„Erfahrungen sammeln“
Kinder haben das Stadtviertel auf seine Barrierefreiheit getestet
Drittklässler aus der Grundschule an der Eversbuschstraße waren zusammen mit Schulsozialarbeiterin Maria Jagusch (l.), KJR-Mitarbeiterin Melanie Schossmeier (5.v.l..) sowie den beiden "Expertinnen in eigener Sache" Teena Roßmaier (r.), Alex Bauer (2.v.r.) und ihrer Assistentin Anna Ebel (3.v.r.) im Stadtviertel unterwegs. (Foto: sb)
23 Kinder aus der Grundschule an der Eversbuschstraße haben das Stadtviertel mit Rollstühlen, Augenbinden und Blindenlangstöcken auf seine Barrierefreiheit getestet. „Auf Herz und Rampen prüfen“ lautet das Projekt, das der Kreisjugendring München-Stadt (KJR) jährlich in mehreren Stadtteilen der Landeshauptstadt durchführt. Angeleitet wurden die Drittklässler dabei von „Experten in eigener Sache“, wie Projektleiterin Lena Schreiber erklärt, „nämlich von blinden oder sehbehinderten Menschen sowie Menschen im Rollstuhl“.
Der KJR bietet seit 2009 die Stadtteilchecks für Schulklassen und Jugendgruppen an. „Wir möchten damit für die Kinder eine Berührungsfläche schaffen, indem sie Menschen mit Behinderung kennenlernen“, betont die KJR-Mitarbeiterin. „Die Stadtteilchecks bieten Raum für Offenheit. Es geht dabei um die Frage, wie barrierefrei ist unser Stadtteil, wo lauern unüberwindbare Hürden für Menschen mit Behinderung und wie ist es, im Rollstuhl oder mit dem Blindenlangstock unterwegs zu sein.“
Begonnen hatte der Tag für die Grundschüler mit einer Einstiegsrunde, „in der die Experten aus ihrem Alltag erzählen und die Kinder alle Fragen rund um den Alltag mit einer Einschränkung stellen konnten“, erzählt Lena Schreiber. „Anschließend sind dann die Hilfsmittel Blindenlangstock und Rollstuhl vorgestellt worden, die die Kinder später dann im Rahmen des Stadtviertelchecks auch ausprobiert haben.“ Unterwegs waren die Schüler in insgesamt drei Gruppen, denen jeweils ein inklusives Team mit Rat und Tat beiseite stand. Die Kinder durften selbst im Rollstuhl sitzen sowie mit verdeckten Augen eine Strecke ablaufen. „Wir haben Ampeln an Straßenkreuzungen, Supermärkte, andere Geschäfte, öffentliche Verkehrsmittel und vieles mehr wie zum Beispiel nicht abgesenkte Bordsteine getestet“, erzählt ein Drittklässler.
"Wie alle anderen Menschen auch"
„Für die Kinder ist es wichtig, dass sie möglichst selbstverständlich mit Menschen mit Behinderung umgehen“, betont auch Marion Stangl, die seit vielen Jahren als „Expertin in eigener Sache“ an den Stadtteilchecks teilnimmt und im Rollstuhl sitzt. „Wichtig ist, dass die Schüler erkennen, dass wir genauso sind wie alle anderen Menschen auch. Durch das Ausprobieren und das Feststellen von Barrieren bekommen die Kinder einen ganz anderen Blick auf die Thematik. Sie können sich so viel besser vorstellen, wie es ist, wenn man beispielsweise vor einem Bürgersteig steht, der für Rollstuhlfahrer zu hoch ist. Es ist gut, gerade Kinder dahingehend zu sensibilisieren – vielleicht helfen sie dann auch. Sie sollen ein Gespür bekommen und die Angst verlieren.“
"Toleranten Umgang lernen"
Auch für Maria Jagusch ist das Projekt „Auf Herz und Rampen prüfen“ eine gute Sache. „Die Kinder sind die Generation der Zukunft und sollen einen toleranten Umgang lernen“, sagt die Schulsozialarbeiterin der Grundschule an der Eversbuschstraße. „Sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen ist wichtig. Und den Kindern hat das Projekt richtig Spaß gemacht. Sie waren stolz, wenn sie auf einander aufgepasst und sich geholfen haben. Ich denke, sie konnten ihre Scheu gegenüber Menschen mit Behinderung ablegen und haben sehr viel Erfahrung gesammelt.“ Die von den Kindern festgestellten Barrieren werden dokumentiert und später an einem separaten Termin an den Bezirksausschuss Allach-Untermenzing (BA 23) weitergegeben.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH