"Ohne den Tod wäre das Leben wertlos"
Nehmen wir unser unausweichlich bevorstehendes Ende an?
Jeden kann er jederzeit treffen: der Tod. Und trotzdem hat er kaum Platz in unserem Leben, in unserem Alltag. Machen sich Junge darüber Gedanken? Gehen Alte ihrem Tod gelassener entgegen? Wer bereitet sich mit Patientenverfügung, Organspendeausweis etc. auf den unausweichlichen Tod vor? Früher wurden Verstorbene zuhause aufgebahrt, man nahm sich Zeit zum Verabschieden. Heute haben viele 50-Jährige noch nie einen toten Menschen gesehen. Haben wir heute mehr Angst vor dem Sterben, weil wir den Tod aus unserem Bewusstsein verdrängen und nicht mehr wissen, was mit einem sterbenden Menschen passiert? Und was passiert eigentlich nach dem Tod? War es das oder geht es irgendwo irgendwie weiter?
"Wir gehen ins Nichts"
Die alte Generation: Senek Rosenblum, Autor, 80 J.:
Ich habe den ersten Toten mit vier Jahren gesehen und ihm selbst schon so oft ins Auge geschaut, vor allem in meiner Kindheit. Ich gehe erstaunlich gelassen damit um. Jetzt bin ich fast 81 Jahre. Das Ende naht. Ich spüre es nicht unmittelbar, aber in einem längeren Spektrum ist es unwiderruflich. Manchmal komme ich mir vor wie der letzte Waggon eines Zuges, der während der Fahrt abgekoppelt wird. Ich bin nicht mehr so lebensbejahend in dem Sinne, dass ich alles mitmachen muss.
An ein Leben nach dem Tod glaube ich auf keinen Fall. Wir kommen aus dem Nichts und wir gehen ins Nichts. Gott war einfach die leichtere Antwort, alles zu erklären, auch die Theorie vom Jenseits. Aber es gibt ihn nicht.
Den elemantaren Vorgang unseres Daseins und das Ende verstehen wir nicht. Vor zehn Jahren hatte ich eine schwere Operation. Ich wünsche mir meinen Tod so wie dieses Einschlafen bei der Narkose. Ein Rübergleiten ohne Schmerz wäre das Schönste für mich. Das wäre mein Ding, von dieser Welt zu gehen. Das Leben, das wir heute praktizieren, verdrängt den Tod. Wir sind so durchtechnisiert und durchorganisiert. Mit dem Toten als solchen haben wir erst in der allerletzten Sekunde zu tun. Es ist fast wie eine industrielle Entsorgung.
"Das Ausklammern schürt Ängste"
Die mittlere Generation: Conny Pagel, Vorsitzende des Vereins "Schneekönige e.V.", 32 J.:
Ich glaube, in jungen Jahren verdrängt man Gedanken an den Tod am liebsten komplett. Eine bewusste Auseinandersetzung findet oft erst statt, wenn man das erste Mal selbst erlebt, wie ein geliebter Mensch im eigenen Umkreis stirbt. Ich denke, das liegt vor allem an unserer Gesellschaft, in der das Thema Sterben leider oft immer noch ein Tabuthema ist. Auch in meinem Freundeskreis stelle ich immer wieder fest, dass viele den Tod aus ihrem Bewusstsein verdrängen. Aber ich glaube, dass genau das Ausklammern dieses Themas Unsicherheiten und Ängste umso mehr schürt.
Meiner Meinung nach sollte sich jeder bereits sehr früh mit dem Tod als zentralem Bestandteil unseres Lebens auseinandersetzen. Meine Eltern schenkten mir schon als Jugendliche das Buch „Oscar et la dame rose“ von E. Schmitt – eine anrührende Geschichte über einen todkranken Jungen, die mir persönlich sehr dabei geholfen hat, offen und unerschrocken über das Thema Sterben zu sprechen.
Ich glaube, dass wir das eigene Leben auch erst dann in vollen Zügen genießen können, wenn wir uns unseren Ängsten stellen. Dazu gehört für mich auch, sich schon in jungen Jahren ganz bewusst mit Formalitäten wie einer Patientenverfügung oder einem Organspendeausweis zu befassen. Dadurch entlasten wir nicht nur unsere Angehörigen, sondern nutzen gleichzeitig die Chance, unser Leben bis zum Ende selbst gestalten zu können. Erst wenn wir den Tod als unausweichliches Ende akzeptieren, lernen wir den Wert des eigenen Lebens richtig zu schätzen.
"Das Leben ist vergänglich"
Die junge Generation: Schüler von Religionslehrer Christoph Ackermann aus der 10. Klasse am Gymnasium Fürstenried:
Michael und Richard, 16 und 14 J.:
Es ist besser, plötzlich zu sterben, als wenn man es schon vorher weiß! Ohne den Tod wäre das Leben wertlos.
Susanna, Luna und Jenny, alle 15 J.:
Ein guter Tod ist zuhause bei Verwandten. Wenn ein Abschied möglich ist, dann sollte er gut sein, damit man den Angehörigen gut in Erinnerung bleibt. Abschied ist für die Angehörigen wichtig, um besser damit umgehen zu können. Egal, ob von dem Lebendem oder dem Körper des Verstorbenen. Man lernt das Leben zu genießen und es als kostbar zu empfinden. Man hat Respekt vor allen, die schon ein gutes Leben geführt haben.
Alexander, 15 J.:
Ein guter Tod ist, wenn man alles im Leben geschafft hat, was man wollte und sich von seinem Umfeld verabschieden konnte.
Valentin, 17 J.:
Der Tod ist das Ende des jetzigen Lebens und der Beginn von etwas Neuem. Der Tod ist gut, wenn man alles gemacht hat, was man im Leben erreichen wollte und sich von seinem Umfeld verabschiedet hat.
Julia, 15 J.:
Ich denke realistisch über den Tod. Es ist ein menschlicher Vorgang. Ich weiß selbst nicht sehr viel über den Tod, deshalb könnte sich meine Meinung auch schnell ändern, aber ich kenne viele Menschen, die Angst vor den Schmerzen haben. Ich habe nur Angst, zu wenig davor erlebt zu haben und meine Familie und Freunde zurückzulassen.
Simon und Maxi, 15 und 16 J.:
Ohne Tod gibt es kein Leben. Das Leben hat nicht den gleichen Wert ohne Tod. Das irdische Leben ist die Vorbereitung auf das ,Leben' nach dem Tod. Der Tod ist unausweichlich.
Laura, 15 J.:
Tod ist immer traurig. Manchmal ist es besonders tragisch, wenn jemand, der sehr jung war, stirbt oder wenn jemand (durch etwas / jemanden) einfach aus dem Leben gerissen wird. Allerdings kann z.B. nach langer Krankheit der Tod eine Erlösung sein. Das heißt aber nicht, dass er weniger traurig ist. Für mich spielt der Körper nach dem Tod keine Rolle mehr, er ist die Sache der Lebenden. Er hilft ihnen mit dem Tod fertigzuwerden. Dabei sollte für die Welt der Lebenden die Erinnerung wichtig sein. Was jemand getan hat, wie und wer er war. Dabei sollte man v.a. das Positive in Erinnerung behalten, denn einen Toten sollte man nicht verurteilen. Daher gefallen mir Einäscherung und Seebestattung sehr gut. Ich glaube, dass Tote irgendwo weiterleben. Das beschränkt sich nicht nur auf Menschen. Jedoch fühlt sich jede genaue Vorstellung des ,Paradieses' falsch an. Ich glaube, dass jede weltliche Vorstellung nicht an es rankommt. Es wurde schließlich von Gott geschaffen.
Claudia und Anna, 15 und 16 J.:
Tod gehört genauso zum Leben wie das Leben selbst. Die Hoffnung besteht darin, dass das Leben bis zum Tod genutzt wurde. Den Tod als gut oder nicht gut zu beurteilen, ist gleichgültig. Das Leben ist vergänglich.
Jakob, 16 J.:
Ein guter Tod ist, wenn es schnell vorbei ist. Gibt es Hoffnung über den Tod hinaus? Meiner Meinung nach nicht. Man hat ein Leben von Anfang bis Ende. Man sollte es ausnutzen.
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