Die Verlockung am Gehsteig
Warum die Händler des Bauernmarkts ihren Standort behalten wollen
Warum wollen die Händler keine Verlegung des Bauernmarkts nach hinten auf die befestigte Fläche des Georg-Freundorfer-Platzes, dort wo früher geskatet werden durfte? Den Mitgliedern des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe (BA 8) war es in ihrer jüngsten Sitzung "rätselhaft", warum dieser Vorschlag vom Bauernmarktverein und den städtischen Markthallen München abgelehnt wurde. "Auf dem Platz wäre doch viel mehr eine Marktsituation gegeben als vorn am Gehsteig", meinte Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne). "Der Markt wäre ja nicht weg, er würde praktisch nur um 90 Grad gedreht", erklärte Holger Henkel (SPD). "Die Kunden würden dann nicht durchhetzen, sondern hätten die Möglichkeit zum Verweilen." Ulrike Boesser (SPD) schlug vor, nochmal das persönliche Gespräch mit dem Bauernmarkt-Veranstalter zu suchen. Vielleicht liege ja ein Missverständnis vor.
Die Markthallen München hatten sich im Frühjahr an den Bezirksausschuss mit der Bitte gewandt, die Fahrradständer am Gehsteig an der Ganghoferstraße zu versetzen. Durch gesetzliche Vorgaben hätten sich die Verkaufsstände und -fahrzeuge immer wieder vergrößert und nun seien die Verhältnisse sehr beengt. Bei einem Ortstermin mit den Markthallen München und dem Bezirksausschuss war dann die Idee entstanden, den ganzen Markt nach hinten zu verlegen (der Westend-Anzeiger berichtete).
In einem neuerlichen Schreiben, das der BA nun "verwundert" zur Kenntnis nahm, sprachen sich die Markthallen München aber dagegen aus. Zum einen, argumentierte der Veranstalter, müssten dann zwei Unterflurverteiler für die Stromversorgung verlegt werden, was rund 15.000 Euro kosten würde. Zum anderen hätten sich die Händler dagegen ausgesprochen, weil sie befürchteten, dass dann die Kundschaft ausbleiben würde. Dieses Argument konnten die BA-Mitglieder nicht nachvollziehen. Der Westend-Anzeiger hörte sich vorigen Donnerstag auf dem Bauernmarkt bei einigen Stand-Leuten um und ließ sich die Befürchtung erläutern.
1. Die Laufkundschaft
"Tatsächlich kaufen oft Leute spontan etwas ein, die hier auf den Bus warten. Sie sehen, der Bus kommt in fünf Minuten, sie sehen das Angebot nur ein paar Schritte entfernt. Wäre der Markt da hinten, würden diese Leute nicht kommen", erklärt Josef Scherer, der Allgäuer Käsespezialitäten anbietet. Die Erfahrung mit der Laufkundschaft, die buchstäblich im Vorbeigehen etwas einkauft, haben auch viele seiner Kollegen gemacht. Auf diesen Anteil ihrer Kunden wollen die Händler nicht verzichten.
2. Der Schatten
Scherer hält den Standort vorn am Gehsteig auch speziell an heißen Sommertagen für geeigneter. "Hier findet man unter dem Vordach des Wagens Schatten. Hinten auf dem Platz würde es heißer werden", ist er überzeugt. Der Fahrradständer direkt neben seinem Verkaufswagen störe ihn übrigens kein bisschen: "Höchstens für die Leute, die hier ihr Fahrrad ein- und ausparken wollen, ist es vielleicht ein bisschen eng."
3. Die Gewohnheit
Der Fischhändler nebenan berichtet von seiner Erfahrung: Als ein anderer Markt um nur 150 Meter verlegt wurde, seien die Kunden ausgeblieben. "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier" – dieser Satz fällt an mehreren Ständen. "Wenn mein Stand nur ein paar Meter weiter stehen würde, würden ihn viele Kunden nicht mehr finden", sagt die Eierfrau, die sich bei vielen Gelegenheiten darüber wundert, mit welchen Scheuklappen viele Menschen durch die Welt zu gehen scheinen.
4. Der Stromanschluss
Wer dann die Verlegung des Stromanschlusses bezahlen soll, das würde die Marktleute auch interessieren. "Es wurde doch gerade alles eingerichtet für viel Geld."
5. Die Standsituation
Der Fischhändler befürchtet auch, dass die Verkaufsstände und -wagen auf dem länglichen Asphaltstück nur nebeneinander in einer Reihe angeordnet werden könnten. Er schätzt das Gegenüber der Stände, die kreisförmige Anordnung auf dem breiten Stück des Gehsteigs an der Ecke zur Sandtnerstraße, wo auch er seinen Platz hat. Die idyllische Marktsituation sieht er also am derzeitigen Standort eher gegeben als am vorgeschlagenen.
6. Die Zufahrt
"Wenn ich mit dem Wagen nach da hinten auf den Platz fahre, komme ich nicht mehr raus", befürchtet der Würstel-Brater, der seinen Imbiss direkt vorne an der Bushaltestelle anbietet. Dann reicht er eine Würstel-Semmel herunter zu seinem Kunden. Dieser geht die paar Schritte zum Georg-Freundorfer-Platz, setzt sich auf eine Parkbank und beißt hinein.
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