Bio-Potenzial ausschöpfen
Abfallwirtschaftsbetrieb München startet Bioabfallkampagne in Neuhausen
Ökostrom, Kompost und hochwertige Pflanz- und Blumenerde – das alles kann aus einem einzigen Rohstoff gewonnen werden: Bioabfall. In Neuhausen hat der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) deshalb eine ganz besondere Bioabfallkampagne gestartet, denn ein Jahr lang wird dem Bioabfall im Bereich zwischen Landshuter Allee, Rotkreuzplatz, Schäringer-, Renata- und Richelstraße besondere Aufmerksamkeit geschenkt. „Wir möchten damit die Recyclingquote erhöhen, gleichzeitig Gutes für die Umwelt tun und dafür sorgen, dass die Münchner Müllgebühren weiterhin stabil bleiben“, erklärt Axel Markwardt, Kommunalreferent und Erster Werkleiter des AWM. Damit reagiere man als kommunaler Betrieb zum einen auf den eigenen, abonnierten Anspruch als erste deutsche Großstadt eine Recyclingquote von 65 Prozent zu erreichen, zum anderen auch auf gesetzliche Rahmenbedingungen, die sich geändert haben. Aufgrund des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes müssen nämlich seit 2015 Wertstoffe grundsätzliche getrennt erfasst werden. Das bedeutet, dass die Kommune alle Bioabfälle, also auch die Speisereste „nach dem Teller“, gesondert einsammeln muss.
Aktuell sammelt der AWM aus den Münchner Haushalten jedes Jahr rund 40.000 Mg Bioabfälle ein. Doch in den Restmülltonnen schlummert noch ungenutztes Bio-Potenzial: Ungefähr ein Drittel des Restmülls besteht aus Organik, wie eine Studie des AWM in den letzten Jahren ergeben hatte. „Deshalb wollen wir die Bioabfallsammlung optimieren und diese Mengen steigern“, sagt Helmut Schmidt, Zweiter Werkleiter des AWM. Würde man das gesamte Volumen der in München vorhandenen Biotonnen vollständig nutzen, könne man die derzeitige Menge fast verdoppeln. „75.000 bis 80.000 Mg Bioabfälle pro Jahr, das ist unser Ziel“, betont Schmidt. Aber um dieses Ziel zu erreichen, möchten die Münchner Experten der Abfallwirtschaft vom AWM zunächst erfahren, warum ein Teil der Bioabfälle derzeit noch im Restmüll landet.
"Schmackhaft" machen
Dazu fanden und finden Befragungen der Bevölkerung, bei Hausverwaltungen und auch bei vielen Hausmeistern statt. Geruch, Ekel, Zeitaufwand: Das sind die Gründe, die viele Menschen daran hindern, Bioabfälle konsequent getrennt zu sammeln. Auch fehlende Informationen, Zweifel am Sinn der getrennten Sammlung und Platzmangel wurden zur Begründung genannt.
Zusatzangebote, die den so genannten „Ekelfaktor“ eindämmen, sollen in Zukunft den Bürgern in Neuhausen das Sammeln von Bio- und Küchenabfällen regelrecht „schmackhaft“ machen. Für die Bioabfallkampagne werden kostenlose Bio-Eimerchen in verschiedenen Ausführungen verteilt, ebenso kleine Beutel aus Papier oder biologisch abbaubarem Kunststoff, mit oder ohne Henkel. „Wir wollen herausfinden, welche Bedingungen optimal sind, um ein Maximum an eingesammelten Bioabfällen zu erreichen“, so Schmidt. Zusätzlich wird im Neuhauser Testgebiet der Kampagne ein Teil der Biotonnen einmal pro Woche geleert, der andere Teil wird mit einem speziellen, gut abgedichteten Filterdeckel ausgestattet, der eine unangenehme Geruchsbildung und Schädlingsbefall möglichst weitgehen verhindert.
„Die Leute sind begeistert darüber, dass wir zu ihnen nach Hause kommen und die Bioeimer vorbeibringen“, sagt Achim Happel, der bei den AWM als ehrenamtlicher Abfallberater tätig ist. „Die Resonanz ist sehr positiv. Viele Bürger sprechen uns auch schon auf der Straße an und fragen, wann wir denn endlich zu ihnen kommen.“ Bis zum 1. Juli wird er noch zusammen mit seinen Kollegen im Neuhauser Testgebiet unterwegs sein.
Was darf in die Biotonne?
In die Biotonne des Neuhauser Gebiet, auf das sich die Kampagne quasi als Pilotprojekt erstreckt, gehören Küchenabfälle, Essensreste jeglicher Art – roh und gekocht, auch Fleischreste –, Gemüse- und Obstreste mit Zitrusfrüchten, Kartoffel-, Eier- und Nussschalen, Reste von Brot und sonstigen Backwaren, ebenso Kaffeesatz, Kaffeefilter, Kaffee-Pads und Teebeutel. Und auch Garten- und Pflanzenabfälle sollen in die Biotonne, wie Blumen, Blumenerde, Gartenabfälle, Laub, Gras und auch Unkräuter, ebenso kleine Mengen an Baum- und Strauchschnitt. Nur Pflanzentöpfe aus Ton, Keramik oder Kunststoff müssen draußen bleiben. In kleinen Mengen kann auch Zeitungs- und Küchenpapier dazugegeben werden, das saugt eventuell vorhandene Feuchtigkeit auf. Und auch kompostierbare Biomüllbeutel aus biologisch abbaubaren Werkstoffen dürfen hinein. Dies gilt zunächst nur für das ausgewiesene Pilotgebiet in Neuhausen und nur für ein Jahr, solange die Kampagne läuft.
„Aus Abfallwirtschaft wird Kreislaufwirtschaft“
So kann der AWM Erfahrungen sammeln, wie dieses Material in der Trockenfermentationsanlage am Entsorgungspakr Freimann verarbeitet werden kann. Dort werden die eingesammelten Bioabfälle dann zunächst vergoren. Durch die Vergärung entsteht energiereiches Biogas, das in einem Blockheizkraftwerk verstromt wird. Mit diesem Strom können 1600 Münchner Haushalte versorgt werden, das ersetzt etwa 375.000 Liter Heizöl. „Ein wichtiger Beitrag zur Daseinsvorsorge und zum Klimaschutz“, betont Schmidt, „werden dadurch doch zirka 1160 Mg CO2 eingespart.“ Zudem entsteht Wärme, die innerhalb der Biogasanlage als Prozesswärme genutzt wird. Die Gärreste verwendet der AWM zur Herstellung von qualitativ hochwertigem Kompost. Sie kehren also als wertvoller Dünger wieder zurück in den Kreislauf der Natur. „Das ist unser Ziel“, erklärt Markwardt, „aus Abfallwirtschaft wird Kreislaufwirtschaft.“ Der Kompost wird anschließend an die Landwirtschaft abgegeben oder in Erdenwerken zu hochwertiger Blumen- und Pflanzerde veredelt.
Während der Bioabfallkampagne wird ein Labor monatlich Proben aus den Biofuhren des Neuhauser Gebietes nehmen und Fremdstoffanteile, Biogaspotential und verschiedene andere Parameter untersuchen. Im übrigen Stadtgebiet sammelt der AWM weiterhin nur Bioabfälle „vor dem Teller“, also ohne Essensreste, und auch ohne Biomüllbeutel. Denn zunächst müsse man AWM wissen, welche Auswirkungen sich aus der geänderten Zusammensetzung des Organikmaterials für die Anlagen ergeben, wie Markwardt erklärt.
Im Stadtteil Neuhausen sieht der AWM nach eigenen Angaben noch viel Potenzial, die Mengen der eingesammelten Bioabfälle zu steigern. „Erfahrungsgemäß ist dieses Potenzial vor allem in Gebieten mit einem hohen Anteil an Geschosswohnungsbau und Wohnungen von Hausverwaltungen vorhanden“, so der Erste Werkleiter weiter. „Die Bedingungen, die in Neuhausen vorherrschen, finden sich im gesamten Münchner Bereich wieder.“ So eigne sich dieser Stadtteil besonders als Pilotprojekt, denn die Erkenntnisse, die der AWM dort gewinne, können auf ganz München übertragen werden.
Kampagne läuft insgesamt ein Jahr lang
Nach Ablauf der einjährigen Sonderkampagne sollte sich der Anteil der Bioabfälle, der sich noch im Restmüll befindet, im Neuhauser Pilotgebiet signifiankt verringert haben. „Wir werden auf alle Fälle das ganze Jahr über gut beobachten, welche Maßnahmen am besten gewirkt haben, das heißt: Wir brauchen die Münchner Bürger, um mehr Bioabfälle getrennt zu sammeln“, sagt Schmidt. Kann dann das gesamte Material gut in der Trockenfermentationsanlage verarbeitet werden, steht einer Ausweitung der Kampagne auf das gesamte Stadtgebiet nichts mehr im Weg.
Aber nicht nur eine optimierte Sammlung und eine bessere Nutzung der Bioabfälle stehen im Fokus des AWM. „Müllvermeidung ist immer noch die wirtschaftlich und ökologisch sinnvollste Art, mit unseren Ressourcen umzugehen“, sagt Markwardt. Und auch der Zweite Werkleiter ist überzeugt: „Als kommunales, nicht gewinnorientiertes Unternehmen ist für uns der beste Abfall der, der gar nicht entsteht."
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