Bloß kein Biotop
Kein Platz in Freiham für seltene Tiere
Zauneidechsen, Flußregenpfeifer, Feldlerchen, Wechselkröten oder die extrem vom Aussterben bedrohten Steinschmätzer – normalerweise ist die Begeisterung groß, wenn sich diese seltenen Tiere auf den heimatlichen Fluren ansiedeln. Sie sind schließlich ein Zeichen einer gesunden Umwelt. In Freiham wird derzeit allerdings alles dafür gemacht, dass sich bloß kein solches Lebewesen ansiedelt.
Die Brachflächen sollen sich keinesfalls zu einem Biotop entwickeln. Hier werden schließlich bald Straßen und Häuser entstehen. Mit der Überwachung des Bauplatzes hat die Stadt deswegen Ernst Obermeier vom Büro für ökologische Feldforschung, Naturschutz und Landschaftsplanung (FNL) beauftragt.
Bei einem Rundgang durch das Freihamer Baugebiet stellte er das Anti-Biotop-Konzept vor. Was für den oberflächliche Betrachter nämlich wie ein wüstes Ödland aussieht, das ist in Wahrheit eine bereits von einigen Pflanzen und Tieren besiedelte Fläche
Durch seinen Feldstecher begutachtete Obermeier die offenen Kiesflächen. „Es darf auf keinen Fall passieren, dass hier Zauneidechsen oder Wechselkröte einwandern“, erklärt er. Die kargen Baustellenpfützen seien nämlich „ideale Brutflächen“ für diese Amphibien.
Die Tiere wissen schließlich nicht, dass ihr Refugium nicht von Dauer ist und dass die Baumaschinen bereit stehen.
Flatterbänder und Krötenzäune
Im Prinzip sind die geschützten Tiere natürlich sehr willkommen, „nur nicht hier“, sagte Obermeier. Als Alternative werden Flächen in der Umgebung attraktiv gemacht, die nicht als Baugrund benötigt werden. Um die Tiere vom Einwandern zu bewahren, werden beispielsweise Krötenzäune errichtet und verlockende Wasserpfützen zugeschüttet, störende Flatterbänder und Zäune werden aufgebaut. „Beim Vergrämungsplan haben wir schon vor zwei Jahren bestimmt, welche Flächen zum Bauen und welche nicht benötigt werden“, erklärte Obermeier. Bisher habe alles „wunderbar funktioniert“.
Zum Schwitzen habe er begonnen, als ein Paar der „absolut vom Aussterben“ bedrohten Steinschmätzer vor einigen Wochen in Freiham gesichtet worden war. Von den Archäologen, die große Erdhaufen und Löcher gegraben hatten, seien diese Vögel angelockt worden. „In diesem Fall war es ein Glück, dass sie weitergezogen sind, denn hier wäre der denkbar ungünstigste Platz zum Ansiedeln“. Brütende Vögel hätten den gesamten Bauplan aufhalten können.
Ein Wald in 100 Jahren
Vor der S-Bahnstation an der Bodenseestraße hat sich auf den von Humus befreiten Kiesflächen ein bereits belebtes Biotop gebildet. Ernst Obermeier bückte sich nach einer seltenen Rispenflockenblume, im Sommer hat er hier auch Heidegrashüpfer und die Blauflügelige Ödlandschrecken entdeckt. „In 100 Jahren haben wir hier einen Wald“, prognostizierte er.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH