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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
4. Neuhauser Wasservogelfest
Der 9. Stadtbezirk lässt am 28. Juli den alten Brauch wieder aufleben
Am kommenden Sonntag, 28. Juli, findet zum vierten Mal das Neuhauser Wasservogelfest statt. Um 11 Uhr erfolgt die offizielle Eröffnung und Begrüßung durch Ingeborg Staudenmeyer, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg (BA 9). Das Besondere in diesem Jahr: Erstmals in der Geschichte wird heuer mit Lisa Königsbauer von der FT Gern ein weiblicher Wasservogel versenkt. Die Freie Turnerschaft München-Gern stellt wie immer die Wasservogelgruppe, die vorwiegend aus Spielern der A-Jugendmannschaft besteht.
Anschließend an die Eröffnung des Wasservogelfestes erfolgt schon auf dem Rotkreuzplatz der erste Spruch der Wasservogelgruppe an Prinz Christoph von Bayern sowie der zweite Spruch an den Jubilar. Wie bei jedem Wasservogelfest gibt es auch heuer einen Jubilar, der am Rotkreuzplatz einen eigenen Spruch erhält. Es ist Johann Eichmeier, der seit 25 Jahren als Wirt des „Königlichen Hirschgartens“ tätig ist.
Beginn des Festzuges, an dem wieder zahlreiche Neuhausen-Nymphenburger Vereine mit Fahnen und Trachten teilnehmen, ist um 11.30 Uhr. Die Vereine und Musikkapellen treffen sich bereits ab 10 Uhr am Rotkreuzplatz. Der Zug wird in der Donnersbergerstraße aufgestellt. Voran wird das Wiesn-Gespann der Augustinerbrauerei fahren. Vom Rotkreuzplatz geht es durch die Winthirstraße zum Schlosskanal. „Dabei wird vor dem Postamt, vor dem Großwirt und bei der Blindeninstitutsstiftung angehalten und jeweils ein Spruch aufgesagt“, erklärt Franz Schröther von der Geschichtswerkstatt Neuhausen, die das Wasservogelfest zusammen mit dem BA 9, dem Verein für Stadtteilkultur Neuhausen-Nymhenburg und der FT Gern veranstaltet.
Traditionsgemäß wird der Festzug zuerst am Postamt in der Wintihrstraße 4, dem ehemaligen „Strohmaierhof“ anhalten, dort erhält der Neuhauser Millionenbauer Lorenz Hauser einen Spruch. Der nächste Stop ist vor dem „Großwirt“ in der Winthir- / Ecke Volkartstraße, der ältesten Gastwirtschaft Neuhausens, in dem die historischen Wasservögel feierten und anschließend vor der Blindeninstitutsstiftung in der Winthirstraße 24, dem ehemaligen „Ludwig-Ferdinand-Maria-Heim“.
Der Wasservogel wird von der Gerner Brücke in den Schlosskanal geworfen – und zwar in westliche Richtung, also zum Schloss Nymphenburg hin. „Den besten Blick auf den Wasservogelwurf hat man an der Kanalböschung an der Südlichen und Nördlichen Auffahrtsallee entlang“, betont Schröther. Die Brücke selbst wird von der Polizei gesperrt werden, so dass sich dort nur die Wasservogelgruppe befinden wird. Nach dem Wurf des Wasservogels geht der Festzug weiter durch die Südliche Auffahrtsallee, das Südliche Schlossrondell und die Hirschgartenallee zur Gaststätte „Königlicher Hirschgarten“. Ankunftszeit wird zirka 13.30 Uhr sein. „Dort gibt es für die Zugteilnehmer eine Brotzeit und das Fest wird gemütlich ausklingen“, so Schröther weiter.
Geschichtliches zum Wasservogel
Mehrere Jahrhunderte lang wurde in Neuhausen jedes Jahr das Wasservogelfest gefeiert, dessen Ursprung vermutlich aus heidnischer Zeit stammt. Dieser Brauch war auch unter der Bezeichnung „Pfingstl“ bekannt. Demnach wurde jedes Jahr an Pfingstmontag ein Bursche zum „Wasservogel“ oder „Pfingstl“ bestimmt. Er wurde nach Angaben der Geschichtswerkstatt Neuhausen mit Schilf, Binsen, Stroh, Laub und bunten Bändern geschmückt und auf einem Pferd, begleitet von den anderen Burschen, durch das Dorf geführt. In Neuhausen ging der Weg durch die einzige vorhandene Straße, die durch das Dorf führte, die heutige Winthirstraße, an der links und rechts die Bauernhöfe lagern. Vor den Höfen sagte einer der Burschen einen Spruch auf, die anderen fügten am Schluss einen Juchzerer hinzu. Dann erhielten sie Naturalien – Eier, Mehl und Butter. Danach begab sich die Gruppe an den jetzigen Rotkreuzplatz, dort wurde der Wasservogel vom Pferd herab in den in der Platzmitte befindlichen Dorfteich, die „Schwabenlacke“, geworfen. Aus den gesammelten Lebensmitteln wurden beim „Großwirt“ Küchlein gebacken und mit großem Hallo verzehrt.
Verbot des Brauches 1828
Im Jahr 1828 wurde dieser Brauch verboten. Die Neuhauser Burschen hatten geplant mit dem Wasservogel vor das Schloss Nymphenburg zu ziehen, um dort König Ludwig I. ihren Vers vorzutragen. Dafür hatten sie Rokokokostüme angezogen. Als sie vor dem Schloss ankamen, war ihnen der Moosacher Wasservogel mit seiner Gruppe zuvorgekommen. Der Plan der Neuhauser war an die Moosacher verraten worden. Es entwickelte sich eine heftige Schlägerei, die erst durch das Eingreifen der Schlosswache beendet werden konnte. Den König bewog das dazu, das Wasservogelfest zu verbieten.
Erste Aufführung war 2007 - nach 179 Jahren
Nach 179 Jahren wurde die Wasservogeltradition im Jahr 2007 wieder zum Leben erweckt. Der Chef des Hauses Wittelsbacher, Herzog Franz von Bayern, hat durch seine Teilnahme symbolisch das Verbot König Ludwigs I. aufgehoben. Seine erste Wiederaufführung feierte das Wasservogelfest am 22. Juli 2007. Äußerer Anlass dazu war das 100. Gründungsfest der FT Gern. 2009 wurde das Wasservogelfest zum 125-jährigen Vereinsjubiläum des Männergesangsvereins „Concordia Neuhausen“ und 2011 zum 120. Geburtstag der Schützengesellschaft „Falkenauge“ gefeiert. Heuer findet das 4. Wasservogelfest anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von Hirschgartenwirt Johann Eichmeier statt.
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