Leviten lesen am Aschermittwoch
Über die Hintergründe von Wohnungsnot und Mietwucher
„Kaum jemand macht sich große Sorgen um seinen Arbeitsplatz. Aber die Münchner leiden unter Wohnungsmangel und den hohen Mieten", begann Oberbürgermeister (OB) Christian Ude seine Rede, die er unter dem Motto „Münchner Fastenspeis' nebst Predigt" am Aschermittwoch im Sendlinger Lokal „Spektakel" hielt: „Doch auch das Thema Wohnungsnot hat in der Bayerischen Landeshauptstadt bereits 100-jährige Tradition!"
Denn massiven Zuzug verzeichnete München bereits in den Jahren um 1900. Allein aus der Oberpfalz kamen damals rund 125.000 Menschen, da hier Arbeitsplätze winkten. An Attraktivität hat die Stadt seither nichts eingebüßt. Bis heute locken sowohl der Arbeitsmarkt und die Vielzahlt an Ausbildungsstätten, also auch das umfassende kulturelle Angebot und der hohe Freizeitwert. Verändert haben sich lediglich die Herkunftsländer der Zuzügler. Dennoch: 80 Prozent kommen aus Ländern der Europäischen Union (EU). Demnach seien alle Versprechen, den Zuzug einzuschränken, „unredlicher kommunalpolitischer Schwindel", so Ude. Denn innerhalb der EU die Schlagbäume runter zu lassen, sei nicht möglich – und aus Sicht der SPD auch gar nicht wünschenswert.
Allerdings fordern die Sozialdemokraten eine „Stadt im Gleichgewicht". Wachstum muss schließlich auch verkraftet werden können. Und dafür gelte es neben der Infrastruktur für Verkehr und Kinderbetreuung auch für das Grundbedürfnis nach einer Wohnung zu sorgen.
Mietpreisbremse ein viertel Jahrhundert verhindert
Als zynisch bezeichnete Ude das Bestreben der CSU, nun im Wahlkampf von Fehlentwicklungen und Versäumnissen durch den angespannten Wohnungsmarkt zu profitieren. Denn schließlich scheiterten alle Anläufe der SPD, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, ein viertel Jahrhundert lang am Widerstand der CSU! Zahllose Anträge und Resolutionen hatte OB Ude in Zusammenarbeit mit Mieterinitiativen im Lauf seiner langjährigen Amtszeit veranlasst. Doch gesetzliche Regelungen wie die „Erhaltungssatzung", die Luxussanierungen und den lukrativen Verkauf von zuvor vermietetem Wohnraum als Eigentumswohnungen einschränken, lehnte die CSU seit den 1970er Jahren strikt ab. Erst zum 1. März 2014 – 16 Tage vor der Kommunalwahl! – wurde das Umwandlungsverbot nun endlich rechtskräftig. „Die CSU hat ihr Herz für Mieter entdeckt. Zu spät, wie ich meine", kommentiert Ude.
Und auch von Vorschlägen, der Willkür von Hausbesitzern bei Mieterhöhungen juristisch Schranken zu setzen, will die CSU nichts wissen. Die Forderung der SPD, dass der Quadratmeter-Preis bei Neuvermietungen die örtliche Vergleichsmiete um maximal zehn Prozent übersteigen darf, bleibt also noch durchzusetzen.
Die Qualitäten seines potenziellen Nachfolgers, Dieter Reiter, hob der nach mehr als 20 Jahren Amtszeit scheidende Oberbürgermeister hervor: Die Fähigkeit zu stringenter Verwaltung zeichne Reiter ebenso aus, wie sein konsequentes soziales Engagement, Aufgeschlossenheit für grüne Belange und das rechte München-Gefühl. „Denn in der derzeitigen Situation des Turbo-Kapitalismus' brauchen wir dringend eine soziale und ökologische Politik", betonte Ude. Doch selbst Münchens OB könne nichts verhindern und nichts dursetzen, wenn er keinen Rückhalt im Stadtrat hat. Stehende Ovationen erhielt Ude am Ende seiner „Predigt" nicht nur von den anwesenden SPD-Stadträten und Stadtratskandidaten für den Münchner Süden, sondern von allen Zuhörern im voll besetzen Sendlinger Wirtshaus.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH