Pläne
Die Piazza an der Bo (5)
Wir lachten immer noch über sein gerade überstandenes Abenteuer, bei dem ich ihn mit einer Leiter vom Dach gerettet hatte, als er unvermittelt ernst wurde. „Das geht mir immer so, mein Leben lang.“ Er sah meinen fragenden Blick und fuhr fort: „Ich war immer eine Nummer zu klein. In der Schule, bei der Ausbildung bei einer Autowerkstatt. Sogar Sophia hat mich gefunden, ausgesucht und geheiratet.“
Hatte ich ihn zuerst für Mitte 50 gehalten, so war er doch erst 48. Alessandro Totti kam aus Cansano, das liegt in den Abruzzen. Er hatte dort viele Jahre als Kfz-Mechaniker gearbeitet. Langsam vergreiste das Dorf und er musste immer weiter fahren, um Arbeit zu finden. Es war ein mühsames Leben. Die einzige Tochter ist 2009 nach Kanada ausgewandert und baut sich dort ein Leben auf. Die Eltern sollten nachkommen, bald. „Aber nicht mit leeren Händen“, verlangte Sophia von Alessandro. Nach Deutschland wollten sie gehen, nach München, das sie schon kannten und das ihnen gut gefiel. Ein Jahr lang lernten sie Deutsch und studierten den Arbeitsmarkt per Internet. Leute aus ihrer Gegend, die schon in München waren, halfen bei der Vorbereitung. Sophia wurde krank. „... nichts Schlimmes ...“ hieß es. Eine Unterkunft, ein Ein-Zimmer-Apartment an der Piazza Bo, war bald gefunden.
„Dann waren es noch zwei Monate bis zur Umsiedlung.“ Alessandro schwieg, seine Hände rangen miteinander. Rasch sprang ich auf, leerte umständlich den Aschenbecher, ließ ihm Zeit. Als ich mich wieder setzte, fuhr er fort: „Ja, und nun bin ich doch allein hier. Ich will unseren Traum, Sophias Traum erfüllen: Arbeiten in Deutschland, Geld sparen und irgendwann zu Gianna-Marie nach Kanada ziehen.“ Ich nickte nur. „Wie lange werden Sie in München bleiben?“
Er zuckt die Schultern.
"'Hau Ruck' auf Russisch" ist der Titel unserer nächsten Geschichte von der Piazza an der Bo.
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