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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Jeder junge Mensch bringt etwas mit, worauf wir aufbauen können“
Die Koordinierungsstelle Psychosoziale Nachsorge unterstützt und entlastet Jugendliche nach einer Krebserkrankung
Die Diagnose „Ihr Kind hat Krebs“ stürzt eine Familie in eine tiefe Lebenskrise. Zwar ist die Medizin glücklicherweise so weit fortgeschritten, dass heute vier von fünf Kindern überleben. Doch die Bewältigung der Krise, die die Erkrankung für die Betroffenen und deren Familien auslöst, dauert oft Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Hilfe bietet die Koordinationsstelle Psychosoziale Nachsorge (KONA), die von der „Initiative krebskranke Kinder München e.V.“ ins Leben gerufen wurde und die sich um ehemals erkrankte Kinder und Jugendliche sowie um deren Familie kümmert und bei der Krankheitsverarbeitung unterstützt.
Lebenswichtige Aufgabe
KONA bietet professionelle Beratung, Fachseminare und gezielte Freizeitaktivitäten. „Wir sind im Grunde für die Akut- und Langzeitnachsorge zuständig“, sagt Sozialpädagogin Jaqueline Fischbach. Gemeinsame Aktionen und Erlebnisse stärken das Selbstbewusstsein der jungen Menschen und helfen, wieder Lebensmut und ein gutes Gefühl für den eigenen Körper zu erlangen. „Wir kümmern uns um ehemalige Krebspatienten, die aufgrund von Spätfolgen oft Schwierigkeiten haben. Dazu gehören auch Kinder und Jugendliche, die vielleicht vor zehn Jahren erkrankt waren und jetzt ihren Schulabschluss machen. Viele von ihnen haben mit körperlichen, seelischen und kognitiven Problemen zu kämpfen, die beispielsweise den Einstieg ins Berufsleben erschweren.“ Denn die höheren Heilungschancen haben auch ihre Schattenseiten: Die Zahl der Behinderungen, Folgeerkrankungen und Spätschäden durch die Erkrankung und aggressiven Therapien wächst. Damit wird die medizinische und psychosoziale Nachsorge zu einer lebenswichtigen Aufgabe.
Perspektive finden
„Ich persönlich berate im Übergang von Schule und Beruf. Mir ist es grundsätzlich wichtig, die Ressourcen und Fähigkeiten zu sehen, die die jungen Menschen mitbringen. Hierin möchte ich sie bestärken, denn jeder junge Mensch bringt etwas mit, worauf wir aufbauen können“, betont Jaqueline Fischbach. Die psychosoziale Nachsorge im Bereich „Jugend & Zukunft“ (JuZu) ist einer der Schwerpunkte von KONA. JuZu hilft ehemals an Krebs erkrankten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz und einer beruflichen Perspektive. Denn die Krebserkrankung hinterlässt körperliche und emotionale Spuren, die es den jungen Menschen besonders schwer machen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Jaqueline Fischbach und ihre Kollegen beraten die Jugendlichen im Übergang von Schule und Beruf ganz individuell, aber auch bei einer Erkrankung während der Ausbildung sowie bei einer beruflichen Neuorientierung im Falle von Spätfolgen. „Das ist eine enorme Entlastung und hilft den Jugendlichen, nach der Erkrankung wieder eine Perspektive für sich zu finden und auch konkrete Schritte zu gehen“, so die Sozialpädagogin weiter.
Gruppentreffen mit Gleichgesinnten
Daneben organisiert sie regelmäßige informelle und niederschwellige Treffen für die Jugendlichen. „Wir kommen zusammen, um Spiele zu spielen oder gemeinsam zu essen. In der Regel treffen wir uns einmal im Monat. Es geht um das gemeinsame Erleben und darum Spaß zu haben. Außerdem ist natürlich der Austausch mit Gleichgesinnten sehr wichtig.“ Denn oft würden sich die jungen Menschen von ihrem Umfeld nicht verstanden fühlen, weiß Jaqueline Fischbach. „Auch Freunde und Bekannte können nur schwer nachvollziehen, was eine solche Erkrankung bedeutet und welche Auswirkungen sie – oftmals auch langfristig – haben kann.“
Theaterpädagogisches Projekt
Die Gruppe ist offen für alle ehemaligen Krebspatienten ab 16 Jahren. „Wir bieten den Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Rahmen, in dem sie Freude haben können. Allein in diesem Jahr haben wir auch schon tolle Sachen organisiert, haben etwa an einem Graffiti-Workshop teilgenommen und einen Bingo-Abend veranstaltet. Und zur Wiesn-Zeit wurde uns ein Tisch im Rahmen der Wirtshaus-Wiesn gespendet.“ Und auch für das kommende Jahr gibt es schon Pläne, denn Jaqueline Fischbach initiiert für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein theaterpädagogisches Projekt.
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