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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Gemeinsam nach Lösungen und neuen Wegen suchen“
Für Jugendliche sind die Belastungen und Einschränkungen aufgrund von Corona besonders schwer
Gefühlt hat sich die Welt im vergangenen Jahr verändert, denn die Corona-Pandemie hat das Leben aller Menschen auf den Kopf gestellt. Besonders hart betroffen sind Jugendliche sowie generell Familien. Doch wie geht es den jungen Menschen wirklich? Eine, die sich ein ungefähres Bild von der Situation machen kann, ist Charide von der Ahe. Sie ist in der Gemeinde Karlsfeld als aufsuchende Jugendarbeiterin angestellt, ist sehr viel draußen unterwegs und fungiert als Ansprechpartnerin für die Jugendlichen. „Sie können mich direkt auf der Straße ansprechen, aber auch per Telefon oder online kontaktieren und das Gespräch im geschützten Raum suchen“, erzählt die Sozialpädagogin. „Die Jugendlichen können mit allen ihren Problemen zu mir kommen – vom Liebeskummer, über Langeweile, bis hin zu den Themen Straftaten und Umgang mit Behörden. Es gibt keine unsinnigen Fragen oder Anliegen. Gemeinsam suchen wir nach Lösungsansätzen und neuen Wegen, immer von mir begleitet, wenn der oder die Jugendliche es zulässt.“
„Jugendliche stehen vor ganz neuen Hürden“
Corona sei für alle Beteiligten eine extreme Herausforderung. Jugendlich stelle das nochmal vor ganz neue Hürden. „In der Jugend will (muss) man sich abnabeln von den Eltern, dass gehört zu den elementaren Entwicklungsaufgaben der Pubertät. Die Freunde sehen, zu einer Gruppe/Gemeinschaft gehören, selbständig werden, steht an erster Stelle.“ Die jungen Menschen wollen sich treffen, Partys feiern und gemeinsam Sport machen. „All das, was eigentlich das Normalste der Welt ist, ist auf einmal verboten oder nur extrem eingeschränkt möglich. Wer sich streng an die neuen Regeln und Gesetze hält, fühlt sich oftmals einsam. Den Jugendlichen fehlen adäquate Ideen, um ihre Freizeit „sinnvoll“ zu gestalten.“ Nach Ansicht der Jugendarbeiterin sei die digitale Welt zum „neuen Freund“ geworden.
„Großer Drang nach Freunden und Normalität“
Für die Jugendlichen sei der Drang nach Freunden und der Normalität groß. Deshalb komme es natürlich immer wieder zu treffen im Freien – auch wenn das verboten sei. „Dafür nimmt der ein oder andre auch die Konsequenz von Bußgeldern im Kauf“, meint die Streetworkerin. Die sichere Erkenntnis, dass das Coronavirus gefährlich sein könne und gesundheitliche Folgen mit sich bringe, sei für viele Jugendliche nicht ersichtlich oder einfach zu weit weg. „Viele der Jugendlichen, die sich draußen aufhalten, brauchen auch den Abstand zu den Familienmitgliedern. Sie wollen sich mit Gleichaltrigen austauschen und chillen. Da Treffen im Verborgenen stattfinden müssen, organisieren sich die Jugendlichen gut und verschwinden aus der Öffentlichkeit.“
Kommunikation ist eingeschränkt
Dadurch entstünden deutlich abgegrenzte Subkulturen, „die für uns als Jugendarbeit leider nur schwer erreichbar. Zurzeit können wir den Jugendlichen nur digital über soziale Medien begegnen, dass schränkt die Kommunikation sehr ein. Wir haben ein Beratungstelefon und einen anonymen Chat eingerichtet. Online machen wir aktiv Aktionen und Challenges.“ Man müsse sich immer neue, innovative Ideen ausdenken, um mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben, sie aktiv aktivieren und motivieren. Begegnen können wir ihnen in ihrem Raum, wie beispielsweise auf TikTok oder Instagram“, sagt Charide von der Ahe. Trotzdem: viele würden sich wieder Normalität wünschen, raus aus den vier Wänden, sich im öffentlichen Raum oder im Jugendhaus mit Freunden treffen und gemeinsam Erlebnisse haben, quatschen und einfach nur abhängen. Der Wunsch nach Aktivitäten sei groß – und das auf beiden Seiten. „Denn Jugendarbeit lebt vom miteinander, vom Austausch und für die Jugendlichen persönlich dazu sein."
Einsamkeit, Unsicherheit, Langeweile
Die Probleme, mit denen Jugendlichen aktuell zu kämpfen haben sind vielfältig: Einsamkeit, Unsicherheit, Langeweile. „Bei den Jugendlichen, die kurz vorm Abschluss stehen, kommt natürlich noch die Angst dazu, die Prüfungen nicht zu bestehen und keinen Ausbildungsplatz zu finden. Zudem habe ich in Gesprächen mit Jugendlichen schon raushören können, dass sie sich mit dem Thema Impfen auseinandersetzten“, betont die Sozialpädagogin. Ihrer Ansicht nach fehle aber die nötige Aufklärung. „Bei den Jugendlichen verbreiten sich Videos mit Fake-News zum Thema Impfungen. Hier müssen wir als Gemeindliche Jugendarbeit nochmal genau hinschauen und noch gezielter aufklären.“
„Die Jugendlichen sind nicht alleine“
Nicht nur deshalb ist sie auch weiterhin für die jungen Menschen ansprechbar. „Sie können mich weiterhin über das Handy erreichen und auch Einzelberatungen sind möglich“, erklärt die 38-Jährige. Im Moment laufe vieles übers Handy oder die unterschiedlichen Social Media-Kanäle. „Zudem versuche ich gemeinsam mit dem Team der gemeindlichen Jugendarbeit Karlsfeld immer wieder neue Online-Angebote für die Jugendlichen zu entwickeln, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Wir sind gemeinsam einsam. Die Jugendlichen können sich weiterhin mit jedem Anliegen an mich wenden, auch wenn ihnen ‚nur‘ die Decke auf den Kopf fällt und sie nur jemanden zum Reden brauchen. Zudem haben wir haben auch ein Beratungstelefon und anonymen Chat eingerichtet, der für alle zugänglich ist.“
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