Wie geht intelligente Bürgerbeteiligung?
Neu gegründetes Forum Westend will Bürger- und Kulturprojekte begleiten
Die Geschichte des Lindengartens auf der Schwanthalerhöhe ist eine Erfolgsgeschichte der gelungenen Bürgerbeteiligung: Über sieben Jahre kämpften Bürger und Stadtteilpolitiker um den Erhalt der an der Kazmairstraße 23 bis 25 liegenden grünen Oase mit den alten Bäumen. Mehrfach plante die Stadtverwaltung in dieser Zeit die Bebauung des rund 1.000 Quadratmeter großen Grundstücks – die alten Bäume hätten dafür weichen müssen, das vom Bund Naturschutz als Biotop klassifizierte Ensemble wäre unwiederbringlich vernichtet worden. „Der Lindengarten in der Kazmairstraße ist keine Baulücke“, erklärt dazu Stephan Reichel, der 2006 die Bürgerinitiative Lindengarten ins Leben gerufen hat. Vielmehr war hier noch bis in die Anfangsjahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein ein Pferdemarkt ansässig. Die Wohnhäuser rund um den Lindengarten haben ihre Schauseite dem Grundstück zugewandt.
„Mit der Politik arbeiten“
„Wir haben mit der Politik gearbeitet und nicht gegen sie“, resümiert Stephan Reichel heute. So wurde eine kompromissfähige Lösung gefunden. Im März hat der Münchner Stadtrat beschlossen, auf dem Grundstück an der Kazmairstraße eine dreigruppige Kinderkrippe zu errichten. „Der nach Baumgutachten erhaltungsfähige Baumbestand des Grundstücks soll dabei möglichst geschont werden“, heißt es im Beschluss. Stephan Reichel zeigt sich zufrieden: „Wenn man eine Bürgerinitiative gründet, dann sollte man sich sehr genau überlegen, was man eigentlich will und nicht nur, was man nicht will. Es reicht nicht Parolen auszugeben und zu fordern: Hände weg vom Lindengarten!“ Um seine Erfahrungen in Sachen Projektmanagement und Bürgerbeteiligung weiterzugeben, hat Stephan Reichel jetzt das so genannte Forum Westend ins Leben gerufen, das vielversprechende Bürger- und Kulturprojekte im Westend aufsetzen, begleiten und professionell beraten will. Im Rahmen des 12. Open Westend hat sich das Forum Westend erstmals in seinen neuen Räumen in der Ligsalzstraße 23 (Eingang Gollierstraße) einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.
„Wir wollen Menschen, die Bürger- und Stadtteilinitiativen gründen wollen, darin beraten, wie man am besten vorgeht und was man zu beachten hat“, erklärte Reichel, der dreißig Jahre als Projektmanager im internationalen Finanzgeschäft tätig war und für sein Bürgerengagement heute auch von den dort gemachten Erfahrungen profitiert. Dabei solle zuvorderst auch geklärt werden, inwiefern das Interesse der Bürger an einem bestimmten Sachverhalt überhaupt legitim sei, also nicht auf das altbekannte und vielkritisierte Sankt-Florians-Prinzip abhebe. Mit diesem werden Verhaltensweisen bezeichnet, die nicht zur Lösung von Problemen, sondern nur zu deren Verschiebung beitragen. Wichtig sei es auch, sich bewusst zu machen, dass Bürgerbeteiligungsprojekte nicht unendlich lange dauern dürfen: „Nach einer bestimmten Zeit sollte man zum Abschluss kommen“, so Reichel.
Mehr Milieuschutz im Viertel
Ein weiteres Projekt, das im Rahmen der Arbeit des Forum Westend angegangen werden soll, ist die Forderung nach einem Denkmal am Sinti-Roma-Platz, für das sich Stephan Reichel schon seit einiger Zeit einsetzt. „Zudem muss man sich auf der Schwanthalerhöhe Gedanken um den Milieuschutz machen“, so Reichel. Nach seinen Angaben wird derzeit gerade der vordere Teil der Schwanthalerhöhe bevorzugt von Investoren aufgekauft. „In der Gollierstraße ist inzwischen fast jedes Haus betroffen.“ Hier sei die Politik am Zug, Vorschläge zu machen, wie der Prozess aufgehalten werden könne. Große Hoffnungen für die Schwanthalerhöhe gebe es derzeit aber wohl nicht mehr. „Eine Idee wäre unter anderem, genossenschaftliches Wohnen wieder stärker zu fördern.“
Neben diesen Projekten will sich das Forum Westend auch dafür einsetzen, ein Stadtteilmuseum auf der Schwanthalerhöhe zu etablieren. „Die Räume hier in der Ligsalzstraße sollen zudem für Lesungen und Lesekreise zur Verfügung stehen“, erklärte Stephan Reichel. Als Ausstellungsräume hatten sie bereits im Rahmen des Open Westend gedient: Fotokünstlerin Andrea Beikler zeigte hier ihre beeindruckenden Arbeiten, in welchen man den achten Stadtbezirk aus ganz verschiedenen Perspektiven erleben konnte. Zudem bietet das Forum Westend in Kooperation mit dem DGB-Bildungswerk Stadtteilführungen und Literaturwanderungen in und um das Viertel und durchs Oberland an. Weitere Ideen und Anregungen für die Arbeit des Forums sind außerdem willkommen. Zusätzliche Informationen und Kontaktdaten auch unter www.forumwestend.de im Internet.
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