In schwieriger Lage nicht aufgegeben
Air Liquide-Aus: Beeindruckende Arbeit der Bürgerinitiative „Gegen Giftgas im Münchner Westen“ /Unterstützung aus Politik und der Allach Geschäftswelt
Sie haben knapp 8000 Unterschriften gesammelt, sich in die unterschiedlichsten Fachgebiete eingearbeitet und mit sehr viel Einsatz und viel bürgerschaftlichem Engagement das geschafft, was viele vielleicht in der Kürze der Zeit nicht für möglich gehalten hätten: Die Bürgerinitiative „Gegen Giftgas im Münchner Westen“ hat großen Anteil daran, dass Air Liquide die geplante Gasabfüllanlage in der Ludwigsfelder Straße 168 nicht errichten wird. „Dass wir das geschafft haben, war für uns alle ein großes Erfolgserlebnis“, sagt Pascal Fuckerieder von der BI. Und Astrid Reschberger, ebenfalls BI-Mitglied, betont: „Auch dass wir so viel Unterstützung aus der Allacher Geschäftswelt bekommen haben, war toll.“ So habe man die Unterschriftenlisten vielen Menschen zugänglich machen können. „Und nicht zu vergessen, die Unterstützung der Presse, die auch ihren Teil zum Erfolg beigetragen hat.“
BA-Mitglied Falk Lamkewitz (Grüne) war es, der in den Sitzungen des Bezirksausschusses Allach-Untermenzing (BA 23) immer wieder darauf aufmerksam machte, wie gefährlich die geplante Störfallanlage der Firma Air Liquide sein würde. Zuerst einmal waren es allerdings CSU und FDP, die im BA 23 der geplanten Störfallanlage zustimmten. Heike Kainz, die Vorsitzende des BA, stellt hierzu klar, „dass wir wegen des fehlenden Bebauungsplanes und der schlechten Straßenqualität das Projekt insgesamt abgelehnt haben, und im Übrigen nur unter dem Vorbehalt zugestimmt haben, dass die genannten Voraussetzungen eingehalten werden.“ Es sei ihr damals im Oktober vergangenen Jahres nicht gelungen, diesen Zusammenhang ausreichend dazulegen, „so dass der Eindruck entstanden ist, wir würden das Vorhaben ausdrücklich befürworten.“
Dank der Öffentlichkeit und dem Druck der Bürger dauerte es nicht lange, bis sich der gesamte BA 23 gegen die Anlage aussprach und die zustimmende Stellungnahme zurückgenommen wurde. Hinzu kamen noch diverse Anträge, Anfragen und Initiativen aus den Fraktionen: von Josef Schmid und Mechthilde Wittmann (CSU), von Christian Müller (SPD) und Florian Vogel (Grüne).
Kampf schien zunächst aussichtslos
Der Kampf schien zunächst recht aussichtslos zu sein, weil das Referat für Umwelt und Gesundheit (RGU) betonte, dass die Störfallanlage nach Stand der Dinge die gesetzlichen Anforderungen erfülle und deshalb zu genehmigen sei. Trotzdem waren zur Gründungsversammlung der BI rund 50 Leute gekommen. „Alles hat dann sehr schnell geordnete Bahnen angenommen“, betont Pascal Fuckerieder. Zusammen haben vor allem Heike Rudolph, Lars und Verena Hülsmann die Gründung und die Arbeit der Bürgerinitiative vorangetrieben. „Wichtig war, dass die Arbeit auf vielen Schultern verteilt wurde, damit man bei den Behörden nicht als ein wilder Haufen von Wutbürgern wahrgenommen wird. Ich denke, das war das Erfolgsrezept“, betont Lamkewitz.
Auf Augenhöhe
Zudem sei es wichtig gewesen, nicht gegen die Verwaltung zu arbeiten. „Ich hatte von Anfang an immer betont, die Behörden nicht als Feindbild zu sehen, sondern mit ihnen zu kooperieren“, sagt der Grünen-Politiker. Dass man so schnell organisiert gewesen sei, sei ein Schlüssel des Erfolgs, meint BI-Mitglied Rüdiger Tresselt. „So konnten wir sowohl Air Liquide als auch der Stadt auf Augenhöhe begegnen. Das ist doch ein gutes Zeichen für eine funktionierende Zivilgesellschaft.“
Die Verwaltung sei sehr zuvorkommend gewesen, bestätigt ein BI-Mitglied. „Sie hätten nicht mit uns sprechen müssen, haben es aber trotzdem gemacht“, erklärt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Toll war auch, dass sich der BA noch umentschieden und nicht auf seiner Meinung beharrt hat.“ Dagegen sei die Zusammenarbeit mit Air Liquide „eigentlich gar nicht vorhanden gewesen“, wie BI-Mitglied Susanne Veit betont.
Hervorragendes Engagement bewiesen
Lamkewitz brachte zwei Anträge in den BA ein, die auch schnell angenommen wurden: zum einen die Umwandlung der Industriefläche in eine Gewerbegebiet mit emissionsschutzrechtlichen Auflagen und der Eil-Antrag auf Aufstellungsbeschluss mit Veränderungssperre. „Dies zeigt, dass Politik dann im Sinne der Bürger ist, wenn sich diese dafür interessieren und engagieren“, betont Lamkewitz. „Ohne die Bürgerinitiative wäre dies politisch gescheitert.“
Nach Ansicht seiner Vorsitzenden habe auch der BA seine Aufgabe insgesamt gut erfüllt. „Ganz besonders zu loben ist allerdings die Bürgerinitiative, die mit großem Engagement und tatkräftigem Einsatz einen ganz wesentlichen Anteil daran hat, dass es so gekommen ist, wie es jetzt ist“, so Kainz. „Dies begann mit der Verteilaktion vor der Infoveranstaltung, geht weiter über die Unterschriftensammelaktionen und endet bei zahlreichen Gesprächen und Briefen an jeden, der auch nur im Ansatz helfen könnte.“ Die Bürgerinitiative habe ein hervorragendes Engagement bewiesen, und „dies verdient ausdrückliche Anerkennung und Auszeichnung“ betont Kainz. „Was mich besonders angesprochen hat, war die intensive sachliche und auch sachlich qualifizierte Befassung mit dem Thema, und die gleichbleibend intensiven Aktivitäten über einen längeren Zeitraum. Ebenso beindruckt hat mich die unbedingte Bereitschaft, im gegebenen Fall den Gerichtsweg zu beschreiten, was wahrscheinlich auch ein Grund von mehreren für die Antragsrücknahme war.“
Alle Möglichkeiten ergriffen
Zuerst schien es noch so, dass ein Erfolg noch lange auf sich warten lassen würde. Doch nachdem Air Liquide dem RGU angekündigt hatte, die Gassorten und -mengen zu reduzieren, was nach Ansicht von Lamkewitz das Zögern bei der Beauftragung des nötigen zweiten TÜV-Gutachtens erkläre, sei aufgefallen, dass nur zwei Tage vor Fristablauf plötzlich der Genehmigungsantrag zurückgezogen worden sei. „Wie wir wissen, hat das Planungsreferat gerade die von uns beantragte Umwandlung des Industriegebietes in ein Gewerbegebiet vorgenommen und bereitet den Aufstellungsbeschluss mit Veränderungssperre vor“, erläutert Lamkewitz. Die entsprechende Sitzungsvorlage für den Stadtrat befinde sich im Umlauf der Referate.
Auch Heike Kainz hebt hervor, dass der BA 23 in den vergangenen Monaten alle Möglichkeiten ergriffen habe, die ihm möglich waren. „Ausführliche Stellungnahmen, wiederholte Befassung in den Sitzungen und Informationsveranstaltung, Anträge usw.".
Dies dürften die Gründe dafür gewesen sein, dass Air Liquide informell klar wurde, dass der Genehmigungsantrag keine Chancen mehr hat, ein reiner Abfüllbetrieb, der nicht der Störfallverordnung unterliegt, nicht zum Unternehmensziel passt und eine zukünftige Expansion zum Auslieferungslager Süd damit am geplanten Standort in der Ludwigsfelder Straße nicht mehr möglich wird. Was das Unternehmen nun genau plant, ob es also weiter nach einem Standort in der Landeshauptstadt sucht, ist unklar. Dies werde gerade intern diskutiert, erklärt eine Sprecherin von Air Liquide.
Stadtteilübergreifende Arbeit
„Entscheidend war sicherlich auch die geballten Fachkenntnisse, die wir uns als der Bürgerinitiative angeeignet haben“, so Susanne Veit. Und Dr. Karl Ibinger von der Interessengemeinschaft Fasanerie Aktiv, die die BI unterstützt hat, ergänzt: „Das TÜV-Gutachten war schwach. Dass das von uns in Frage gestellt wird, damit hatte Air Liquide ganz bestimmt nicht gerechnet.“ Deshalb sei es ganz sicher, dass die fachlichen Kenntnisse der BI entscheidend gewesen sind. „Wichtig war aber auch die stadtteilübergreifende Arbeit“, so Ibinger weiter.
Beim Thema Air Liquide sei es, wie auch in anderen Fällen so, dass insgesamt „nicht eine einzelne Maßnahme zum Erfolg geführt hat, sondern die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit als solche“, sagt Kainz. Ihr als Vorsitzender des BA 23 sei „ein großer Stein vom Herzen gefallen, als ich am Abend des 26. April die Nachricht über die Antragsrücknahme erfahren habe“. Man sehe daran auch, dass man in einer schwierigen Lage keinesfalls aufgeben darf, sondern solange um das richtige Ergebnis ringen muss, wie es eben nötig sei.
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