Arten- und Biotopschutz
Bauvorhaben in der Ganzenmüllerstraße: Grünen-Stadträte haben Fragen zum Vorgehen der Stadt
Wie wichtig ist der Landeshauptstadt München der Arten- und Biotopschutz? Das möchten Katrin Habenschaden, Herbert Danner und Sabine Krieger wissen. Die Grünen-Stadträte beziehen sich dabei auf einen Fall in der Ganzenmüllerstraße. Nach Informationen, die ihnen vorliegen, sei im Zuge der Arten- und Biotopschutzkartierung 1998 ein übergeordnetes Biotop (Nr. 257-07) zwischen Ganzenmüller- und Allacher Straße kartiert worden. Zum Zeitpunkt der Erfassung vom 24. August 1998 waren demnach flächige Altgrasfluren mit Arten der Halbtrockenrasen und Säume vorhanden (60 Prozent), aber auch Gebüsche (19 Prozent), Hecken (zehn Prozent) und Ruderalfluren (zehn Prozent). Im Zuge der Nutzung des Grundstücks als Baustelleneinrichtung der Deutschen Bahn für die ICE-Strecke München-Ingolstadt (Planfeststellung 2001) sei das Grundstück degradiert worden, ebenso das Biotop-Grundstück 257-06 östlich der Bahngleise.
Biotope wurden entwertet
„Anscheinend wurden bei der Genehmigung keine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und eine entsprechend sachgemäße Wiederherstellung gefordert. Im Gegenteil: Die Deutsche Bahn brachte nach der Nutzung nährstoffreichen Humus auf, der das Biotop entwertete“, erklären die Stadträte in ihrer Anfrage. „Die Grundstücke waren jedoch weiterhin als übergeordnete Biotope bei der Münchner Unteren Naturschutzbehörde registriert und dementsprechend nicht für anderweitige Nutzungen oder gar als Bauland freigegeben.“ Pläne der Nachbarschaft in Bezug auf das Privatgrundstück mit der Flurnummer 250/103 in dem Biotop Nr. 257-07 zwischen Ganzenmüller- und Allacher Straße seien nach Aussagen der Anwohner der angrenzenden Grundstücke von Seiten der Lokalbaukommission dementsprechend folgerichtig abgelehnt worden.
Baugenehmigung
„2014 erhielten die Anwohner der angrenzenden Grundstücke jedoch eine Nachbarausfertigung eines genehmigten Vorbescheids für einen Neubau einer Wohnanlage mit Tiefgarage sowie Kindertagesstätte mit einem Genehmigungsdatum vom 23. Dezember 2014 gemäß einem Antrag vom 30. September 2014. Dieser Bescheid wurde durch die Klage der Anwohner der angrenzenden Grundstücke durch ein Gerichtsurteil am 14. März 2016 aufgehoben“, so Katrin Habenschaden, Herbert Danner und Sabine Krieger weiter. „Fünf Wochen vor dem Ortstermin des Gerichts im Jahr 2016 wurden nach Aussagen der Anwohner vom Eigentümer sämtliche Bäume und Sträucher gerodet und gehäckselt und anschließend das gesamte Grundstück mit schwerem Ackergerät umgepflügt. Am 12. Juli 2019 haben die Anwohner der angrenzenden Grundstücke nun die Nachbarausfertigung für eine Baugenehmigung auf genau diesem Biotopgrundstück erhalten.“
27 Reihenhäuser und eine Kita
Die Genehmigung sei am 5. Juli 2019 erteilt worden. Sie gelte für 27 Reihenhäuser und eine Kindertagesstätte mit Tiefgarage. Dabei wurden die beiden Biotope nach Ansicht der Stadträte mit ähnlicher Geschichte unterschiedlich bewertet. „Das Biotop in der Ganzenmüllerstraße wurde als unwiederherstellbar beurteilt, bei dem anderen Biotop wird die Wiederherstellung detailliert vorgegeben und konsequent gefordert, ebenso wie ein zehn Meter breiter Trockenrasenstreifen entlang der Bahn.“
"Vorgang wirft Fragen auf"
Dieser Vorgang werfe Fragen auf. Katrin Habenschaden, Herbert Danner und Sabine Krieger wollen deshalb unter anderem wissen, warum die kartierten Biotope ohne Auflagen zu ihrem Schutz oder entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen als Baustelleneinrichtung 2001 freigegeben wurden und warum kartierte Biotope nicht mindestens einmal im Jahr kontrolliert werden, damit bei Qualitätsverlust rechtzeitig eingegriffen werden könne. Des Weiteren geht es ihnen um die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage das Biotop 257-07 bei Nachfragen der Anwohner der angrenzenden Grundstücke nach ihren Aussagen nie als Bauland freigegeben, im Jahr 2014 aber ein Vorbescheid für eine Bebauung des Biotops vom städtischen Planungsreferat genehmigt wurde.
Wenn zutreffe, dass 2016 auf dem Biotop sämtliche Gehölze gerodet wurden, welche Konsequenzen hatte dies, fragen die Stadträte weiter. Und: Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde im Jahr 2019 die Genehmigung für einen erneuten Bauantrag auf dieser Fläche erteilt? Außerdem wollen sie folgendes wissen: Wenn das Biotop 257-07 nicht wiederherstellbar sei, wie ist es dann möglich, einen zehn Meter breiten Streifen zu den Bahngleisen hin als Trockenvernetzungsstreifen wiederherzustellen? Und: Wo und wann wird ein Ausgleich für das nicht wiederhergestellte Biotop in gleicher Größe und Qualität geschaffen und auf welchen Zustand des Biotops beziehen sich die Ausgleichsmaßnahmen – auf das kartierte Biotop von 1998 oder eine andere Wertigkeit?
„Das Vorgehen der Stadt an der Ganzenmüllerstraße weckt nicht nur den Verdacht, dass hier jahrelang nichts für den Schutz eines Biotops getan wurde“, betont Katrin Habenschaden. „Es ist auch geeignet, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Stadt zu zerstören. Wieso handelt die Stadt nicht, wenn Biotope zerstört werden? Und wieso werden Biotope nicht regelmäßig auf ihre Qualität hin kontrolliert?“, so die Grünen-Fraktionschefin weiter. „Die Stadt muss sich darauf einstellen, dass das Verschwinden von immer mehr Freiflächen die noch vorhandenen umso wertvoller macht. Entsprechend müssen diese auch konsequent geschützt werden.“
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