Von „unsinnigen Standards“ befreien
Bürgermeister forden rasche Lösungen für mehr Wohnraum
Das Thema Wohnungsnot ist nicht neu. Die Aufnahme von Flüchtlingen hat die Situation im Oberbayern und speziell um den „Speckgürtel“ um München weiter erschwert. Aus ganz Bayern sind Bürgermeister in die Germeringer Stadthalle gekommen, um an der vom Bayerischen Gemeindetag initiierten Podiumsdiskussion „Wohnungsnot: Zuzug, Asyl und Flüchtlinge – explodiert Oberbayern?“ teilzunehmen.
Kommunen haben kein Bauland
Fast alle Kommunen haben ähnliche Probleme: Sie haben kein Bauland. Das bräuchten sie jedoch, um für die anerkannten Flüchtlinge Wohnraum zu schaffen. Ansonsten droht den Kommunen ein Zuwachs an Obdachlosen. „Wer jetzt Flüchtlinge aufnimmt, darf später nicht auf der Menge an Obdachlosen sitzen bleiben“, forderte Moderator und ehemaliger Chef des Bayerischen Gemeindetags, Jürgen Busse. Auf Workshops, Arbeitsgruppen und neue Konzepte haben die Bürgermeister keine Lust. „Sie stehlen nur Zeit“, meinte Amerangs Bürgermeister August Voit. Auch Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas reicht es: „Uns bewegt die Frage: Wie kriegen wir die Flüchtlinge jetzt unter?“
"An den nächsten Schritt denken"
Scharfe Worte richtete der Germeringer OB gegen die Regierung. „Es kann nicht sein, dass Zuweisungen in Turnhallen erfolgen, wenn es leerstehende Bundesliegenschaften gibt“, erklärte er unter Applaus. „Kasernen ertüchtigen“, forderte der Staatssekretär im Heimatministerium, Albert Füracker, sowie eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Josef Steigenberger, Bürgermeister in Bernried (Landkreis Starnberg) kritisierte, dass der Schwerpunkt auf die Erstunterbringung der Flüchtlinge gelegt werde. „Wir müssen schon den nächsten Schritt denken“, sagte er.
Kostengünstig bauen
Einig waren sich die Bürgermeister und Politiker, dass Modelle für ein kostengünstiges Bauen benötigt werden. Baracken dürften keine Lösung sein, genauso wenig wie eine Konzentration der Flüchtlinge auf bestimmte Wohnviertel. Die Auswirkungen einer solchen Ghettobildung am Beispiel der Pariser Banlieus waren den Politikern ein warnendes Beispiel. Für die Region München hatte Füracker aktuelle Zahlen mitgebracht. So werde in den nächsten Jahren ein Zuwachs von 13 Prozent Menschen erwartet. Angesichts fehlender kommunaler Baugrundstücke plädierte Füracker dafür, die Bedingungen für private Investoren zu verbessern. Diese dürften sich aber nicht auf Flüchtlingsunterkünfte beschränken, sondern müssen für alle gelten. Trotz staatlicher Wohnbauförderprogramme „werden wir aber nicht in der Lage sein, in kurzer Zeit 100.000 Wohnungen zu bauen“, gab Füracker zu Bedenken.
Gewerbe- zu Wohnflächen wandeln
Die komplizierten Wohnstandards wollte die Mehrheit der Politiker deswegen auf den Prüfstand stellen. „Nicht auf den Haufen werfen, sondern für ein paar Jahre außer Kraft setzen“, meinte Helmut Schütz, Ministerialdirektor aus dem Innenministerium. Die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk regte für München an, Gewerbeflächen (Siemens, Agfa), aber auch Parkplätze in Wohnflächen umzuwandeln. „Schulen könnten auch vierstöckig gebaut werden“, so Merk. Sie forderte außerdem: „Wir müssen uns vor unsinnigen technischen Standards befreien“. Lärmschutzstandards könnten hinterfragt und Leitungen über Putz verlegt werden.
Wohnen, wo es Jobs gibt
Auf dem Land sei es oft einfacher, Bauland zu bekommen, allerdings befürchteten hier die Bürgermeister, dass durch massive Bautätigkeiten die Landschaft und die Dörfer zu stark verändert würden. Und anerkannte Flüchtlinge würden sowieso in die Städte drängen. „Der Trend geht dahin, wo es Arbeitsplätze gibt“, hat Füracker festgestellt.
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