Tunnelblick der "sozialen" Netzwerke verstärken Ängste
Tipps für Familien
Die empfohlene soziale Distanzierung, die eine Minimierung der sozialen Kontakte auf Medien wie das Internet und Telefon bedeutet, kann die Seele belasten und zu Einsamkeit führen. Dr. Matthias Nörtemann, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik in der München Klinik Harlaching, erklärt, wie Familien ihre seelische Gesundheit in der häuslichen Isolation schützen:
"Angstvoller Tunnelblick"
In den Medien dreht sich seit Wochen alles um die Corona-Epidemie. Dieses Thema ist für uns und die Welt wirklich wichtig und fordert von uns, dass wir es ernst nehmen. Dafür ist es notwendig, gut und verlässlich informiert zu sein, um besonnen und verantwortlich handeln zu können. Aber Vorsicht: Der ungefilterte Medienkonsum und die dadurch andauernd geforderte Auseinandersetzung mit aus dem Kontext gelösten, steigenden Corona-Infektionen führen in der Realität zu etwas ganz Anderem. Die durchgehende Konfrontation mit Push-Nachrichten und Videos aus den sozialen Netzwerken führen eher zu einem angstvoll fixierten Tunnelblick, der Ängste verstärkt, das Immunsystem tendenziell schwächt und ein sinnvolles und besonnenes Handeln erschwert.
Die amerikanische psychologische Vereinigung (APA) weist aktuell im Zusammenhang mit Covid-19 darauf hin, dass ein Übermaß an Informationen aus den sozialen Medien das Bedrohungserleben der Nutzer eher verstärkt, wohingegen die traditionellen Medien eine sinnvolle Auseinandersetzung wohl eher unterstützen. Vor allem aber auch, dass die Menge das Gift macht: Menschen, die sich dieser Art von Information durchgängig aussetzen, sind nachweislich psychisch belasteter, ohne dafür im Gegenzug irgendeinen Vorteil zu haben.
"Ein Vorbild sein"
Nicht nur für Erwachsene ist es schwer, sich auf diese neue Situation einzustellen; Kinder und Jugendliche brauchen auf ihre ganz eigene Weise Raum und Zeit, um die gegenwärtigen Veränderungen einzuordnen und gesund zu verarbeiten. Am besten können wir Kinder und Jugendliche unterstützen, indem wie einfühlsame Gesprächspartner sind. Genauso wertvoll ist es, selbst ein Vorbild zu sein, das nicht alle fünf Minuten auf das Display schielt. Wie schon Karl Valentin gesagt haben soll: „Es hat keinen Sinn, Kinder zu erziehen, sie machen einem ja sowieso alles nach“.
"Coronafreie Zeiten schaffen"
Ich selbst fahre gut damit, mir einmal morgens und einmal abends Zeit zu nehmen, mir ein umfassendes Bild von der Situation zu machen – wenn nötig inklusive Quellenrecherche und Informationen aus dem Bereich der medizinischen Forschung. Aber genauso wichtig ist es mir, auf Medien zeitweise gezielt zu verzichten und mir mit dem gemeinsamen Umfeld „coronafreie Zeiten“ zu schaffen – ob beim Kochen oder Spaziergang. Denn weder medizinische Laien noch medizinisches Fachpersonal sind vor Stress durch konstante Katastrophenmeldungen aus anderen Ländern gefeit.
"Kraft tanken"
Wir bieten unseren ärztlichen und pflegerischen Kolleginnen und Kollegen deshalb psychosoziale Unterstützung im Umgang mit der aktuellen Situation an, bieten Raum für Gespräche in schwierigen Situationen oder zeigen Entspannungsübungen für zwischendurch. In der gegenwärtigen Situation profitieren wir alle davon, wenn wir achtsam darauf aufpassen, wo unsere Energie hingeht und wir uns gezielt Raum für Erholung ermöglichen, um Kraft zu tanken und unsere Batterien wieder aufzuladen.
Ansprechpartner
Erziehungsberatung München: www.erziehungsberatung-muenchen.de
Facharztsuche der KVB: www.kvb.de/service/patienten/patienten-infoline
Kinder-und Jugendpsychosomatik Schwabing:https://www.muenchen-klinik.de/krankenhaus/schwabing/kinderkliniken/psychosomatik
Psychosomatik Harlaching:https://www.muenchen-klinik.de/krankenhaus/harlaching/psychosomatik-psychotherapie
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