"Rente muss Spiegelbild der Lebensleistung sein"
Können immer weniger Junge immer mehr Alte "finanzieren"?
Die gesetzliche Rente ist umlagefinanziert: Aus den eingehenden Rentenversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer werden im Folgemonat die Renten der nicht mehr Arbeitenden bezahlt. Deshalb funktionierte auch nach Krieg und Währungsreform die Rente sofort – ein wichtiger Stabilitätsfaktor für eine Gesellschaft. Doch wie sollen immer weniger Junge künftig immer mehr Alte „finanzieren“? Und können junge Menschen später überhaupt noch mit ihrer Rente auskommen?
Bundesministerin Andrea Nahles hat erst Ende November ihr Gesamtkonzept zur Alterssicherung vorgestellt. Darin geht es um die zukunftsfeste und verlässliche Alterssicherung bis 2030 und darüber hinaus. Ihr Konzept sieht vor, dass die gesetzliche Rente als verlässliches Fundament bestehen bleibt: Es soll eine gesetzliche Haltelinie für ein dauerhaft garantiertes Rentenniveau von mindestens 46 Prozent sowie eine Haltelinie für einen maximalen Beitragssatz von 22 Prozent bis 2030 und 25 Prozent bis 2045 geben. Auch Selbstständige sollen abgesichert werden. Für Erwerbsminderung sieht die Alterssicherung 2030+ verbesserte Leistungen vor. Zudem wird es gleiche Renten in Ost und West geben. Dazu kommen unter anderem tariflich abgesicherte Betriebsrenten auf für kleinere und mittlere Betriebe sowie Freibeträge für Zusatzrente in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Geplant ist zudem ein garantiertes Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung für langjährig Versicherte, die sogenannte Solidarrente.
"Die Jüngeren nicht überfordern"
Die alte Generation: Franz Wölfl, Vorsitzender der LandesSeniorenVertretung Bayern (LSVB), 67 J.:
Die gesetzliche Rentenversicherung bedarf einer kontinuierlichen Anpassung. Die Akzeptanz in der Bevölkerung wird umso größer sein, je mehr es gelingt, die Fortschreibung der gesetzlichen Rentenversicherung generationengerecht auszugestalten – niemand darf auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation benachteiligen sein. Will heißen: Die Rente muss ein Spiegelbild der gesamten Lebensleistung sein. Es darf bei der Rentenhöhe nicht nur Erwerbstätigkeit honoriert werden, sondern auch Leistungen im Rahmen der Familiensorgearbeit, vor allem bei Kindererziehung und häuslicher Pflege von Angehörigen. Die Rentenhöhe muss zudem grundsätzlich oberhalb der Grundsicherung liegen.
Desweiteren ist das Umlageverfahren zur Finanzierung der gesetzlichen Rente alternativlos. Der Grundsatz der Generationengerechtigkeit gebietet, die Jüngeren, d.h. die 15- bis 65-Jährigen, nicht durch zu hohe Beiträge zu überfordern. Aus diesem Grund ist die vom Gesetzgeber vorgesehene Kombination von Rentenniveauabsenkung und moderatem Beitragssatzanstieg gerechtfertigt. Das Gleiche gilt für die Beibehaltung des Nachhaltigkeitsfaktors und die schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit von 65 auf 67 Jahre.
Ziel der Politik muss sein, das Rentenniveau bei 46 Prozent des durchschnittlichen Jahresentgelts zu stabilisieren, ohne das weitere Ziel, den Beitragssatz möglichst nicht über 22 Prozent hinaus ansteigen zu lassen, aus den Augen zu verlieren. Damit würde den Grundsätzen der Generationensolidarität und Generationengerechtigkeit Rechnung tragen.
"Jede Generation muss ihren Beitrag leisten"
Die mittlere Generation: Kristina Frank, Stadträtin und Richterin, 35 J.:
Der deutsche Sozialstaat ist eine der größten gesellschaftlichen Errungenschaften in der Geschichte der BRD. Dauerhaft niedrige Geburtenraten und eine längere Lebenserwartung verändern die Altersstruktur unserer Gesellschaft. Der demographischen Wandel stellt uns vor enorme Herausforderungen. Seine Folgen werden besonders im Renten-, Gesundheits- und Pflegebereich spürbar sein.
Beim Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung gilt der ungeschriebene Generationenvertrag: Leistungen für Ältere werden zum Großteil durch Einzahlungen der Jüngeren finanziert. Dieses gesellschaftliche Abkommen ist nur gerecht und langfristig tragfähig, wenn es für alle Beteiligten ausgeglichen ist. Die Folgen der demographischen Veränderung dürfen weder einseitig zu Lasten der Rentner noch der Beitragszahler gehen. Ansonsten ist der Generationenkonflikt vorprogrammiert. Es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jede Generation muss ihren Beitrag leisten. Ein auskömmliches Einkommen im Ruhestand muss erreichbar sein. Hierzu wird auch in Zukunft neben der gesetzlichen Rente privat und betrieblich vorzusorgen sein.
Um einen leistungsfähigen Sozialstaat zu erhalten, müssen Reformen, wie z.B. die Errichtung von flexiblen, auf die jeweiligen Lebensentwürfe anpassbaren Vorsorgesystemen, umgesetzt werden. Die Ein- und Auszahlungszeiten müssen an die demographische Realität, die veränderte Lebens- und Lebensarbeitszeit angepasst werden, damit Generationengerechtigkeit und damit Harmonie zwischen den Generationen bestehen bleibt.
"Meine Generation investiert wenig"
Die junge Generation: Julian Zuber, Doktorand an der Hertie School of Governance, 29 J.:
Offen gesagt: Weder kenne ich mit dem Thema Rente gut aus, noch steht es derzeit ganz oben auf der eigenen Agenda. Vermutlich bin ich damit jedoch recht guter Durchschnitt meiner Generation. So kommt es nicht überraschend, dass die „Generation Schengen“ – mein bevorzugtes Generationen-Label – unterdurchschnittlich wenig in die eigene Altersvorsorge investiert, obwohl wir uns der Lücken des Rentensystems bewusst sind.
Viel gäbe es zu sagen, ich möchte in aller Kürze zwei Aspekte herausgreifen: Zunächst ist der Anspruch meiner Generation an das eigene Arbeitsleben gestiegen. Wir wünschen uns mehr Sinn, mehr Abwechslung und einen guten Umgang im Job. Dafür sind wir eher bereit, auch finanzielle Abstriche zu machen. Einfach gesagt: Wenn der Beruf als Teil guter Lebensführung betrachtet wird, ist die Idee von Teilzeit im Alter weniger abschreckend und hilft vielleicht sogar beim Jungbleiben. Technologischer Fortschritt wird hier auch seinen Beitrag leisten, dass so richtig langweilige Berufe der Vergangenheit angehören werden.
Desweiteren bejahen viele von uns zunehmend eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit, die auch als Streckung der Lebensarbeitszeit auf das ganze Leben verstanden werden kann. Somit werden sich längere Arbeits- und Ruhephasen stärker über das Leben verteilen. Natürlich soll damit nicht die Gefahr von Altersarmut kleingeredet werden, aber diese Trends ermöglichen einen seichten Einblick in die veränderte Denke meiner Generation zu Rentenfragen.
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