Nachts gehen manchmal heimliche Dinge vor, die besser unterbleiben sollen. Aber auch das ist das Leben in einer Großstadt. Wenn alle Hinsehen, Zusammenhalten, Reden, sich verantwortlich fühlen, dann haben wir eine gute Chance, dass es lebenswert bleibt - hier auf der Piazza an der Bo.
Hier endet unsere Reihe der Geschichten von der Bo - vorläufig. Seit September hat Uwe Kullnick jede Woche im Sendlinger Anzeiger vom Leben an der und um die "Piazza" erzählt. Danke!
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