Wer Fachkräfte will, braucht Wohnungen
Christiane Weber erklärt, wie das Städtische Klinikum dringend benötigte Fachkräfte unterstützt
"Bei fast allen Bewerbungsgesprächen wird uns die Frage nach Wohnungen gestellt", sagt Christiane Weber. Sie leitet das Zentrales Pflegemanagement des Städtischen Klinikums München (StKM). Nur wer eine sichere Bleibe hat, hat eine Perspektive für die Zukunft und kann daran denken, auch einmal eine Familie zu gründen. Pflegekräfte werden dringend gesucht. Ob sie in München bezahlbaren Wohnraum finden, ist daher eine Schlüselfrage auch für die Arbeitgeber. Wie unterstützt das Klinikum Mitarbeiter bei der Wohnungssuche? Im Gespräch mit Johannes Beetz erklärte Christiane Weber, welche neuen Wege das Klinikum geht:
"Wir steuern auf einen Engpass zu"
Die bayerische Wirtschaft sieht im Fachkräftemangel inzwischen das größte Risiko für die Betriebe. Die Folgen des "demographischen Wandels" lassen diesen Mangel im Pflege- und Sozialbereich noch deutlicher spürbar werden: Die Menschen werden immer älter und damit wächst auch die Zahl der Pflegebedürftigen und Kranken. Wie schätzen Sie die Entwicklung der kommenden Jahre ein?
Christiane Weber: Die Pflege ist bereits heute eines der zentralen Zukunftsthemen. Und die Bedeutung wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Ohne veränderte Rahmenbedingungen steuern wir auf einen Engpass zu, der zu einem echten gesellschaftlichen Problem werden kann. Gründe dafür sind die demografische Entwicklung einer alternden Gesellschaft und gleichzeitig das sinkende Interesse am Pflegeberuf. Die Politik ist gefordert. Das Berufsbild muss wieder attraktiver für den Nachwuchs werden. Eine ordentliche Ausbildung und bessere Arbeitsbedingungen sind die Voraussetzungen dafür. Auch die die gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber dem wichtigen Berufsbild ist ein entscheidender Faktor.
"Alle Kliniken spüren es"
Wie zeigt sich der Fachkräftemangel konkret bei Ihnen im Klinikum? Welche Berufsgruppen werden besonders dringend benötigt und was ist zu tun?
Christiane Weber: Heute schon spüren alle Kliniken, dass es zu wenige Fachkräfte in Deutschland gibt. Wir suchen in den verschiedensten Bereichen nach pflegerischer Unterstützung – insbesondere in der Kinder- und Intensivmedizin. Deshalb übernehmen wir selbst Verantwortung und bilden aus: Über unsere hauseigene Akademie sind insgesamt rund 500 Auszubildende in über 60 verschiedenen Fachgebieten an unseren vier großen Standorten Schwabing, Bogenhausen, Harlaching und Neuperlach im Einsatz. Dennoch bleibt weiterhin zur Besetzung der benötigten Pflegekräfte auch durch Recruitierung aus dem Ausland notwendig.
"München-Zulage, Jobticket, Betriebsrente"
Wir fordern aber nicht nur politisches Engagement, sondern sind selbst aktiv, um als städtisches Klinikum unseren Mitarbeitenden und Interessenten etwas zu bieten: Wir legen großen Wert auf Mitarbeiterentwicklung. Unsere Akademie bietet ein umfangreiches Fort- und Weiterbildungsprogramm an. Wir möchten, dass unsere Pflegekräfte genau wie im Ärztebereich über das notwendige und aktuelle Spezialwissen verfügen, um die Patienten ideal versorgen zu können. Zudem gibt es neben sehr vielen verschiedenen flexiblen Arbeitszeitmodellen auch ein umfangreiches Kinderbetreuungsangebot und günstigen Wohnraum. Wegen der hohen Lebenshaltungskosten in München unterstützen wir mit einer „München-Zulage“, einem Jobticket für die öffentlichen Verkehrsmittel und einer Betriebsrente fürs Alter. Wird eine Behandlung im Krankenhaus für Mitarbeiter oder Angehörige notwendig, dann ermöglichen wir in unseren Häusern kostenfrei zusätzliche Leistungen und bevorzugte Behandlung wie bspw. ein Familienzimmer bei der Geburt.
"Wohnen ist ein zentrales Thema"
Der Beruf des Pflegers ist noch immer häufig nicht so anerkannt wie er es verdient. Insbesondere junge Fachkräfte benötigen aber nicht nur Anerkennung und gute Bezahlung, sondern auch bezahlbaren Wohnraum. Das ist in München ein ohnehin knappes Gut. Wie unterstützen Sie Ihr Personal bei der Wohnungssuche?
Christiane Weber: Gerade München steht für hohe Lebenshaltungskosten. Daher ist vergünstigtes Wohnen für Mitarbeitende ein sehr zentrales Thema. Wir bieten unseren Bewerbern nach der Einstellung Unterstützung bei der Wohnungssuche an. Wir verfügen über Personalunterkünfte, um die Zeit zu überbrücken, bis eine eigene Bleibe gefunden ist. Und: Wir haben insgesamt rund 1.000 Wohnungen unterschiedlicher Größen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Gerade bezahlbare 2-3-Zimmer-Wohnungen sind besonders gefragt. Daher zielen unsere Bemühungen darauf ab, zunehmend größere Wohnungen für Familien zu erhalten. Jüngst haben wir uns auf dem Klinikgelände Harlaching Bezugsrechte für 77 Wohnungen unterschiedlicher Größe gesichert, die in den nächsten Monaten bezugsfertig sind.
"Besonders gesuchte Berufe gewinnen"
An wen werden diese Wohnungen vermietet? Haben hier bestimmte Berufsgruppen oder Familien oder Altersgruppen Vorrang?
Christiane Weber: Für alle Wohnungen gilt: Sie werden zu gleichen Teilen an neue Mitarbeiter und an bereits im Klinikum beschäftigte Mitarbeiter vergeben. Das Angebot wendet sich an Mitarbeiter in bestimmten Einkommensgruppen, die es besonders schwer haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Hierüber will das Klinikum gerade Mitarbeiter in besonders gesuchten Berufen, wie z.B. Pflegekräfte, für sich gewinnen.
"Prämie für Vermittlung"
Wie nehmen Ihre Mitarbeiter das Angebot an?
Christiane Weber: Bei fast allen Bewerbungsgesprächen wird uns die Frage nach Wohnungen gestellt. Es ist ein sehr wichtiger Faktor für die Bewerber. Natürlich gibt es auch eine große Nachfrage innerhalb des Unternehmens bei den Beschäftigten. Dem kompletten Bedarf können wir dabei sicher nicht gerecht werden, aber wir sind auf einem guten Weg.
Wir haben uns auch überlegt, dass wir unsere eigenen Mitarbeiter an einer erfolgreichen Vermittlung von neuen Kolleginnen oder Kollegen teilhaben lassen möchten. Daher gibt es ein internes Prämiensystem: Wirbt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aktiv eine neue Pflegekraft, bedankt sich das Klinikum mit einer Prämie von bis zu 1.000 Euro bei der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter für die erfolgreiche Vermittlung.
Auszug bei Arbeitgeberwechsel
Was passiert bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes - droht dann der Verlust der Wohnung?
Christiane Weber: Falls ein Mitarbeiter innerhalb der StKM den Arbeitsplatz wechselt, bleibt er selbstverständlich auch in seiner Wohnung. Bei einem Arbeitgeberwechsel gibt der Mitarbeiter seine Wohnung wieder ab.
"Mehr größere Wohnungen nötig"
Früher hatten viele große Konzerne Werkswohnungen. Haben wir bewährte Wohnmodelle zu lange vernachlässigt? Werden wir künftig wieder mehr Werkswohnungen benötigen oder gibt es neue Wohnmodelle, die für ein Klinikum sinnvoll sind?
Christiane Weber: Das Thema Wohnraum ist ein Thema in ganz München. Es betrifft sicher nicht nur die Kliniken, sondern auch andere Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter entsprechend unterstützen. Wir haben mit den umfangreichen Belegrechten von Wohnungen der städtischen Wohnbaugesellschaften eine gute Lösung gefunden. Wir sehen darüber hinaus den Bedarf, gerade auch mehr größere Wohnungen für unsere Angestellten und deren Familien zur Verfügung zu stellen, um eine langfristige Bindung zu ermöglichen.
1.000 Wohnungen für die eigenen Mitarbeiter
Das Städtische Klinikum München (StKM) hat – bei rund 7.000 Mitarbeitern – Belegrechte für insgesamt rund 1.000 Wohnungen. So hat sich das Klinikum erst kürzlich Belegrechte für 77 zusätzliche Wohnungen gesichert, die an aktuelle und neue Mitarbeiter vergeben werden.
„Die 77 frisch renovierten Wohnungen werden unserer Mitarbeiterschaft und der Gewinnung neuer Kolleginnen und Kollegen zugute kommen. Das ist ein wichtiger Beitrag, damit unsere Mitarbeiter und ihre Familien in München arbeiten und leben können“, freut sich Dr. Axel Fischer, Vorsitzender der Geschäftsführung der StKM.
"Sie tun viel für unsere Bürger"
„Es gibt viele Menschen, die für die kommunale Daseinsvorsorge in München stehen und täglich viel für unsere Bürgerinnen und Bürger leisten. Gerade für Pflegekräfte spielt bezahlbarer Wohnraum eine wichtige Rolle. Deshalb werde ich mich auch weiterhin für geförderten Wohnraum zum Beispiel bei der Entwicklung auf dem Schwabinger Klinikgelände stark machen!“, betont Oberbürgermeister Dieter Reiter.
Alle rund 1.000 Wohnungen, bei denen die StKM über Belegrechte verfügt, liegen in zentrumsnahen Stadtteilen. Es sind schwerpunktmäßig 1- bis 1,5- Zimmer-Wohnungen mit Mieten aus dem Segment des sozialgeförderten Wohnungsbaus. Im Fall der neu hinzugekommenen Wohnungsbelegrechte handelt es sich um frei finanzierte Wohnungen – darunter auch größere Wohnungen (bis zu 3 und 4 Zimmer) – mit Balkon im Grünen.
Jedes Jahr werden im Städtischen Klinikum rund 150 Wohnungen neu an Mitarbeiter vermittelt.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH