"Parkinson entsteht nicht von heute auf morgen"
Gerhard Schumann beantwortet Fragen
Gerhard Schumann ist der Leiter der Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. (Regionalgruppe München). Er ist bereits mit 42 Jahren an Parkinson erkrankt und möchte Betroffenen, Angehörigen und Interessierten helfen, sich schnell und umfassend einen Überblick über die Krankheit zu machen:
"Man kann sehr viel bewegen"
Parkinson-Patienten leiden sehr oft unter ihrer Erkrankung, da sie sich anders wahrnehmen als zuvor. Sie schämen sich für ihre körperlichen Symptome wie etwa Schwitzen, die gestörte Motorik oder Inkontinenz. Darunter leidet in erheblichem Maße das Selbstwertgefühl und Ängste treten auf.
Wie können Ärzte, aber auch Familienangehörige helfen, diesen Ängsten zu begegnen? Welche Möglichkeiten der Unterstützung finden Betroffene in Vereinen, Selbsthilfegruppen oder sozialen Einrichtungen?
Gerhard Schumann: Zunächst muss man gleich mal darauf hinweisen, dass nicht alle an Parkinson erkrankten Menschen die gleichen Symptome aufweisen. So ist zum Beispiel die von Ihnen erwähnte Inkontinenz kein Muss in Verbindung mit Parkinson. Und schon gar nicht zu Beginn der Erkrankung. In der Regel lässt sich die Erkrankung mit Medikamenten in den ersten Jahren gut, oft sogar sehr gut behandeln. D.h. der Betroffene hat oft sogar über mehrere Jahre nahezu keine sichtbaren Einschränkungen. Erfahrene Neurologen können durch den gezielten Einsatz und auch durch die Kombination verschiedener Medikamente sehr viel bewegen. Wir als Selbsthilfegruppe unterstützen die Betroffenen und Angehörigen durch Informationen „aus erster Hand“, durch regionale Treffen, Sport und Freizeitaktivitäten. Auf diesem Wege soll es erst gar nicht so weit kommen, dass man krankheitsbedingt in die Isolation abrutscht.
"Symptome schleichen sich langsam ein"
Bei der neurodegenerativen Erkrankung „Morbus Parkinson“ (Schüttellähmung) sterben aus bisher ungeklärten Gründen die Nervenzellen fortschreitend ab. Morbus Parkinson tritt in einigen Familien öfter auf, sie wird manchmal vererbt mehrheitlich aber nicht. Die Ursachen der Krankheit sind nicht bekannt. Die Diagnose ist nicht leicht und kann nur durch einen Facharzt (Neurologe) mit Parkinson Erfahrung erstellt werden.
Wie erkennt man Symptome bei einem Angehörigen? Wann sollte man Angehörige zu einem Arztbesuch bewegen?
Gerhard Schumann: Die Bezeichnung Schüttellähmung stammt noch aus der Zeit, als man sehr wenig über die Krankheit wusste. Mit Lähmung hat die neurologische Erkrankung nichts zu tun, wie man heute weiß. Richtig ist, das besondere, seltene Formen der Erkrankung eine Vererbung vermuten lassen. Oft sind die ersten Symptome unauffällig und schleichen sich langsam ein. Zum Beispiel die Abnahme des Geruchssinnes kann sich über einen langen Zeitraum hinziehen, bis man die Veränderung wahrnimmt. Auch ein unruhiger Schlaf und unerklärliches Schwitzen in der Nacht kann ein Vorbote für die Erkrankung sein. Klassisch ist auch ein verminderter Armschwung beim Gehen oder Schmerzen im Nacken und Schulterbereich. Leider werden Patienten oft Orthopädisch (Kalkschulter, Tennisarm, u.ä.), statt Neurologisch behandelt. Im Zweifelsfall empfiehlt sich daher eine neurologische Zweitmeinung. Im Übrigen braucht man vor der neurologischen Parkinson Untersuchung keine Angst haben, da diese absolut schmerzfrei ist.
"Gut gemeint ist eher belastend"
Die Diagnose Parkinson ist ein Schock für jeden Betroffenen. Plötzlich ist nichts mehr wie es einmal war. Doch nicht nur dem Patienten selbst, sondern auch seinem gesamtem sozialem Umfeld mit Familie, Freunden und Bekannten steht ein beschwerlicher Weg mit der Krankheit bevor. Parkinson ist eine enorme Belastungsprobe für die Beziehung.
Wie können Partner und Angehörige Erkrankte unterstützen? Welche Hilfestellungen sind möglich, welche sind (nicht) sinnvoll?
Gerhard Schumann: Parkinson entsteht nicht von heute auf morgen. Und auch das Voranschreiten geht in aller Regel langsam über Jahre hinweg. So haben alle Beteiligten ausreichend Zeit, sich an mögliche Veränderungen anzupassen. Wichtig ist eben auch, dass nicht jeder alle Symptome im Verlauf bekommt. Aus eigener Erfahrung ist es für Betroffene eher belastend, wenn ständig Menschen aus dem Umfeld mit gut gemeinten Ratschlägen und Tipps auf einen zukommen. Viel sinnvoller ist da der Austausch mit Gleichgesinnten. Zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe.
"Es gibt eine Vielzahl davon"
Parkinson kann man nicht heilen kann, es ist aber möglich, die Symptome zu behandeln. Welche Möglichkeiten gibt es da?
Gerhard Schumann: Meist ist es in den ersten Jahren ausreichend, entsprechende Tabletten zu nehmen. Zwischenzeitlich gibt es eine Vielzahl davon, so dass ein erfahrener Parkinson-Neurologe einen „bunten Strauß“ von Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung hat. Desweiteren gibt es auch entsprechende Wirkstoff-Pflaster. Erst im späteren Verlauf kann es unter Umständen sinnvoll sein, über eine sogenannte THS (Tiefe Hirnstimulation) nachzudenken. Auch Pumpen, die den Wirkstoff direkt in den Körper einbringen gibt es auf dem Markt. Das sind jedoch spezielle Themen, über die man die ersten Jahre noch überhaupt nicht nachdenken muss.
Leicht verständlich
Jetzt im April ist "Das Parkinson Buch von A-Z" von Gerhard Schumann erschienen (ISBN 978-3-944847-62-7) . Er beschreibt und erklärt in seinem Buch über 160 Begriffe und Fachausdrücke aus der »Parkinson-Welt«. Die Erklärungen sind für jedermann leicht verständlich formuliert. Darüber hinaus gibt er viele hilfreiche Tipps und Informationen für ein Leben mit und trotz dieser chronischen Krankheit.
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