Lucas Geheimnis
Vor ein paar Tagen haben wir bei Alessandro gegrillt. Luca, 23, war auch dort und wir hatten uns für heute verabredet. Ich nahm mein Aufnahmegerät mit, damit ich nicht immer mitschreiben muss. „Ich konnte nicht alles erzählen, neulich bei Alessandro“, und er scheint zu platzen vor Mitteilungsbedürfnis. „Ich komme aus der Toscana, mein Vater ist Weinbauer dort. Ich sollte es auch werden, aber ich mag nicht.“ Sichtlich wartet er auf eine Frage: „Warum nicht, was machst du überhaupt hier in München?“
Er wächst um einige Zentimeter, holt tief Luft, zögert einen Moment, wie um das richtige Wort für den Anfang seiner Rede zu finden: „Ich habe eine Einladung bekommen.“
„Wer ...?“
„Na eine Einladung zum Vorspielen, Capice. Na, ich spiele Geige und will in München studieren.“
Er ist also die Geige, die wir manchmal auf der Piazza hören. „Du willst Musik studieren? Und bist zum Vorspielen hier?“
„Si, Signore!“ und er strahlt über das ganze Gesicht. „Super Luca, aber warum so geheimnisvoll, das ist doch etwas, worauf man stolz sein kann.“ Plötzlich sind da nur noch dunkle Schatten über seinem Gesicht. „Vater und alle sind dagegen. Ich bin jüngster Sohn und muss auch Weinbauer sein. Aber ich will spielen.“
„Warum darfst du denn nicht Musik studieren?“
„Vater ist geizig ohne Ende. Alessandro ist mein Onkel, ich kann bei ihm wohnen.“
„Weiß er denn Bescheid, was du hier tust?“
Er lächelte. „Onkel ist ein guter Mensch, er hilft mir und schweigt.“
Luca erzählte noch von seinen Hoffnungen, Ängsten, von den vielen Stunden heimlichen Übens in Italien und dem Feuer, das in ihm brennt, seit er Geige spielt. Seitdem schaue ich manchmal zu Alessandros Balkon hinauf und warte auf den hochgestreckten Daumen von Luca.
Unsere nächste Geschichte von der Piazza erzählt vom "Schreihals".
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH