Keine Angst vorm schwarzen Mann
Schornsteinfeger gelten als Glücksbringer
Schwarz sind Anzug und Zylinder, das Gesicht mit Ruß verschmiert. So wird der Schornsteinfeger seit Jahrhunderten auf zahllosen Bildern dargestell und ist besonders zum Jahreswechsel überall als Glückbringer gern gesehen. Am Erscheinungsbild des Schornsteinfegers hat sich bis heute kaum etwas geändert. Zwar fährt auch der Schornsteinfeger inzwischen mit dem Auto statt dem Fahrrad und der hohe, steife Hut wird meist durch ein praktischeres, schwarzes Käppchen ersetzt. Der Zylinder als Markenzeichen gehört aber immer noch zur offiziellen Kleidung der Kaminkehrer.
Warum ist der Schornsteinfeger Glücksbringer?
„Schornsteinfeger wurden schon im Mittelalter in jeder Stadt freudig begrüßt,“ sagt Dieter Haas. Er ist von Beruf Schornsteinfeger und als Bezirkskaminkehrermeister zusammen mit insgesamt drei anderen Kollegen für die Stadt Germering zuständig. „Da offene Feuerstellen mit schlechtem Rauchfang in den Häusern normal waren, bestand für die Bewohner stets die Gefahr zu ersticken. Oder das ganz Haus und sogar die Stadt brannte ab. Hatte der Schornsteinfeger das Problem beseitigt, konnte man wieder sicher leben und das empfand man als großes Glück.“ sagt Dietmar Haas, der sich mit der Geschichte seines Berufsstandes auskennt. Das positive Image des Berufs begleitet das Leben eines Schornsteinfegers noch heute in mehrfacher Hinsicht. „Die meisten Leute lächeln unwillkürlich, wenn sie mich sehen. Und immer wieder kommt es auch vor, besonders so um Neujahr herum, dass wildfremde Menschen mir die Hand schütteln wollen, meine Kleidung anfassen oder mich bitten, ihnen etwa Ruß auf die Nase zu malen.“ weiß Dietmar Haas aus dreißigjährigen Erfahrung zu berichten. Hilfreich ist der gute Ruf aber auch bei der täglichen Arbeit. Denn obwohl fast alle Menschen instinktiv davor zurückschrecken, Fremde über die Schwelle ihres trauten Heims zu lassen, ist das beim Schornsteinfeger meist kein Problem.
Vielseitige Ausbildung
„Wir sind nicht schmutzig, sondern schwarz“ lautet seit Generationen das Motto der rußigen Gesellen, trotzdem hat jeder für alle Fälle immer auch ein Paar Schutzüberzüge für die Schuhe dabei, um bei der Inspektion des Kaminofens im Wohnzimmers ja keine Fußabdrücke auf dem Teppichboden der Hausfrau zu hinterlassen. Doch die wirklich staubigen Tätigkeiten, nämlich das Fegen des Kamins, finden seit je hoch oben auf den Dächern der Häuser statt, sodass absolute Schwindelfreiheit immer noch eine der wichtigste Voraussetzungen für die Eignung zum Kaminkehrer ist. Drei Jahre dauert die Ausbildung, die nach wie vor ganz klassisch in der täglichen Praxis eines Musterbetriebes im Wechsel mit der Berufsschule absolviert wird und inzwischen auch bei jungen Frauen sehr beliebt ist. Die geänderten Messmethoden und Umweltstandards haben aber auch de Anforderungen an den Nachwuchs seit Dietmar Haas' Lehrzeit erheblich verändert. „Viel technisches Gerät und Know-how ist unumgänglich geworden.“
Vom Kaminkehrer zum Energieberater
„Neben den hoheitlichen Aufgaben, Bauabnahme und Überprüfung neuer Befeuerungsanlagen, die nur von einem bestellten Bezirkskaminkehrer durchgeführt werden dürfen, gehören die eingehende Beratung in Sachen Brandschutz, Energieeffizienz, alternative Technologien, Umweltbelastun zu den Kernaufgaben eines Kaminkehrers“, sagte Dietmar Hass. Das dafür notwendige technische Wissen wächst ständig, was Dietmar Haas an seinem Beruf besonders spannend findet.
Bezirke werden heute frei vergeben
Seit 2012 hat sich auch die Vergabepraxis der Bezirksstellen geändert. Nach einer Klage der EU wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit, dürfen die Hausbesitzer für alle sogenannten freien Arbeiten, wozu neben dem Kehren und Messen auch die Beratung gehört, ihren Schornsteinfeger selbst wählen. Die hoheitlichen Aufgaben wie Bauabnahme und Prüfung von neuen Befeuerungsanlagen obliegen aber weiterhin dem staatlich bestellten Bezirkskaminkehrer, der für mindestens sieben Jahre an ein bestimmtes Einzugsgebiet gebunden ist.
Traumberuf mit Aussicht
Sein jetziger Standort Germering hat Dietmar Haas nicht allzu weit von seinen Wurzeln weggeführt. Er hat seinen Beruf nämlich bei einem Herrschinger Meisterbetrieb gelernt, von dem er heute noch schwärmt. Schon beim Praktikum, war ihm klar, dass Schornsteinfeger sein Traumberuf werden würde. „Den ganzen Tag an der frischen Luft, der Umgang mit Menschen und immer wieder neue, technische Herausforderungen, das hat mir von Anfang an getaugt. Und der Blick von den Dächern über den Ammersee war auch nicht schlecht!“ fügt er schmunzelnd hinzu. Fest steht: Dietmar Haas und seine Schornsteinfeger-Kollegen möchten auch weiterhin das Glück in möglichst viele Häuser bringen. Nicht nur an Neujahr.
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