"Einfach da sein"
Pflege auf der Wachkomastation im Haus St. Josef
In zwei Säulen blubbert Wasser, das Licht ist gedimmt, ein Wasserbett lädt zum Verweilen ein, auch auf einer Liegefläche lässt es sich wunderbar entspannen – im Snoezelen-Raum des Münchenstifts Haus St. Josef. Mit dem imposanten Gebäue am Luise-Kiesselbach-Platz verbindet sich in erster Linie der Gedanke an ein Seniorenheim. In der Tat leben auch überwiegend ältere Menschen hier. Doch auf einer Station des Münchenstifts treffen unterschiedliche Altersgruppen aufeinander: auf der Pflegestation für Wachkomapatienten. Es sind Schicksale, die nicht zwischen den Generationen unterscheiden.
27 Patienten der so genannten Phase F befinden sich hier. Sie alle benötigen dauerhaft unterstützende und betreuende Behandlungsmaßnahmen. "Unsere Patienten sind zwischen 25 und 70 Jahre alt", sagt Petra Wiegner, Wohnbereichsleiterin der Station. "Die Phase F ist die letzte Rehaphase, die möglich ist. Unser Ziel ist es immer, dass sich der Zustand der Bewohner verbessert. Wir versuchen, wieder etwas zu aktivieren." Die Menschen, die hier gepflegt werden, haben Schlaganfälle hinter sich, Unfälle wie Beinahe-Ertrinken, Herzinfarkte, Schädel-Hirn-Traumata. "Viele unserer Patienten befinden sich in einem Zustand nach Reanimation", sagt Petra Wiegner.
Keine Kommunikation möglich
Doch was bedeutet Wachkoma eigentlich? Der Zustand definiert sich durch einen ganzheitlichen Verlust des Bewusstseins sowie die Fähigkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Die basalen Lebensfunktionen wie Kreislauf, Atmung und Verdauung funktionieren noch. "Wir haben keine beatmeten Patienten auf unserer Station. Aber 24 von ihnen werden künstlich ernährt", so Petra Wiegner. Für Außenstehende ergebe sich oft der Eindruck, die Patienten seien wach.
Die Betreuung von Wackomapatienten erfordert eine besondere Pflege. "Das Fachwissen ist sehr wichtig. Außerdem muss sich das Personal gut mit den technischen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Absaug- und Inhalationsgeräten auskennen", erklärt Petra Wiegner. "Wir haben eine Fachkräftequote von 75 Prozent." In der Altenpflege seien es 50 Prozent. Und Julia Scholz, stellvertretende Pflegedienstleiterin, ergänzt: "Auf der Wachkomastation kümmern sich 24 Pflegekräfte um die Patienten. Dazu zählen Altenpflegerinnen, Krankenschwestern, Pflegehelfer und eine Auszubildende. Unter den Mitarbeitern sind mehr Frauen, aber die Männer kommen ganz schön nach." Rund um die Uhr in drei Schichten werden die Bewohner betreut, werden richtig gelagert, gewaschen. Anika Hecht und Dalia Döring sind ausgebildete Altenpflegerinnen und haben sich für die Arbeit mit Wachkomapatienten entschieden. "Ich wollte fachlich gesehen etwas Neues", begründet Anika Hecht diesen Schritt. Man lerne die Patienten schnell kennen, entwickle ein Gespür für sie. "Die Vitalzeichen der Patienten sind sehr wichtig", ergänzt Petra Wiegner. "Wir merken, wenn die Patienten unruhig sind oder wenn sie auf Reize reagieren."
Sinne aktivieren
Zurück zum Snoezelen-Raum. Snoezelen ist eine Zusammensetzung aus den niederländischen Verben "snuffelen" (kuscheln, schnuffeln) und "doezelen" (dösen). Geräusche und Berührungen spielen für Wachkomapatienten eine entscheidende Rolle. "Unser Wasserbett kann so eingestellt werden, dass bei Musik die Bässe an den Körper übertragen werden. Wachkomapatienten haben oftmals kein Gefühl mehr dafür, wo ihr Körper beginnt und aufhört. Durch diese Stimulation mit der Musik können sie sich spüren", sagt Petra Wiegner. Die Therapie im Snoezelen-Raum kann auf die Patienten sowohl beruhigend als auch aktivierend wirken. Ärzte, Physiotherapeuten, Logopäden und ein Musiktherapeut – mit ihnen allen arbeiten die Pfleger auf der Station Hand in Hand. Immer das Ziel vor Augen: Der Zustand jedes einzelnen Patienten soll sich verbessern.
"Einzelne Fälle beschäftigen einen auch zuhause"
Es sind harte Schicksale, mit denen Anika Hecht und Dalia Döring täglich konfrontiert werden. Sie brauchen Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und natürlich die Liebe zum Menschen, um sich der Herausforderung dieser besonderen Pflege zu stellen. Da ist auch Abschalten wichtig. "Ich kann gut abschalten, ich habe das gelernt", sagt die 29-jährige Anika Hecht. Das gilt auch für Dalia Döring. "Ich habe zwei Kinder", sagt die 30-Jährige und lacht. "Die fordern mich." Man habe gelernt, sich ein dickes Fell anzulegen. "Aber einzelne Fälle beschäftigen einen schon auch zuhause noch", sagt sie und erinnert sich an eine 17-jährige ehemalige Patienten.
"Da merkt man Reaktionen"
Viel Wert legt man auf der Station auch auf die enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen. "Da unsere Patienten nicht nur ältere Menschen sind, haben wir es hier auch mit Eltern zu tun, die ihre Kinder besuchen", sagt Petra Wiegner. Sie würden oft Kleinigkeiten übernehmen wie Mund- oder Oberkörperpflege. "Oder sie gehen mit ihren Familienmitgliedern spazieren." Außerdem kommen wöchentlich Ehrenamtliche auf die Station, etwa zur Vorlesestunde. "Da merkt man Reaktionen von den Patienten", so Wiegner. Vier ehrenamtliche Helfer gebe es derzeit. "Aber wir würden uns über mehr Unterstützung freuen. Der Bedarf ist da." Anika Hecht und Dalia Döring nicken zustimmend. Handmassagen, vorlesen, spazieren gehen – Möglichkeiten gebe es genug. Besondere Vorkenntnisse brauche es nicht. "Es reicht, wenn man einfach da ist und die Hand hält", sagt Anika Hecht.
Wer sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit auf der Wachkomastation im Haus St. Josef interessiert, kann sich mit Ehrenamtskoordinatorin Margit Lämmermann unter Tel. (089) 74147-129 in Verbidung setzen.
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