"Ja" - wenn's maßvoll wird
Das Quartier an der Appenzeller Straße soll ab 2022 "urbaner" werden
1.500 Wohnungen aus den sechziger und siebziger Jahren besitzen fünf der von der Bayerischen Versorgungskammer verwalteten Versorgungswerke im Quartier an der Appenzeller Straße. Bereits 2014 begann innerhalb der Bayerischen Versorgungskammer der Planungsprozess für eine zusätzliche Bebauung in der Siedlung (aktuell geht man von 640 bis 660 zusätzlichen Wohnungen aus). Wie diese Bebauung das Quartier verändern wird, wird derzeit im Bebauungsplanverfahren mit der Stadt abgestimmt. Über diesen Bebauungsplan diskutierte auch der Bezirksausschuss (BA 19) in seiner jüngsten Sitzung lange.
"Das gemeinsame Ziel ist, dringend benötigten Wohnraum mit hoher Qualität für das Quartier in Fürstenried-West zu schaffen", heißt es seitens der Versorgungskammer. Mit der Baumaßnahme wolle man ein Quartier weiterentwickeln, das auch in zehn oder zwanzig Jahren seinen Bewohnern das bietet, was sie brauchen, zum Beispiel: moderne, flexible Angebote für Mobilität, gleichzeitig aber auch kurze Wege, Nachbarschaftsangebote und Dienstleistungen, die den Alltag für viele leichter machen. Die Versorgungskammer möchte die Siedlung "urbaner" gestalten. Am geplanten Quartiersplatz soll es eine Mobilitätsstation (mit Carsharing, Radlwerkstatt und Ausleih von Lastenfahrrädern etc.) geben. Die Versorgungskammer rechnet damit, dass der jetzt diskutierte Bebauungsplan im nächsten Jahr rechtskräftig wird. Dann könne man 2022 mit dem Bau beginnen und werde nach sechs bis acht Jahren fertig sein.
Vor Ort ist man uneins
Bei den Bürgern stießen die Pläne auf Skepsis. Die eher rhetorische Frage "Soll die Stadt nicht weiterwachsen?" wurde mit viel Applaus quittiert. Der Bezirksausschuss hingegen stimmter einer "maßvollen und verträglichen Nachverdichtung" im Planungsgebiet zu.
Um sich auf eine gemeinsame Position zu einigen, benötigte das Gremium allerdings lange. Michael Kollatz (SPD) kritisierte die Stadtverwaltung, weil diese auf viele Fragen und Anregungen von Bürgern und BA noch nicht geantwortet habe. "Wir kennen die Antworten auf wichtige Fragen nicht", sagte er, daher könne man keine endgültige Stellungnahme zu dem Plan abgeben. Das vorgelegte Papier sei "noch nicht tragfähig". Kollatz vermisste u.a. Festlegungen zur Infrastruktur wie dem 4-Minuten-U-Bahn-Takt.
Alexander Aichwalder (Grüne) meinte, der BA habe in den vergangenen drei Jahren viel erreicht, u.a. ein sehr transparentes Planungsgverfahren. Die Versorgungskammer habe sich seit Jahrzehnten als faire Vermieterin im Viertel erwiesen. Die Wohnungen, die sie bauen wolle, seien bezahlbarer Wohnraum - "ein seltener Sonderfall".
Ludwig Weidinger (CSU) und Richard Ladewig (FDP) warnten vor Verzögerungen im Planungsprozess. Man brauche die Wohnungen dringend.
Das sagt der Bezirksausschuss dazu
In seiner Stellungnahme zum Bebauungsplan geht der BA 19 auf etliche Themen detailliert ein. Die Fraktionen einigten sich u.a. auf folgende Punkte:
Quartiersplatz und Mobilitätskonzept
Der BA 19 begrüßt die Schaffung eines Quartiersplatzes mit Einzelhandel, Gewerbe, Mobilitätsstation und sozialen Angeboten.
Das Mobilitätskonzept wird erfreut zur Kenntnis genommen, obwohl sich dessen Akzeptanz in der Zukunft erst erweisen muss.
Bleibt Bürgerwille außen vor?
Der BA 19 bedankt sich für die transparente Bürgerinformation während des Verfahrens. Er fordert, dass auf alle Einwendungen detailliert geantwortet wird. Allerdings sei zu befürchten, dass bei der bereits sehr konkreten Planung Einwände kaum mehr berücksichtigt werden und der Bürgerwille außen vor bleibt.
Kritik an Baukörpern
Viele Gebäude werden ab ihrem 2. Stockwerk über den Gehweg davor gebaut. Dies sei nicht gebietstypisch und wird abgelehnt.
Insbesondere der östlichste, zusätzliche Hochbaukörper an der Forst-Kasten-Allee ist in ein Gebiet mit „sehr erhaltenswerten Baumbestand“ geplant. Hier wäre es sinnvoller gewesen, auf diesen Hochpunkt zu verzichten und stattdessen die Baumasse auf die anderen An- und Neubauten zu verteilen.
Takt und Tiefgaragen
Der BA 19 erneuert seine Forderung nach einer Taktverdichtung auf der Line U3 und fordert eine Taktverdichtung der Busverbindung im Quartier auf 10 Minuten.
Der BA 19 begrüßt, dass alle erforderlichen Stellplätze für bestehende und neue Wohnungen in Tiefgaragen untergebracht werden sollen.
Radweg fällt weg
Der Wegfall des Radwegs in der Forst-Kasten-Allee wegen der Tempo-30-Zone sei zwar gesetzlich nachvollziehbar, allerdings sei zu bedenken, dass diese Straße als Schleichweg vom Kreuzhof nach Neuried verwendet wird und dort auch überörtlicher Radverkehr stattfindet, der durch ausparkende Schrägparker gefährdet ist.
Verkehrszahlen neu berechnen
Aus dem Planungsgebiet fahren täglich 1.850 Fahrzeuge zusätzlich in die Graubündener Straße ein. Es fehle eine Darstellung, wie sich dieser Verkehr auf die Graubündener Straße nördlich der Forst-Kasten-Allee und südlich der Appenzeller Straße aufteilt.
Eine Verkehrszunahme auf der Neurieder Straße wird im Bebauungsplan nicht angenommen. "Dies ist völlig unrealistisch", so der BA.. Aussagen zur bereits an der Grenze der Auslastung befindlichen Kreuzung Graubündener Straße / Neurieder Straße und zur bereits jetzt überlasteten Neurieder Straße fehlen völlig. Der BA fordert die Anpassung der verkehrlichen Planzahlen sowie entsprechende Korrekturen der Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung.
Ökobilanz verschlechtert sich
Positiv bewertet der BA die Freihaltung des westlichen, mit wertvollem Baumbestand versehenen Arels, insbesondere des Gehölzgürtels Richtung Neuried. Bedauerlich sei, dass von 684 Bäumen 184 gefällt werden müssen, also mehr als jeder vierte. Zwar wird zugesichert, dass „voraussichtlich“ die gefällten Bäume in der Anzahl vollständig ersetzt werden. Allerdings werden dies wegen der Tiefgaragen meist nur mittelgroße Bäume sein. Dies bedeute auf Jahre hinaus eine deutliche Verschlechterung der Ökobilanz. Der BA 19 fordert deshalb eine höhere Überdeckung der Tiefgaragen, so dass Großbäume gepflanzt werden können.
Infoabend für Mieter
In einer Informationsveranstaltung am 18. Juli (18.30 bis 21.00 Uhr) im Spectaculum Mundi will die Versorgunskammer zeigen, welche positiven Entwicklungen sich im Rahmen der Baumaßnahmen für das neue Quartier und den Bestand ergeben. Neben dem Bebauungsplan, der unter anderem über die Neubauten und Aufstockungen informiert, wird ein weiterer Schwerpunkt der Veranstaltung die Vorstellung des künftigen Mobilitätskonzepts sein. Auch über den geplanten Supermarkt am zukünftigen Quartiersplatz, der den Bewohnern die Versorgung mit dem alltäglichen Bedarf ermöglichen wird, wird informiert. Zudem wird erläutert, wie die Mieter während der Bauphase mit möglichen Einschränkungen umgehen können.
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