Die Grenzen erreicht?
CSU will eine "ergebnisoffene gesamtstädtische Wachstumsdebatte" führen
"München hat die natürlichen Grenzen seines Wachstums erreicht", stellt Michael Kuffer fest. Er ist der stv. Vorsitzende der Münchner CSU-Stadtratsfraktion und kandidiert im Münchner Süden für den Bundestag. Für die CSU hat er nun einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Er soll helfen, das Wachstum und die infrastrukturellen Herausforderungen in München zu bewältigen.
"Wenn wir das Wachstum weitgehend unkontrolliert so weiterlaufen lassen, werden wir unsere Stadt in zehn bis 20 Jahren nicht mehr wiedererkennen", heißt es in dem Papier. Dies zu verhindern sei eine zentrale Aufgabe, der sich die Stadtpolitik in den kommenden Jahren stärker widmen müsse. München dürfe nicht eine weitere der vielen gesichtslosen Metropolen werden. Der einzigartige Charakter Münchens als „Weltstadt mit Herz“ und auch die hohe Lebensqualität stehen auf dem Spiel.
Bürger einbinden
Kuffer wil die Weichenstellungen nicht Experten und Stadtplanern überlassen, sondern die Bürger einbeziehen. "Neben einer Reihe konkreter Maßnahmen wollen wir einen ergebnisoffenen Dialog mit den Münchnern über Voraussetzungen und Grenzen des städtebaulichen Wachstums anstoßen", sagte er und kündigte eine ergebnisoffene gesamtstädtische Wachstumsdebatte an - u.a. über die Beteiligungsplattform www.mit-bürger.de. Die Stadt dürfe hier ihren Bürgern nicht länger aus dem Weg gehen: "Es ist der falsche Ansatz, sich in der Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang unsere Stadt städtebaulich weiter wachsen kann, hinter Architekten und Experten zu verschanzen."
Der Süden als Beispiel
Im Münchner Süden, für den Kuffer kandidiert, ist das Thema Nachverdichtung hochaktuell. Der 19. Stadtbezirk gehört zu den fünf am stärksten wachsenden Stadtbezirken in München. Hier gibt es für Kuffer sowohl im positiven wie negativen Sinn "Extrembeispiele" für "Nachverdichtung mit Augenmaß unter Mitnahme der betroffenen Bürger".
Gut gelaufen sei die Nachverdichtung auf dem Sparkassengelände Fürstenried-Ost, bei der durch ein gelungenes Verfahren eine Befriedung mit der Umgebung erreicht werden konnte. Negativ bewertet Kuffer dagegen die Planung „Campus Süd“ auf dem ehemaligen Siemensgelände: Die Bürger haben im Beteiligungsverfahren dafür votiert, die Grenze von acht Stockwerken nicht zu überschreiten. Das Ergebnis seien aber sieben Türme, die nahezu doppelt so hoch ausfallen, obwohl nahezu alle anderen im Wettbewerb vorgelegten Entwürfe bei gleicher Dichte deutlich verträglichere Bauformen vorgesehen haben.
"New Deal" statt "Automatismus"
Kuffer fordert „städtebauliche Verschnaufpausen“ durch Facetten baulicher Art wie Freiräume, Grünflächen und noch überschaubare Höhenentwicklungen, aber auch ansprechende und anspruchsvolle Architektur und Räume für Kunst. Er warnt vor einer "städtebaulichen Massenproduktion". Einen Automatismus nach der Gleichung "Zuzug = Verdichtung“ dürfe es nicht geben. Angesichts des immensen Wachstums brauche die Stadt stattdessen einen „New Deal“. Die nötige Nachverdichtung müsse aufgewogen werden mit einer ansprechenden Architektur, mit Bebauungsformen, die auf eine Versöhnung mit der Umgebung angelegt sind, mit einer gleichzeitig mitwachsenden Infrastruktur. Die Nachbarschaft müsse bei Bauprojekten insbesondere dann ins Boot geholt werden, wenn die Geschossflächenzahl eines Vorhabens die bisherige eines Quartiers überschreite. Umgekehrt müsse es möglich ein, dass sich ein Bauherr einen Dichtebonus von 10 bis 15% "verdient", wenn Bürger und Fachleute seinen Entwurf als besonders herausragend bewerten.
Einheimische Mieter massiv fördern
Um die Münchner vom zunehmenden Druck auf den Wohnungsmarkt zu entlasten, schlägt Kuffer einen massiven Ausbau der Einheimischenmodelle vor, insbesondere des "München Modells Miete". Auch um gezielt die Abwanderung von jungen Familien ins Umland zu verhindern, soll die Einheimischenförderung deutlich ausgeweitet werden. Auf den neu zu bebauenden städtischen Flächen soll solchen Einheimischenfördermodellen der Vorrang gegenüber anderen Fördermodellen eingeräumt werden. Im ÖPNV-Einzugsbereich soll die Stadt in den dortigen Gemeinden zudem Flächen erwerben, auf denen sich Einheimischenförderung für Münchner Mieter realisieren lasse.
Ein halbes Dutzend U-Bahn-Projekte
Nachverdichtung ist für die CSU ohne Ausbau der Infrastruktur undenkbar. Nachdem der Ausbau der Infrastruktur in München unter Rot-Grün jahrzehntelang keine Rolle mehr gespielt habe, sei es der schwarz-roten Rathauskooperation seit 2014 gelungen, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. "Trotzdem kommen wir viel zu langsam voran", so Kuffer, "die Verlängerung einer U-Bahnlinie um weniger als eine Handvoll Haltestellen ist noch kein Schritt nach vorne, sondern nur die Schließung einer seit Jahrzehnten überfälligen Lücke." Tatsächlich stehen mindestens ein halbes Dutzend U-Bahn-Projekte an, deren Realisierung notwendig wäre, um mittelfristig ein Verkehrschaos in München zu vermeiden, heißt es in ihrem Plan.
"Bürgeraktie" zur Finanzierung?
Der Finanzbedarf für diesen Ausbau bewegt sich nach Einschätzung der CSU im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Dafür brauche München einen finanziellen „Befreiungsschlag“. Ein wichtiger Baustein könnte die Einbeziehung öffentlichen Kapitals von dritter Seite sein. Öffentliche Träger, die Geld anlegen müssen, haben momentan alle das gleiche Problem: Mit (Bank-)Zinsen lasse sich kein Geld mehr verdienen. Die Verzinsung muss vielmehr über Rendite erreicht werden. Insofern hat die Landeshauptstadt mit ihrem Problem der Finanzierung einer Infrastrukturoffensive vermutlich gleichzeitig die Lösung für das Problem anderer Träger, die wiederum zwingend Geld anlegen müssen, glaubt Kuffer und bringt einen weiteren Baustein in Spiel: eine Bürgeranleihe bzw. eine Bürgeraktie für den Ausbau der Münchner Infrastruktur.
"Kein Negativbeispiel"
Stadtverwaltung nimmt Stellung zum Campus Süd
Das städt. Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat sich gegen die Bezeichnung des Projekts Campus Süd als „Negativbeispiel für Nachverdichtung“ gewandt. Es sei nicht richtig, dass sich die Verwaltung über den erklärten Willen der Bürger hinweggesetzt habe.
Die Entwicklung des Projektes wurde von den gewählten Vertretern der Bürger, dem Stadtrat, so beschlossen: Am 16. Dezember 2015 habe der Stadtrat das Wettbewerbsergebnis für den Campus Süd zur Kenntnis genommen und die Verwaltung beauftragt, auf dieser Grundlage die Bauleitplanung weiter zu entwickeln.
Bereits das bisherige Planungsverfahren wurde von zahlreichen Veranstaltungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit begleitet. Die bisher gesammelten Standpunkte werden in den Planungs- und Abwägungsprozess einfließen und dem Stadtrat im Rahmen des Billigungsbeschlusses zur Entscheidung vorgelegt. Im Anschluss wird den Bürgern erneut Gelegenheit zur Beteiligung an der Planung gegeben, sagte das Stadtplanungsreferat zu.
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