Münchner Wochenanzeiger - Hier werden Sie gelesen
2 x pro Woche mit ca. 2 Millionen Zeitungen
Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Großexplosion am Bahnhof Allach
Stadtteilhistoriker Walter Demmel berichtet
Als am 30. April 1945 die amerikanischen Soldaten von Norden über die Dachauer- und Ludwigstraße in die stillgelegte „Hauptstadt der Bewegung" (1935-1945) einzogen, lag München in Trümmern. Einer der Wege in die fast menschenleere Stadt führte über Dachau, Allach und Untermenzing. Auf makabre Weise waren die Worte Hitlers, dass wir in 10 Jahren unsere Städte nicht wieder erkennen würden, auch in München Realität geworden. Bei 74 Luftangriffen hatten die Alliierten 450 Luftminen, 61. 000 Sprengbomben, 142.000 Flüssigkeitsbomben und 3.316 000 Stabbrand-Bomben über München abgeworfen. Es starben 6.632 Menschen in den Trümmern, 15.800 erlitten Verletzungen und 300.000 Obdachlose waren zu verzeichnen. Es waren 13.000 Häuser mit 62.000 Wohnungen total und 8.000 Häuser mit 32.600 Wohnungen stark zerstört. München glich nach den Worten des zweiten Nachkriegs-Oberbürgermeisters Thomas Wimmer mehr einem "lebendigen Schutthaufen als einer Wohngemeinde".
Es verloren, wie Rudolph in seinem Stadtteilbuch berichtet, während des zweiten Weltkriegs 253 Allacher und 102 Untermenzinger ihr Leben an der Front oder in Gefangenschaft. Obwohl der Stadtteil große Industrieanlagen und den kriegswichtigen Bahnhof Allach hatte, kam es „nur" zur Zerstörung des BMW-Werkes und überschaubaren Schäden bei Krauss-Maffei; in den Wohnsiedlungen waren die Beschädigungen vergleichsweise gering, wie in Untermenzing in der Allacher- und Angerlohstraße, am Bahnweg, in der Esmarch-, Kunstmann- und Nusshäherstrasse. In der Niethammerstraße wurde ein Wohnhaus total zerstört. Zu den Toten der Luftangriffe in Untermenzing findet man in der Totenkapelle der Kirche St. Raphael an der Westseite die folgenden inzwischen abblätternden Inschriften.
„Ein Vierteljahr nach Kriegsende musste Allach noch einen Spätzünder erleben. Ein ganzer Eisenbahnwaggon voll mit Sprengstoff und Munition explodierte am Allacher Bahnhof und machte das Bahnhofsgebäude dem Allacher Bahnhofsgebäude dem Erdboden gleich. Natürlich hatte auch hierbei die Allacher Feuerwehrmannschaft alle Hände voll zu tun, um den Schaden so gut wie möglich einzudämmen." So schildert das Unglück die Allacher Feuerwehr in ihrer Festschrift zum 100jährigen Jubiläum.
Genauer von einem heute unbekannten Augenzeugen: Am 10.08.1945 explodierte während eines schweren Gewitters kurz vor 22 Uhr ein seit Monaten abgestellter Güterwagon mit Tellerminen. Die Ursache wurde nie geklärt. Durch die Wucht der Explosion wurde die im letzten Bahnhofsgleis stehende Lokomotive aus den Schienen gehoben und ihr Tender bis auf das Krauss-Maffei-Gelände geschleudert. Eine Geschichte, die dazu erzählt wird: Ein fleißiger Mitarbeiter von Krauss-Maffei war zu dieser Zeit noch im Büro, als es gewaltig blitzte, krachte und prasselte. Vor Angst, der Krieg hätte wieder begonnen, warf er sich unter den Bürotisch und verharrte dort einige Zeit, bis er sich traute, zum Fenster hinauszuschauen, wo sich ihm in der einbrechenden Dunkelheit ein Bild der Verwüstung bot. Wann und auf welchen Wegen er nach Hause kam, ist nicht überliefert. Es war jedoch das oben erwähnte Sommergewitter mit Blitzeinschlag in einen Eisenbahnwaggon.
Auf dem Bild vorhergehenden Bild ist links das schwer zerstörte Bahnhofsgebäude, in dem der Bahnhofsvorstand Bogmair zu Tode kam, zu sehen. Über dem noch verbliebenen 1. Stock erkennt man bei genauerem Hinsehen „Allach".
Auf dem linken Bild sieht man eine Lok, die durch die Wucht der Explosion, im letzten Bahnhofsgleis stehend, aus den Schienen gehoben und ihr tonnenschwerer Tender bis auf das KM-Gelände geschleudert wurde. Das rechte Bild bietet nicht nur einen Überblick über die Spuren, die die Explosion in der dem Bahnhof zugewandten Seite bei Krauss-Maffei hinterlassen hat, sondern erlaubt auch einen weiten Blick in die Gegend. Man sieht Mitte links den Betriebszugang zum Bahnhof, rechts weiter oben eine Lagerhalle, darüber die Siedlung an der Lautenschlägerstraße und weiter hinten links das Sägewerk Kistler & Söhne und das Wirtshaus „Dampfsäge".
Der Bericht des Polizeireviers 32, München 50, Eversbuschstr. 134 vom 10.08.1945 lautet:
„Großexplosion am Bahnhof Allach.
Auf dem Bahnhofsgelände am Bahnhof Allach ereignete sich um 22.10 Uhr eine Großexplosion. Ursache noch nicht ganz einwandfrei festgestellt. Folgen: 3 Tote u. 22 Schwer- u. Leichtverletzte. Außerdem zum Teil sehr schwere Gebäudeschäden. 8-10 Waggons gerieten in Brand. Vermutlich explodierte ein mit Munition oder Sprengstoff beladenen Waggon oder ein Benzin-Tank. Brandgefahr war gegen 1 Uhr vorüber. Nachtrag: Nach Angaben des zuständigen Elektrotechnikers und Bauleiters der Isarwerke Franz Pabst, wohnt München-Allach, Fichtestr. 3, wurde über die Großexplosion am Bahnhof München-Allach Nachanzeige erstellt (Polizeidirektion 5797 StAM)."
Die Fichtestraße heißt heute Listerstraße und ist in der Waldkolonie zu finden.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH