„Den Glauben an sich zurückgewinnen“
Beim erlebnispädagogischen Klettern lernen ehemals an Krebs erkrankte Kinder neues Selbstvertrauen

Beim Klettern lernen die Kinder unter anderem Verantwortung füreinander zu übernehmen und sich gegenseitig beim Klettern zu sichern. (Foto: Axel Griesch)
„Klettern ist ein Spiegel für das Leben“, sagt Ulli Dietrich. „Man geht in die Verantwortung füreinander, sichert sich gegenseitig beim Klettern und lernt beim Ablassen die Kontrolle abzugeben und loszulassen.“ Die Klettertrainerin ist Sozial- und Erlebnispädagogin und leitet die erlebnispädagogische Klettergruppe der „Initiative krebskranke Kinder München e.V.“, die sich regelmäßig in der Heavens Gate-Kletterhalle am Ostbahnhof trifft. „Unser Projekt, das sich an ehemals krebskranke Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren richtet, gibt es seit 2004.“
Körper neu kennenlernen
Klettern helfe den ehemaligen Krebspatienten dabei, ihren Körper wieder neu kennenzulernen, da sie ihn als nicht mehr verlässlich empfinden. Den Kindern und Jugendlichen fehlt für vieles die Kraft. „Durch das Klettern können wir gemeinsam ausloten, was geht und was noch nicht geht“, erzählt Ulli Dietrich. „Die jeweiligen Fortschritte, die sich mit der Zeit einstellen, tun den Kindern und Jugendlichen gut, denn sie gewinnen den Glauben an sich und ihren Körper zurück. Das ist grundlegend wichtig für deren weitere Entwicklung auf dem Weg ins Erwachsen werden.“
„Die Krankheit und die Nähe zum Tod bleiben ein Teil des Lebens“
Beim erlebnispädagogischen Klettern nehmen auch die Geschwister teil. „Auch für sie ist die Erkrankung sehr schwer. Die Krankheit und die Nähe zum Tod bleiben ein Teil des Lebens, sowohl für die Familie als auch für die erkrankten Kinder und Jugendlichen – und das viel zu früh“, weiß Ulli Dietrich. „Das ist für die gesamte Familie ein unglaublich einschneidendes Erlebnis, das sie schwer verunsichert. Unsere Aufgabe als Trainer ist es den Kindern und Jugendlichen wieder Mut zu machen, in kleinen Schritten der Angst zu begegnen und Freude an allem, was möglich ist zu erspüren. Mit den Kindern zu klettern, heißt sie zu stabilisieren. Dabei geht es beispielsweise auch darum, die aktuelle körperliche Situation anzunehmen und sich mit den eigenen Möglichkeiten und Grenzen auseinanderzusetzen. Auch dann, wenn es schwierig ist.“
„Ängste überwinden“
Im Vordergrund des erlebnispädagogischen Kletterns stehe das Miteinander und der Spaß an der Bewegung, „sei sie auch noch so klein“, wie Ulli Dietrich betont. „Für die Kinder und Jugendlichen geht es im Grunde darum, ihre Kraft einschätzen zu lernen – auch um zu wissen, dass sie ihrem Körper und sich selbst wieder trauen können. Sie lernen ihre Ängste zu überwinden, sie loten ihre Grenzen neu aus. Es geht ja auch darum, dass die Kinder und Jugendlichen nach der Erkrankung wieder lernen müssen, ihr Leben zu leben. Dabei wollen wir sie mit dem Klettern unterstützen.“
„Brücke in den Verein“
Neben erfahrenen KlettertrainerInnen sind auch immer sogenannte Scouts dabei, die in die Rolle von Co-TrainerInnen schlüpfen. „Wir haben einige ehemalige Patienten, die als Scout im Projekt mitarbeiten. Das ist wirklich sehr schön und bildet eine gute Brücke in den Verein“, betont Ulli Dietrich. Die Scouts unterstützen die TrainerInnen und helfen etwa in den Klettergruppen beim Einbinden in das Seil mit dem Kletterknoten, klettern parallel neben den Teilnehmern an der Wand, wenn jemand nicht alleine hoch möchte. „Sie unterstützen die richtigen Griffe zu finden beziehungsweise motivieren von dort aus, weiter voranzuklettern“, so die Sozial- und Erlebnispädagogin weiter. „Dazu kommt, dass sie auch als Vorbild dienen, denn sie ermutigen die Teilnehmer*innen, positive und selbststärkende Erfahrungen zu machen und langfristig mehr Selbstvertrauen zu gewinnen.“
Das erlebnispädagogische Klettern wird aus Spendengeldern der Initiative krebskranke Kinder München e.V. finanziert. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.krebs-bei-kindern.de oder unter Tel. (089) 9545 92480.
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