Den sozialen Frieden bewahren
Wie soll das Stadtviertel der Zukunft aussehen?
Das Leben im Viertel und im Quartier prägt die Chancen und die Lebensqualität seiner Bewohner. Unterschiedliche Voraussetzungen können Entfaltungsmöglichkeiten bieten, aber auch Entwicklungschancen verschließen. Das Stadtviertel ist der Ausgangspunkt für gesellschaftliche Teilhabe und damit entscheidend für den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft.
Doch wie müssen öffentliche Räume und Grünflächen gestaltet sein, wie der Wohnraum, wie Bildungsmöglichkeiten, Verkehr, Infrastruktur und Nahversorgung, damit die Menschen in einem lebendigen Quartier leben können? Die beiden Landtagsabgeordneten Florian von Brunn und Andreas Lotte (beide SPD) haben Vertreter von Sozial- und Umweltverbänden, Bildungseinrichtungen, Genossenschaften und Mietervereinigungen eingeladen, um über diese Fragen zu diskutieren.
Wachstum zum Teil zu schnell
Die Stadt München wächst gerade um 25.000 Einwohner - jedes Jahr. Dieses Wachstum ist für von Brunn "zum Teil zu schnell", denn es schafft Probleme beim Flächenverbrauch, bei der ohnehin schwierigen Wohnungssituation und bei Luftreinhaltung und Lärmschutz. "Wir wollen die Stadt vor zuviel Autos befreien", sagte von Brunn, "das ist unser Kernthema". Die Stadt soll gesünder und lebenswerter werden. In den nächsten Jahre müsse daher die Verkehrswende hin zu einem Umweltverbund mit Schiene und Bus gelingen. Während in Bayern noch immer das Auto Vorrang habe, gebe es in der Stadt bereits etliche Modellprojekte. Die Stadtwerke etwa machten mit der Tram bereits "die beste Form der Elektomobilität".
"Pro zu Tangenten"
Von Brunn sprach sich für den Ausbau der Tram aus, da diese viel kosteneffizienter sei als die U-Bahn. Von Brunn unterstrich ein "klares Pro für Tangenten, da muss deutlich mehr passieren!" Auch die U9 als Entlastung für U3/U6 sei nötig, ebenso die zweite S-Bahn-Stammstrecke - und S-Bahn-Verknüpfungen an den Außenästen.
Doch nicht nur in der Stadt, auch im Umland müsse mehr passieren. Es sei ein Ausbau nötig, um den Erholungsverkehr in das Fünf-Seen-Land zu bewältigen. Von Brunn denkt da an die Elektrifizierung der Oberlandbahn, aber auch an mehr Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder in der Bahn. Hier fehlen Kapazitäten. Zudem brauche man einen ÖPNV, der über die einzelnen Landkreise hinausgehe.
"Erholungsflächen sind tabu"
In der Stadt selbst müsse man das Grün verteidigen - trotz des nötigen Wohnungs- und Schulbaus. "Die Erholungsflächen müssen tabu bleiben, wir müssen unsere Grünflächen verteidigen", so von Brunn. Das gelte auch für das Umland: "Wir wollen keinen Autobahnsüdring!"
"Wir brauchen eine andere Schule"
Auch die soziale Infrastuktur müsse man ausbauen, z.B. mit einer "anderen Schule". Das ist für die SPD die Gemeinschaftschule von der 5. bis zur 10. Klasse mit Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Hier gelinge die Integration von Flüchtlingen und Menschen mit Handicap besser, ist von Brunn überzeugt.
"Es ist kein Gegensatz"
Natur und Wohnen sei kein Widerspruch, ergänzte Andreas Lotte - auch Wohnen und Wirtschaft nicht. "Wir müssen beides mitdenken!" Die Förderprogramme der Staatsregierung seien allerdings zu standardisiert - man brauche aber in einem Land, in dem die Regionen unterschiedlich strukturiert sind und sich unterschiedlich entwickeln, individuelle Lösungen. Daher brauche man beim Wohnungsbau differenzierte Maßnahmen für die verschiedenen Regionen.
Lotte warb zudem für genosschenschaftliche Modelle beim Wohnungsbau. "Da ist jeder Mieter und Eigentümer - herauskommen faire Mieten."
Bezahlbarer Wohnraum sei eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und stehe in direktem Zusammenhang mit dem sozialen Frieden in einer Stadt. Die Münchner Mischung sei hier vorbildhaft, da sie eine Ghettobildung verhindere. "Es ist wahsinnig wichtig, dass alle Stadtviertel für alle möglich sind!" unterstrich Lotte. München sei auch deswegen die sicherste Großstadt, weil die Stadt "mit ihrer Sozialpolitik etwas dafür getan habe".
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH