VdK macht „Nächstenpflege“ mit Schilderwäldern sichtbar
Sozialverband warnt vor Zusammenbruch der Angehörigenpflege und fordert Ausbau von Entlastungsangeboten

Der Sozialverband VdK setzt sich in seiner Kampagne „Naechstenpflege“ für die Stärkung der häuslichen Pflege ein (von links): Dorothee Schiwy (Sozialreferentin der Landeshauptstadt München), Beatrix Zurek (Gesundheitsreferentin der Landeshauptstadt München), Ulrike Mascher (Vorsitzende des VdK Bayern), Verena Bentele (Präsidentin des VdK Deutschland), Josef Mederer (Bezirkstagspräsident Oberbayern) und Michael Pausder (Landesgeschäftsführer VdK Bayern. (Foto: Stephan Görlich / VdK Bayern)
In sieben bayerischen Städten machte der VdK Bayern mit begehbaren Schilderwäldern auf die Situation der häuslichen Pflege aufmerksam, so auch auf dem Münchner Marienplatz. Die spektakulären Aktionen waren Teil der aktuellen VdK-Kampagne „Nächstenpflege“. Mit der Kampagne kämpft der Sozialverband VdK für bessere Rahmenbedingungen für die Angehörigenpflege. Dazu gehören Reformen in der Pflegeversicherung genauso wie der Ausbau der Angebote vor Ort, um pflegende Angehörige zu entlasten.
„Häusliche Pflege ist Goldstandard“
„Wir wollen die Pflege zu Hause als Goldstandard etablieren und auf Dauer festigen“, erklärte Verena Bentele. Die VdK-Präsidentin kritisierte, dass die Angehörigenpflege bei Reformen der Pflegeversicherung grundsätzlich zu kurz kommt. So wurde beispielsweise das Pflegegeld seit 2017 nicht erhöht und soll erst 2025 wieder angepasst werden. Zudem werden Zeiten der häuslichen Pflege im Gegensatz zu Kindererziehungszeiten für die eigene Rente kaum angerechnet. Diese Vernachlässigung könne sich angesichts der demografischen Entwicklung und des eklatanten Pflegekräftemangels bald rächen.
Bentele wies darauf hin, dass ein Drittel der Pflegepersonen zu Hause kurz vor dem Zusammenbruch stehen, weil ihnen Entlastung fehlt. Das hat eine große VdK-Pflegestudie ergeben, der eine Befragung von 56.000 Menschen zugrundeliegt. Aus den VdK-Daten geht auch hervor, dass jährlich zustehende Leistungen im Wert von 12 Milliarden Euro in der Pflegeversicherung nicht abgerufen werden, weil Entlastungsangebote wie Tages-, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege oder für haushaltsnahe Dienstleistungen nicht abgerufen werden. Gründe sind die nicht vorhandenen Angebote sowie die fehlende Beratung der Familien darüber, dass ihnen diese Leistungen zustehen.
„Ausbau von Entlastung dringend erforderlich“
VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher bestätigte diesen Befund für Bayern. Rund 80 Prozent der 500.000 Pflegebedürftigen werden hier zu Hause gepflegt, zwei Drittel von ihnen ausschließlich durch Angehörige. Man geht von mindestens 750.000 pflegenden Angehörigen in Bayern aus. Mascher warnte vor einem Zusammenbruch dieses Systems: „60 Prozent der pflegenden Angehörigen geben in unserer Studie teils erhebliche gesundheitliche Probleme an. Wir brauchen in Bayern dringend mehr Entlastungsangebote.“ Der Ausbau solcher Angebote müsse auch deshalb vorangetrieben werden, damit sich Beruf und Pflege besser vereinbaren lassen. Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind im erwerbsfähigen Alter und müssen derzeit oft hohe Einkommensverluste hinnehmen, weil sie gezwungen sind, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder den Beruf ganz aufzugeben.
Konkrete Forderungen
Der VdK Bayern fordert von Freistaat, Kommunen und Städten:
Tagespflegeeinrichtungen müssen massiv ausgebaut werden. Auch Kommunen müssen sich stärker als Träger engagieren. Dieser Ausbau muss denselben Stellenwert bekommen wie der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen.
Die Nachtpflege muss überhaupt erst einmal in Bayern etabliert werden. Besondere Fördertöpfe sollten Einrichtungen ermuntern, diese Form der Betreuung anzubieten.
Jedes Pflegeheim muss verpflichtet werden, einen Teil seiner Pflegeplätze als Kurzzeitpflegeplätze vorzuhalten. Dafür müssen die Einrichtungen Ausgleichszahlungen erhalten, wenn die Plätze unbesetzt bleiben sollten.
Die Hürden für die Zertifizierung von Anbietern von haushaltsnahen Dienstleistungen müssen vom Freistaat gesenkt werden, damit die Zahl der Anbieter in Bayern, die mit den Pflegekassen abrechnen dürfen, von derzeit 1.660 professionellen plus etwa 1.000 ehrenamtlichen rasch auf ein Vielfaches steigt.
Pflegestützpunkte als zentrale Anlauf- und Leitstelle für Pflegefragen müssen in ganz Bayern verpflichtend für jeden Landkreis entstehen. Deren Bekanntheit muss erheblich gesteigert werden.
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