"Sind Sie ehrenamtlich engagiert?"
Bundestagskandidaten antworten

Sebastian Roloff (SPD), Bundestagskandidat für den Münchner Süden. (Foto: Tobias Hase)
Ohne die vielen Ehrenamtlichen würde vieles in unserer Gesellschaft nicht so gut laufen, wie es das nach wie vor tut. Am 22. Januar findet im Gasteig die Freiwilligenmesse statt: FöBE, die Förderstelle für Bürgerschaftliches Engagement, organisiert sie gemeinsam mit der Landeshauptstadt. 80 Organisationen, die mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, zeigen, wo man sich selbst einbringen kann. Wir fragten die Bundestagskandidaten:
"Sind Sie ehrenamtlich engagiert? Sehen Sie die Gefahr, dass der Staat eigene Aufgaben auf bürgerschaftliches Engagement abwälzt?"
"Wille, konkret etwas zu verändern"
Sebastian Roloff (SPD), Direktkandidat München Süd (Wk 219):
Bereits als Jugendlicher habe ich mich in der deutsch-tschechischen Jugendarbeit und im Bezirksjugendring engagiert. Ehrenamtliche Arbeit gibt einem einfach viel und man kann sich gut einbringen und selbst verwirklichen. Später dann hat der Wille, konkret etwas zu verändern, zum Beginn meines ehrenamtlichen politischen Engagements geführt.
Ohne die gut 31 Millionen Menschen in Deutschland, die sich ehrenamtlich engagieren, wäre die Gesellschaft um einiges ärmer. Der Staat darf sich aber gerade nicht aus den Bereichen mit viel Engagement zurückziehen, sondern muss die Arbeit noch unterstützen.
"Das gute Gefühl, jemandem helfen zu können"
Stephan Pilsinger (CSU), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
Ehrenamtliches Engagement gehört für mich zum Leben dazu – Teamsport bei den Handballern, Musik im Kirchenchor und Brauchtum bei den Trachtlern sind nur ein paar Aktivitäten, bei denen ich als Kind dabei war. Sehr geprägt hat mich das BRK – dort habe ich 1996 eine Ausbildung zum Sanitäter angefangen. Das war jede Menge anstrengende Arbeit, aber auch das gute Gefühl, jemandem helfen zu können. Für mich war es der Antrieb, Medizin zu studieren.
Die Freiwilligenmesse finde ich großartig - weil sie sich auch an Menschen richtet, die gerne mehr ehrenamtlich gestalten würden, aber noch konkrete Möglichkeiten suchen.
Bürgerschaftliches Engagement und staatliche Daseinsvorsorge sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Hauptamt und Ehrenamt gehen Hand in Hand. Ich glaube, dass wir das, was Ehrenamtliche ideell leisten, auch von bestbezahlten Kräften so nicht bekommen würden.
"Entscheidende Erfahrungen gemacht"
Bernhard Goodwin (SPD), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
Ich kann mir selbst ein Leben ohne ehrenamtliches Engagement gar nicht vorstellen. Das liegt sicher in meiner Erziehung begründet und in der Erfahrung meiner Eltern, die sich in Deutschland durch ihr kirchliches Ehrenamt integriert haben. Sie sind als Fremde hier angekommen und haben sich so Freundschaften aufgebaut und ihre neue Heimat mitgestaltet. Auch ich habe in den verschiedenen Ehrenämtern meine wichtigsten Beziehungen geknüpft und entscheidende Erfahrungen gemacht. Das alles bei dem schönen Gefühl, etwas Gutes zu tun.
Ich freue mich, dass in unserer Gesellschaft viele wichtige Aufgaben von Menschen freiwillig angepackt werden. Der Staat übernimmt hier die Rolle, gute Rahmenbedingungen herzustellen und die notwendigen Dinge zu erledigen, die nicht vom Ehrenamt gemacht werden können.
"Ohne Ehrenamtliche würde unser Staat nicht funktionieren"
MdB Dieter Janecek (Grüne), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
Die Sorge um die Zerstörung unserer Umwelt hat mich vor 20 Jahren ins Ehrenamt und zur Politik gebracht. Als junger Grüner am Infostand im ländlichen Niederbayern, das hat nicht immer nur Spaß gemacht. Bei mir wurde aus dem Ehrenamt später Beruf. Rückgrat unserer Demokratie sind aber nicht die 600 Bundestagsabgeordneten, sondern die hunderttausenden Menschen, die sich ehrenamtlich in Parteien oder kommunalen Vertretungen engagieren. Ohne diese Menschen würde unser Staat schlicht nicht funktionieren. Wie wichtig das Ehrenamt für die gesamte Gesellschaft ist, haben wir besonders im Herbst 2015 erlebt. Nur dank der vielen Engagierten ist es Deutschland gelungen, die Flüchtlinge, die zu uns kamen, menschenwürdig aufzunehmen. Dafür kann man nicht oft genug Danke sagen!
"Ehrenamt ist effektiver als der Staat"
Lukas Köhler (FDP), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
Das Ehrenamt hört dort auf, wo grundlegende Aufgaben des Staats erfüllt werden müssen. Anderswo ist dies sicherlich ein Problem, in Deutschland gibt es dafür den Sozialstaat. Wir haben eher ein anderes Problem: Der Staat stellt immer mehr bürokratische Hürden auf, die für viele Organisationen eine große Herausforderung sind. Denn Fakt ist: Das Ehrenamt ist für die Gesellschaft zentral und effektiver als der Staat. Ich selber bin schon lange ehrenamtlich aktiv, vom Basketballtrainer zum katholischen Jugendleiter bis hin zum Coach für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Hängengeblieben bin ich in der Politik. Dabei war für mich die Arbeit mit und für junge Menschen immer Kernanliegen. Ich wollte schon immer das Glück, in einem Akademikerhaushalt aufgewachsen zu sein, an andere weitergeben.
"Das Beste, was einer Gesellschaft passieren kann"
MdB Florian Hahn (CSU), Direktkandidat München Land (Wk 221):
Bürgerschaftliches Engagement ist das Beste, was einer Gesellschaft passieren kann. Eine Demokratie lebt davon, dass sich Bürger in Parteien engagieren. Leider wird dieses Engagement häufig nicht als solches gesehen, aber wie allein würden unsere kommunalen Parlamente funktionieren, gäbe es nicht ehrenamtliche Räte? Ich war viele Jahre im Gemeinderat meines Heimatortes Putzbrunn, noch heute sitze ich im Kreistag. So bin ich trotz meines Bundestagsmandats nah an den lokalen Themen. Doch bürgerschaftliches Engagement ist weitaus mehr und prägt Bayern mit seinen Brauchtums- und Sportvereinen, den Feuerwehren und Rettungsorganisationen oder den kirchlichen Verbänden - um nur einige wenige zu nennen - ganz besonders. Ich bin in über einem Duzend Vereinen und wäre das gerne noch aktiver. Es macht mir einfach Freude, sich zu engagieren und man bekommt unglaublich viel zurück z.B. bei meiner Tätigkeit als Vorsitzender der Stiftung Lebenshilfe München für Menschen mit Behinderung. Eine Gesellschaft ohne bürgerliches Engagement wäre für mich eine arme.
Wenn aus „ich würde“ ein „ich mache“ wird
Christian Winklmeier (SPD), Direktkandidat Starnberg / Landsberg (Wk 224):
Anpacken statt granteln – das ist mein Motto! Für mich bedeutet es, dass wir selbst für unsere Ideen kämpfen müssen. Mein politisches Engagement ist entstanden, weil ich von vielen nur gehört habe, dass „die Politiker“ doch alles falsch machen und man selbst alles ganz anders machen würde. Ich wollte all jenen zeigen, dass aus dem „ich würde“ leicht ein „ich mache“ werden kann. Als Jugendleiter im Sport habe ich begonnen, weil ich nach vielen Jahren als aktiver Leitungssportler weitergeben wollte, was ich von vielen Trainern erhalten habe: Zeit und Engagement. Ob lange Fahrten zu Punktspielen oder die Begleitung zu sonntäglichen Turnieren – das ist keine Selbstverständlichkeit! Dass ich als Jugendleiter ein wenig von dem zurückgeben kann, wovon ich jahrelang profitiert habe, ist mir eine große Freude.
"Bewegen und mitreden"
Kerstin Täubner-Benicke (Grüne), Direktkandidatin Starnberg / Landsberg (Wk 224):
"Es gibt nicht Gutes, außer man tut es": Geprägt wurde ich in den 80ern durch die evangelische Jugendarbeit. Von der Arbeit im Eine-Welt-Laden war es nur kleiner Schritt zum Einsatz gegen Atomkraft und für Naturschutz. Als Mutter von vier Kindern fand ich Freude und Freunde durch Arbeit im Elternbeirat, Kirchenvorstand, und Jugendarbeit beim BN. Derzeit engagiere ich mich v.a. politisch: als Sprecherin einer Landes- und der Bundesarbeitsgemeinschaft und meines Kreisverbandes. Meine Motivation: bewegen und mitreden.
Bürgerschaftliches Engagement ist eine Investition in die Zukunft, für Demokratie, Solidarität und Freiheit. Initiativen, Vereine und Verbände unterstützen durch Kritik und Kreativität staatliche Verantwortungsübernahme, ersetzen sie aber nicht. Beide Seiten sind gefordert, drohender Überforderung und (Selbst-) Ausbeutung entgegenzuwirken.
Die Wahlkreise
Aus jedem Wahlkreis wird einer der jeweiligen Direktkandidaten als regionaler Vertreter in den Bundestag gewählt. Die Wahlkreise umfassen folgende Gebiete:
München Süd (Wk 219): Sendling, Sendling-Westpark, Giesing, Harlaching, Münchner Süden, Hadern (Münchner Stadtbezirke 6, 7, 17, 18, 19, 20).
München West / Mitte (Wk 220): Ludwigs- / Isarvorstadt, Westend, Neuhausen, Nymphenburg, Pasing, Menzing, Aubing, Lochhausen, Langwied, Allach, Laim (Münchner Stadtbezirke 2, 8, 9, 21, 22, 23, 25).
Starnberg / Landsberg (Wk 224): Stadt Germering, Landkreise Starnberg und Landsberg.
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