Wie die Brennnessel ins Hochbeet kam
Schüler des Thomas-Mann-Gymnasiums setzen sich für Artenvielfalt ein

Florian Kretzler und Solveig Tietz sind sich einig: "wir wollen wieder Weißdorn und Brennnessel zurück." Dafür steht "www wub". (Foto: tab)
Insekten- und Pflanzensterben – Dr. Solveig Tietz, Florian Kretzler und ihre Schüler am Thomas-Mann-Gymnasium beschäftigt das sehr. Mit dem Projekt "www.wub" wollen sie darauf aufmerksam machen.
Mehr als nur "Unkraut"
"www wub": diese Abkürzung steht für "Wir wollen wieder Weißdorn und Brennnessel zurück". Solveig Tietz ist Biologie- und Chemielehrerin sowie Umweltbeauftragte an der Schule. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Florian Kretzler (Biologie und Chemie) steht sie an diesem Vormittag in der Aula und versammelt einige Fünftklässler um sich. Sie sind ausgestattet mit Schaufel und einer Gießkanne und bereit für das große Pflanzen.
"Brennnesseln sind eine Nahrungsquelle für mindestens 70 Insektenarten", erklärt Solveig Tietz. "Für über 100 sind sie ein wichtiger Lebensraum." Deshalb sei die Pflanze sehr wichtig für das Überleben der Insekten. Doch Brennnesseln dienen nicht nur den Insekten als Nahrung, auch die Menschen würden stark von dieser Pflanze profitieren. Oft werde sie als "Unkraut" bezeichnet und deshalb aus dem Garten entfernt, eigentlich sei die Brennnessel aber eine großartige Heilpflanze. "Man kennt sie z.B. in Form von Brennnesseltee", so Tietz.
Unweit der Lehrerparkplätze wird die kleine Umweltgruppe fündig. Die Schüler machen sich mit ihren Schaufeln an die Brennnessel, während Lehrerin Tietz sie noch daran erinnert, wie man die Pflanzen richtig anfasst, ohne sich zu brennen. Was sich nun vollzieht, ist ein Aufstieg der zu unrecht stiefmütterlich behandelten Pflanze. Die Mädchen und Buben tragen die Brennnesseln durch die Aula in einen Innenhof direkt zum Hochbeet. Hier wird wieder geschaufelt, gepflanzt und diesmal auch gegossen. Solveig Tietz ist zufrieden, die Schüler auch.
Wichtiger Lebensraum
Doch nicht nur mit der Brennnessel haben es die Schüler an diesem Tag zu tun. Auch auf die Weide haben sie es abgesehen. "Wir teilen die Weide in Stecklinge auf und geben sie den Schülern, die es möchten, mit nachhause zum Pflanzen", erklärt Florian Kretzler. Auf dem Platz vor der Schule ist ein verwilderter Grünstreifen. Hier wurde nach der Sanierung eines Nebengebäudes ein Kiesbeet angelegt, das wegen Mangel an Pflege nun aber verwildert ist. Zum Glück. Denn hier wachsen nun viele wilde Pflanzenarten, unter anderem auch eine Weide. Tietz schneidet ein paar Nebentriebe der noch kleinen Weide ab, damit die Schüler diese dann bei sich zuhause einpflanzen können. „Dafür muss man die Triebe erst in ein Wasserglas stellen und warten, bis sich neue Wurzeln bilden. Danach kann der Steckling eingepflanzt werden“, erklärt Solveig Tietz den Schülern. In den kommenden Wochen, ergänzt Florian Kretzler, solle dies auch mit Weißdorn und Schlehe gemacht werden. Die Hecken seien besonders für Vögel ein wichtiger Lebensraum.
"Hundert mal mehr als hier"
Den Schülern ist das Insektensterben schon aufgefallen. Einer der Schüler, Jonas, erzählt, dass er vor zwei Jahren auf die Suche nach Raupen gegangen ist und diese dann auf seinem Balkon auf einen Haufen von Gräsern und Brennnesseln gelegt habe. Es hätten sich Puppen an einem Stock an der Wand gebildet, die dann auch geschlüpft seien. Dieses Jahr habe er wieder Raupen sammeln wollen, jedoch habe er kaum welche gefunden. "Früher hat man alle paar Meter fünf Raupen gefunden, und jetzt fast keine mehr", fasst Jonas zusammen. Sein Mitschüler Jeremias hat ebenfalls eine Beobachtung gemacht: „Wir waren im Urlaub in Schweden und sind in einen Wald wandern gegangen. Da haben wir ganz viele Schmetterlinge gesehen, hundert mal mehr als hier“, erzählt er.
Solveig Tietz und ihre Schüler planen als nächsten Schritt, Patenschaften für verschiedene Pflanzen an der Schule zu entwickeln. "Außerdem ist ein Elternportal in Planung, auf dem wir regelmäßig über unsere Aktionen berichten", so die Umweltbeauftragte.
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