15 Jahre runde Sachen
Vom Ausstellungspark zum Verkehrszentrum
Handwerker und Ingenieure, Buchhändler und Industrielle, bildende Künstler und Schauspieler, Politiker und Pferde: Die Hallen auf der Theresienhöhe waren im Laufe ihrer 110-jährigen Geschichte Schauplatz für verschiedenste Akteure. 2003 hielt dann das Verkehrszentrum Einzug, eine Zweigstelle des Deutschen Museums.
Als vor 15 Jahren Patentmotorwagen, Puffing Billy & Co. unter den Augen von 30.000 Münchnern von der Museumsinsel Richtung Theresienhöhe rollten, waren allerdings nicht alle Mitarbeiter und Besucher restlos begeistert. „Die einen fanden es schwierig, dass so wichtige Besuchermagnete aus dem Stammhaus abgezogen wurden“, erzählt Bettina Gundler, Leiterin des Verkehrszentrums. „Andere hatten große Vorbehalte gegen das neue Konzept.“ Denn hier werden die verschiedenen Fahrzeuggattungen nicht mehr strikt getrennt präsentiert, sondern möglichst wirklichkeitsnah in drei großen Themenausstellungen. „Unser Anliegen war es, neben dem Blick auf die Technik Zusammenhänge herzustellen und zu zeigen, wozu diese vielen Fahrzeuge uns eigentlich dienen. Auch unsere Mobilitätsbedürfnisse und die Probleme, vor die sie uns manchmal stellen, sollten in dieser Ausstellung sichtbar werden“, sagt Bettina Gundler.
Neue Konzepte
Inzwischen sind die Skeptiker angesichts der Erfolgsgeschichte des Verkehrszentrums verstummt. Durchschnittlich wurden seit der Eröffnung der ersten Halle etwa 100.000 Besucher jährlich im Zweigmuseum am Bavariapark gezählt – Tendenz stetig steigend. Momentan hat das Verkehrszentrum so viele Besucher wie noch nie in seiner Geschichte – allein rund 125.000 waren es im Jahr 2017. „Die bedeutenden Automobile und die Eisenbahnen sind natürlich immer noch die Stars“, sagt Bettina Gundler, „aber auch die thematische Aufstellung und unsere vielen Sonderausstellungen kommen bei den Leuten sehr gut an, wie Umfragen ergeben haben.“
Darüber hinaus hat sich das Verkehrszentrum in der Stadt als Diskussionsforum für alle Themen rund um Mobilität etabliert. Es gibt regelmäßig Vorträge und Podiumsdiskussionen mit Partnern wie Green City e.V. oder der TU München und zahlreiche weitere Veranstaltungen, bei denen die Besucher immer eingeladen sind, mitzureden über neue Verkehrskonzepte oder Technologien. „Unser Museum bietet sich als ein neutraler Ort für den Austausch über Verkehrsthemen an, der in seinen Ausstellungen oft auch passendes, historisches Hintergrundwissen liefert“, sagt Leiterin Bettina Gundler.
Messehallen mit Geschichte
Ende des 19. Jahrhunderts wuchs in München im Zuge der Industrialisierung und des technischen Aufschwungs der Wunsch nach einem Ort, wo sich Gewerbe und Kunstgewerbe präsentieren konnten. So entstand ab 1907 auf der Theresienhöhe nach Plänen des Architekten Wilhelm Bertsch ein Ausstellungspark mit drei Ausstellungshallen, einem Künstlertheater, einem Basargebäude, einem Theatercafé und einem Restaurant. Der Ausstellungspark wurde 1908 anlässlich der 750-jährigen Stadtgründungsfeier mit der Ausstellung „München 1908“ eingeweiht.
Bis in die 1930er Jahre fand in den Hallen eine Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen statt – von Gewerbeausstellungen über Tierschauen, Arbeiter-Sportfeste, Boxkämpfe, Theater- und Musikproduktionen, Sängerfeste sowie die erste „Deutsche Verkehrsausstellung“. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Halle I im Zuge der Mobilisierung zum Pferdestall. Zu Beginn der 1930er Jahre nutzten die Nationalsozialisten sie für Aufmärsche und Feiern; während des Zweiten Weltkriegs war sie unter anderem ein Lager für Hafer und Reifen. Ein Bombenangriff im Frühjahr 1944 zerstörte den größten Teil des Ausstellungsparks. Nur die Hallen I, II und III blieben als Halbruinen stehen.
Stetig erweitert
Nach dem Krieg startete der Ausstellungsbetrieb auf dem Gelände am Bavariapark schon 1948 neu – zunächst mit einer großen Presseausstellung. Die Deutsche Verkehrsausstellung 1953 trug dazu bei, dass die Einrichtungen des Ausstellungsparks nachhaltig saniert und erneuert wurden. Sie brachte Millionen von Besuchern nach München. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich das Messewesen so rasant, dass die Flächen stetig erweitert werden mussten. Bis 1995 vergrößerten sich die Ausstellungsflächen auf 110.000 Quadratmeter. Dennoch erwies sich das innerstädtische Messegelände auf lange Sicht als zu klein. So fiel die Entscheidung, die Messe nach Riem auf das Gelände des ehemaligen Flughafens zu verlagern.
Denkmalgerecht saniert
Im Mai 1996 entschied die bayerische Staatsregierung, dem Deutschen Museum die Errichtung eines Verkehrsmuseums zu ermöglichen. Die Stadt erklärte sich bereit, für diesen Zweck die ehemaligen Messehallen kostenlos und in verkehrssicherem Zustand an das Museum zu übergeben. Allerdings zeigten sich bald gravierende statische Mängel. Stadt und Staat einigten sich auf eine Übernahme der Kosten zu gleichen Teilen und übertrugen dem Deutschen Museum 2002 die Verantwortung für die Bauarbeiten und die denkmalgerechte Sanierung der Hallen. Am 11. Mai 2003 wurde mit Halle III der erste Teil des Verkehrszentrums eröffnet. Drei Jahre später folgten Halle I und Halle II. 2011 schließlich vervollständigte der neu errichtete Eingangsbereich mit angeschlossenen Büros, kleinem Vortragssaal, Besucher-Foyer, Kasse und Shop die Zweigstelle.
Sie bietet auf 12.000 Quadratmetern heute rund 1000 Exponate, darunter Reiseaccessoires, mobile Sportgeräte, interaktive Stationen, etwa 140 Modelle und momentan rund 375 Originalfahrzeuge: 11 Kutschen, 148 Fahrräder (davon 100 in der aktuellen Sonderausstellung „Balanceakte“), 72 Motorräder, 112 Autos, 13 Nutzfahrzeuge, 20 Schienenfahrzeuge, zehn begehbare Ausstellungsstücke (Lkw-Führerstand, Bahnpostwagen, Salonwagen, Güterwagen, Kutschensimulator, S-Bahn-Wagen und -Simulator, U-Bahnwagen, Straßenbahn) und eine Modelleisenbahnanlage.
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