"Man braucht ein bisschen mehr Zeit"
Jugendliche prüfen Neuhausen "auf Herz und Rampen"
Den eigenen Stadtteil auf „Herz und Rampen prüfen“ - das haben sich die Kinder vom Jugendtreff Neuhausen Ende Mai vorgenommen. Und so kamen sie zusammen und trafen sich vor dem Jugendtreff mit der Projektleiterin Veronika Manetstätter und fünf ehrenamtlichen Mitarbeitern. Das Ziel des Projektes, das unter der Fachstelle ebs (erleben-begegnen-sensibilisieren) steht, ist es, Kinder mithilfe von Blindenlangstöcken sowie Rollstühlen den eigenen Stadtteil auf verbesserungswürdige Begebenheiten prüfen zu lassen. 16 Kinder von 6 bis 11 Jahren nahmen an dem Projekt teil und untersuchten Neuhausen auf menschliche und bauliche Barrieren.
"In ein Flugzeug einsteigen?"
Bevor es nun für die Neuhausener losging, durften die Kinder ihre Fragen an die Behinderten loswerden. Und da kam so einiges zusammen: Kann man blind mit der U-Bahn fahren? Kann man mit dem Rollstuhl in ein Flugzeug einsteigen? Wie orientiert man sich als Blinder? Welche Sportarten kann man blind oder im Rollstuhl machen? Geduldig beantworteten die Ehrenamtlichen alle Fragen der Kinder, die überrascht waren, wie viele Dinge trotz Behinderung noch machbar sind. „Man braucht ein bisschen mehr Zeit und muss besser organisiert sein“, fasst die Blinde Teena zusammen.
Im nächsten Schritt testeten die Kinder interaktiv Rollstühle und Blindenlangstöcke. Gut vorbereitet konnten sie nun in die Rolle eines Menschen mit Behinderung schlüpfen und die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, kennenlernen.
Schwerer als gedacht
In zwei Gruppen aufgeteilt ging es vom Jugendtreff Neuhausen auf zwei verschiedenen Routen durch den Stadtteil. Schon zu Anfang wurde den Kindern bewusst, dass beispielsweise Rollstuhlfahren doch mehr Kraft benötigt als gedacht: Die kleine Steigung beim Jugendtreff konnte von den „Rollyfahrern“ nur mit genügend Kraft überwunden werden. Auch über Bordsteinkanten zu fahren muss gelernt sein, denn selbst wenn diese abgesenkt sind, ist es oft nicht möglich ohne Weiteres über diese zu rollen. Aber auch die „Blinden“ hatten Probleme bei der Bewältigung der Route: Ein Auto, dass auf dem Gehweg steht, Pfosten, an denen man mit dem Langstock hängen bleibt oder Einkaufen ist ohne Sehkraft ein schwieriger Prozess.
Neben diesen Problemen sahen die Kinder aber auch, dass die Behinderten dennoch gut zurechtkommen. „Grundsätzlich möchte ich, dass vor allem Kinder über behinderungsbedingte Einschränkungen und auch Verhaltensweisen informiert sind und kein Rätselraten aufkommt. Dazu kann ich mich unglaublich darüber freuen, wenn unsere Teilnehmer Zufriedenheit und Freude zeigen, wenn sie feststellen, dass doch mehr geht, als das, was sie uns zugetraut haben. Dazu kommt, dass manche Teilnehmer direkt bei der Veranstaltung feststellen, dass wir gar nicht so exotisch sind, wie sie dachten”, erklärt die Blinde Teena auf dem Blog von „Auf Herz und Rampen prüfen“, zu erreichen unter www.herzundrampen.de.
Hoffnung auf Veränderung
Anfang Juni wurde der Stadtteilcheck bei einem Frühstück nachbesprochen und ein Brief an den Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg formuliert. Die Missstände wurden notiert und zusammengefasst. Besonders drei Punkte kristallisierten sich heraus: Ein Briefkasten, der für Rollstuhlfahrer nur schwer zu erreichen ist, Autos, die rücksichtslos auf dem Gehweg parkten, und eine ungesicherte Baustelle. So wurde der Brief mit Hoffnung auf Verbesserung der aktuellen Missstände an den BA gesendet. Nun warten die Kinder ab, was sich in nächster Zeit ändern wird. Neben diesem Hilfsgedanken haben sie aber auch eine wertvolle Erfahrung gesammelt, so sicherlich Berührungsängste abbgebaut und einiges gelernt.
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