Die Seele zum Schwingen bringen
Wie Musik im Haus St. Josef Türen öffnet und glücklich macht
Im Haus St. Josef beginnt am 25. November der Adventsmarkt für die Bewohner. In einer der Holzbuden wird Beate Walter-Miller (Zweite von links) am Klavier spielen und voraussichtlich wird auch ihr Kollege Klaus Steppberger mit der Klarinette dabei sein. Darauf freut sich auch das hauswirtschaftliche Team von St. Josef mit Veronika Schmidt (links) sowie Verena Martin und Hanna Dold (von rechts). (Foto: pr)
Corona hat in diesem Jahr vielen Plänen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Auch für Beate Walter-Miller, Gesangspädagogin, Pianistin und Sopranistin aus Hadern, änderte sich vieles. So konnte ihr Chor im Haus St. Josef – die „Silberstimmen“ - nicht mehr zusammenkommen. Zum Schutz der Bewohner galt im Frühjahr ein Besuchsverbot im Stift.
Auf Gesang und Musik mussten die Bewohner von St. Josef dennoch nicht verzichten, denn die Sopranistin erfand „kontaktlose Hofkonzerte“: Zweimal in der Woche spielte sie im Innenhof am Klavier. Ihr Publikum musste nur die Fenster in den Zimmern ringsum öffnen und war mittendrin. Nicht nur die Bewohner freuten sich jedesmal auf „die Dame am Klavier“, auch für Beate Walter-Miller waren die Konzerte eine berührende Erfahrung. „Musik kommt direkt an“, erzählt sie, „sie ist wie ein Ersatzschlüssel für die Vergangenheit. Es ist, als ob man eine Tür aufsperrt.“
"Das hat mich beeindruckt"
Selbst Menschen wie Demenzkranke, die sonst oft abwesend wirken, werden ruhiger und entspannter. Diese Erfahrung machte auch das Pflegepersonal. „Da passiert etwas, da berührt Musik etwas, da gerät die Seele in Schwingungen“, so Walter-Miller. Wenn sie die Schlager der 20er oder 30 Jahre spielte oder die „Nie ohne Krimi ins Bett“-Mimi, wurden Gefühle wach, wippten die Bewohner im Takt mit oder sangen mit. „Das hat mich sehr beeindruckt“, erzählt sie.
Schnell war daher klar, dass die im März begonnenen „Musikbesuche“ auch nach Ende des ersten Lockdowns weitergehen sollten. Und so wurden in den vergangenen Monaten in allen Hausbereichen kleine Konzerte gegeben, auch im Demenzbereich und auf der Wachkomastation. Selbst ein Sommerfest konnte man in St. Josef unter Coronabedingungen mit Musik feiern und auch im „Schwesterstift“ Margarete-von-Siemens-Haus in Hadern konnte sie einige Konzerte auf der Terasse geben.
"Es gibt Halt und Sicherheit"
Auch die im Frühjahr versprochenen Wunschkonzerte gab es, immer mit einem Motto wie „Bella Italia“ oder einem oberbayerischen Programm oder Liedern wie „Wien wird bei Nacht erst schön“. Im Beethovenjahr darf ein Stück dabei nie fehlen: Freude, schöner Götterfunken. Damit beginnt Beate Walter-Miller ihre Hofkonzerte und „spätestens da gehen die Fenster auf“. Und die Herzen sowieso. „Der homogene Rhythmus tut sehr, sehr gut, das Stück gibt Halt und Sicherheit. Es ist einfach ein genialer Wurf“, so die Sopranistin.
In der kalten Jahreszeit sind nun keine Hof- und Gartenkonzerte möglich, daher „wandern“ die Musikbesuche von Station zu Station – natürlich mit Maske. Neue Dinge sind für den Advent mit einer Musikbude beim Adventsmarkt in St. Josef geplant oder mit einem Operettenprogramm, um mit Schwung ins neue Jahr zu gehen. Der Adventsmarkt ist natürlich nur für die Bewohner des Hauses und wird bereichsbezogen und mit allen Coronaauflagen organisiert. Beate Walter-Miller hat Ideen für ein ganzes Dutzend Veranstaltungen, die sie mit der Hausleitung vorbereitet, um den Bewohnern weiterhin regelmäßig Freude zu bringen.
"Wer singt, erschreckt sein Unglück"
„Das Spannendste ist für mich in diesem Hin und Her aber, was da alles passiert“, schwärmt die Musikerin. „Nach den kleinen Konzerten sind die Besucher glücklich, selbst wenn sie vorher apathisch schienen, und ich bin glücklich.“ Musik, das erfährt sie immer wieder, ist Medizin für die Seele. Sie ist gerade in Altersheimen unverzichtbar – und schlicht systemrelevant. „Wer singen und lachen kann, erschreckt sein Unglück“, zitiert die Sopranistin eine alte Weisheit. „Nichts anderes haben wir getan!“
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