100 Jahre Aubing-Ost
Siedlervereinigung blickt auf ein Jahrhundert Vereinsgeschichte zurück
20 kleine Beamte und Arbeiter der Bahn hatten vor 100 Jahren die Freie Vereinigung Aubing-Ost gegründet. Der Verein kaufte Grundstücke, die dann von den Mitgliedern erworben werden konnten. Mit viel Eigenleistung entstanden eine Siedlung, Straßen und eine Nachbarschaft, die sich gegenseitig unterstützte. Heute hat der Verein „Siedlergemeinschaft Aubing-Ost“ fast 200 Mitglieder. Noch immer unterstützt sich die Nachbarschaft. Der Verein bietet beispielsweise einen kostenlosen Geräteverleih vom Häcksler bis zum Hochdruckreiniger, man trifft sich zu Sommerfesten und Ausflügen und pflegt die eigene Identität als „Aubing-Ostler“. Anlässlich des Jubiläums fand in den Räumen der UBO 9 eine Ausstellung statt. Tausende von Bildern, Plänen und Dokumenten hatten die Vereinsmitglieder in monatelanger Arbeit gesichtet, vergrößert und aufbereitet. Das Ergebnis konnten die Besucher in der umfassenden Ausstellung bewundern. Sie stellte nicht nur die Chronik des Vereins vor, sondern gab auch einen Einblick in das Leben in Aubing im Laufe der Zeit.
An einem „Jahrhundertweg“ konnten die Besucher die Meilensteine der Siedlervereinigung ablesen, die immer mal wieder umbenannt wurde. Mal hieß der Verein „Heimstättensiedlung“, dann wieder „Kleinsiedlerverein“, mal „Garten- und Obstbauverein“ und seit 1956 bis heute „Siedlergemeinschaft Aubing-Ost“.
Im Medienraum liefen Filme von Festen und Ausflügen und überall standen Besucher, die sich in die Geschichte, die symptomatisch für das gesamte Stadtviertel ist, vertieften.
1919 war beispielsweise eines der bedeutenden Daten. Da wurden 30 Tagwerk Grund gekauft, um weitere Ansiedlungen zu ermöglichen. Eine Million Mark Mitgliedsbeitrag mussten die Aubinger zu Zeiten der Inflation (1923) zahlen. Heute sind es für jeden Monat einen Euro. Die erste elektrische Straßenbeleuchtung entstand 1927. Den Unterhalt teilten sich damals Verein und Gemeinde. Ein wenig wehmütig blicken die heutigen Vereinsmitglieder auf eine Geschäftsabwicklung 1928 zurück. Damals hat der Verein den heutigen Sponeckplatz kostenfrei an die Gemeinde Aubing abgetreten. „Das wäre ein Vermögen, wenn wir den jetzt noch hätten“, sagte Vereinsvorsitzende Angelika Mayer. 1930 bekamen die Siedler eine eigene Wasserleitung.
Zwangsumsiedlung wegen Bahnhofsplänen
Ein gravierender Einschnitt in das beschauliche Leben fand 1938 statt. Wegen der Pläne zum Neubau eines Hinterstellungsbahnhofs mussten viele Hausbesitzer auf Ersatzgrundstücke ausweichen. „Meine Großeltern mussten ihr großzügiges Anwesen mit einem viel kleineren austauschen“, erinnerte sich eine Besucherin. Auch Familie Bichlmayer musste ihr großes Familienhaus mit dem bunten Hausgarten aufgeben. Auf einer Bildercollage sieht man das Schwarz-weiß-Bild mit den Urahnen und das handcolorierte Elternhaus. Auch Angelika Mayer ist auf einer solchen Bildercollage verewigt: Als pausbäckiges Mädchen im Kinderwagen. Viele solcher Bildercollagen von eingesessenen Aubing-Ost-Familien hingen an den Wänden des Ausstellungsraums und wurden von den Besuchern genau studiert. Manch einer erinnerte sich an Anekdoten mit den darauf Abgebildeten oder steuerte eigene Erinnerungen bei.
1942 wurde Aubing-Ost der Stadt München eingemeindet. Die Straßen mit den Blumennamen mussten umbenannt werden, da es sie bereits in München gab. Die Aubing-Ost-Straßen erinnern jetzt an alte Burgen: Staufener Straße, Kräheneckstraße, Kastelburgstraße...
Die erste Müllabfuhr (1958), die letzte Straße, die endlich auch einen Teerbelag erhielt (1967) waren weitere Meilensteine in der Gemeinde. Die schwerste Krise ereilte den Verein Ende der 70er Jahre. Nachzahlungen aus der Vermögenssteuer und die hohen Straßenerstellungskosten trieben ihn fast in die Auflösung. Im letzten Moment konnte der Verein noch gerettet und die Schulden erlassen werden.
Heute steht das Vereinsgrundstück mit dem Vereinshaus im Mittelpunkt des Vereinslebens. Diese Holzhütte unter deren Dielen die Mitglieder bei der Renovierung die guten alten grauen Maßkrüge gefunden haben. „Die sind dort versteckt worden, weil immer so viele geklaut wurden“, erinnert sich Angelika Mayer. Eine Vereinsfahne steht für die Geselligkeit und das alte Feldkreuz aus dem Jahre 1913 mit der Aufschrift „Gott schütze Aubing-Ost“ wird am Sponeckplatz in Ehren gehalten. Die Siedler setzen sich aber auch vehement für verkehrs- und ortsplanerische Belange ein. Es gibt wohl keine Bezirksausschusssitzung bei der sich Angelika Mayer nicht zu Wort meldet.
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