„Mit dem Thema auseinandersetzen“
Bei Demenz ändert sich nicht nur das Leben des Betroffenen
„Demenz betrifft alle Generationen“, sagt Annette Arand. Die Diplom-Sozialpädagogin und staatlich anerkannte Altenpflegerin ist Vorstandsmitglied im Verein „wohlBEDACHT“, der sich um Demenzerkrankte kümmert. „Eine Demenz ändert nicht nur das Leben für die Betroffenen, sondern eben auch für die Angehörigen – angefangen vom Ehepartner über die Kinder bis hin zu den Enkelkindern.“ Tritt ein Demenzfall in einer Familie auf, sollten sich möglichst alle Generationen mit dem Thema auseinandersetzen. „In unsere Beratungen kommen oft ganze Familien.“
Auch an den Demenzhelferschulungen, die der Verein regelmäßig durchführt, nehmen Menschen aller Altersstufen teil. „Die größte Gruppe unserer Helfer ist zwar im mittleren Alter zu finden. Wir haben aber auch Schüler und Studenten“, erklärt Annette Arand. Aktuell komme zum Beispiel einmal pro Woche eine 8. Klasse aus der benachbarten Mittelschule an der Franz-Nißl-Straße zu Besuch. „Die Schüler setzen sich mit dem Thema Demenz auseinander und helfen unter anderem auch bei der Betreuung unserer Gäste. Für viele ist es das erste Mal, dass sie überhaupt mit dem Thema in Berührung kommen“, betont Arand. „Das Ganze finde ich sehr wichtig.“ Für die Jugendlichen sei der Umgang mit den Gästen von „wohlBEDACHT“ durchaus fordernd. „Die Schüler entwickeln aber auch eine emotionale Zuneigung zu unseren Gästen. Sie gehen mit den Menschen sehr lieb und respektvoll um – und das, obwohl die Schüler mitten in der Pubertät stecken. Das ist spannend zu beobachten.“
Auch ihre elfjährige Tochter führt Annette Arand langsam an das Thema heran. „Ich möchte ihr so viel wie möglich zeigen. Sie soll frühzeitig Erfahrungen machen, denn ich finde diese Erlebnisse sehr wichtig“, erklärt die Vorstandsvorsitzende, „sie sind etwas besonderes – gerade auch für junge Menschen.“ Ihre Tochter bereite zudem gerade ein Referat zum Thema vor. „Sie kann ihre Erlebnisse, die sie hier mit unseren Gästen gemacht hat, wiedergeben und muss nicht nur theoretisch über Demenz berichten.“
Würde der Betroffenen im Mittelpunkt
Den Mittelschülern möchte Annette Arand aber auch zeigen, dass der Pflegeberuf interessant ist. „Wir arbeiten zum Beispiel nicht in festen Strukturen“, erklärt sie. „Seit 30 Jahren zeigen wir, dass Pflege auch anders möglich ist. Deshalb gehen wir immer von unserem gesunden Menschenverstand aus und nicht davon, was in irgendeinem Fachbuch steht.“ Es gehe immer auch um die Würde der Betroffenen. Dahinter steckt sehr viel Engagement. „Wir haben unsere Arbeit noch nie als Last empfunden. Sie gibt uns immer auch Kraft und Glück“, betont die Diplom-Sozialpädagogin. „Unsere Gäste sollen so leben können, dass es ihnen dabei gut geht.“
„wohlBEDACHT e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in der Höcherstraße 7. Er bietet einen Demenz-Krisendienst, eine Nachtbetreuung und Demenz-WGs an. „wohlBEDACHT“ nimmt demenzerkrante Menschen auf, auch wenn sie jung, verhaltensauffällig oder sonst irgendwie „anders“ sind. Viele dieser Menschen haben eine seltene Demenzerkrankung. So ist auch die Beratungsstelle für seltene Demenzerkrankungen entstanden, die es seit diesem Jahr bei „wohlBEDACHT“ gibt. „Damit richten wir uns nicht nur an Angehörige sondern auch an Fachleute und Institutionen“, sagt Annette Arand. „Ziel ist, Menschen, die an einer seltenen Form der Demenz leiden, besser zu versorgen. Wir wollen aufklären, damit auch die Angehörigen wissen, was los ist, wenn sich ein Mensch verändert und zum Beispiel verhaltensauffällig wird.“ Denn häufig hätten die Betroffenen einen langen Leidensweg hinter sich, bis jemand fragt, ob hinter ihrem Problem eine Demenz stecken könnte. Gerade deshalb, weil sich Demenz nicht nur in Gedächtnisproblemen äußere und nicht nur bei Menschen im hohen Alter auftrete.
Weitere Informationen können im Internet unter www.wohlbedacht.de abgerufen werden.
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