„Bleiben Sie neugierig, gierig aufs Neue!“
Reparieren oder wegwerfen: Wie gehen wir mit "unseren Dingen" um?
Wir sind in unserem beruflichen und familiären Alltag umgeben von hochtechnisierten Dingen. Und wir sind gewohnt, dass die Dinge auf Knopfdruck funktionieren. Eine Alltagsorganisation ohne Auto, Computer und Smartphone? Ohne Waschmaschine und Geschirrspüler? Ohne Smart-Fernseher hoffentlich mit Internetzugang? "Niemals!" denken wir. Doch wehe, die Dinge geben ihren Geist auf. Dann stehen wir vor der Frage: Reparieren? Lohnt sich das? Ist die Ersatzbatterie nicht viel teurer als ein neues Ding? Und wo gibt es die denn überhaupt? Also lieber gleich weg mit dem Krempel zum Wertstoffhof?
Unsere Konsumgesellschaft ermöglicht es uns, dass wir Dinge ohne großes Nachdenken ersetzen können. Natürlich ärgern wir uns, wenn Großgeräte genau dann kaputt gehen, wenn die Garantiezeit abgelaufen ist. Oder wenn sich Gebrauchsgegenstände als billiger Schrott entpuppen. Doch selten investieren wir wirklich Mühe, Zeit und Gedanken, um aus den Wracks wieder funktionierende Dinge zu machen. Oft wissen wir auch gar nicht mehr, wie „Reparatur“ überhaupt geht.
Die gerade allerorts durchgeführten Repair-Cafés bringen genau solch ein verschüttetes Knowhow wieder ans Licht. Hier machen sich ehrenamtliche Bastler die Mühe, kaputte Dinge wieder zum Laufen zu bringen. Die enorme Nachfrage nach den Repair-Cafés zeigt das allgemeine Bedürfnis, nicht immer gleich alles wegwerfen zu müssen. Aber es zeigt sich auch, dass zum Reparieren viel mehr als Fingerfertigkeit gehört. Man muss geduldig sein, das Warum und das Wie erfahren wollen und die Dinge achten und schätzen. Im besten Fall hat man solch einen Umgang mit den Alltagsdingen Zuhause gelernt. So wie früher. Es scheint also bei der Frage „Reparieren oder wegwerfen?“ tatsächlich früher alles besser gewesen zu sein.
„Das gibt ein unvergleichliches Hochgefühl!“
Die alte Generation: Horst F. Wagner, pensionierter Ingenieur, 78 J.:
So viel ich kann, repariere ich selber, und zwar seit Kindheit an. Zum einen spart das viel Geld. Ich ärgere mich einfach über die „Abzockfalle“, wenn Geräte genau nach Ablauf der Garantie kaputt gehen oder die Servicebetriebe schon mal beim Kostenvoranschlag kräftig zulangen. Ganz zu schweigen von den immens teuren Reparaturen, das muss wirklich selten sein.
Nein, weit mehr! Ich bin einfach neugierig darauf, wie die Dinge funktionieren und freue mich, wenn ich sie verstehe und kaputte Dinge wieder in Gang bringen kann. Das gibt ein unvergleichliches Hochgefühl! Deswegen bin ich wahrscheinlich auch Elektriker geworden und habe später Ingenieurwesen studiert. Einer meiner Professoren meinte immer: „Bleiben Sie neugierig, gierig aufs Neue! Lernen Sie Ihr ganzes Leben lang dazu. Dann tun Sie auch Ihren Gehirnzellen etwas Gutes und Sie bleiben bis ins hohe Alter zumindest geistig fit."
Besser kann man es nicht ausdrücken. Ich glaube, wir alle sollten viel mehr neugierig sein. Diese Haltung möchte ich gerne auch meinen Enkeln weitergeben. Auch die sind zum Glück neugierig auf Neues, auf das neueste Handy und das neueste Computerspiel. Allerdings wollen sie immer wissen, wie es funktioniert, und fragen selten nach dem Warum. Das vermisse ich oft bei der jungen Generation.
Mit der Reparatur moderner Geräte verhält es sich übrigens etwas komplizierter. Manchmal liegt die Herausforderung eher darin, die Geräte zu öffnen, als dann später den Fehler zu finden. Oder nehmen wir die verschweißten Plastikgehäuse – wenn da eine Delle oder ein Sprung drin sind, kann man es nicht mehr richten. Auch bei Handys streiche ich die Segel. Ein Handy ist wie eine Black-Box und hat einfach zu funktionieren. Schade! Da kann man nicht mal mehr etwas lernen.
„Ich wünsche mir mehr Achtsamkeit“
Die mittlere Generation: Beate Blaut, Sozialpädagogin, 41 J.:
Wenn ich vor der Frage stehe, etwas zu reparieren oder wegzuwerfen, dann entscheide ich mich prinzipiell für ersteres. Allerdings würde ich sehr gern mehr selbst reparieren, habe aber oft das Knowhow nicht. Leider. Gerade bei elektrischen Geräten bin ich vorsichtig, selbst am Fahrrad weiß ich oft nicht weiter. Das ist schade. Deswegen muss ich von Fall zu Fall abwägen, ob sich eine Reparatur beim Fachmann rentiert oder ob ich nicht doch ein neues Gerät kaufe. Auf alle Fälle bin ich achtsam mit den Dingen. Das möchte ich auch meinen Kindern beibringen. Sie sollen sich einen vorsichtigen Umgang mit allen Alltagsdingen angewöhnen. Wenn Spielzeug oder andere Sachen im Kinderzimmer kaputt sind, schauen wir gemeinsam, was sich machen lässt. Ich bin dagegen, immer schnell alles sofort zu ersetzen.
Deswegen ärgert es mich, wenn Hersteller die „Endzeiten“ ihrer Geräte schon von vornherein einplanen. Es ist doch wirklich seltsam, dass die Dinge immer kaputtgehen, wenn die Garantie gerade abgelaufen ist. Und es ist unnötig. Ich habe zum Beispiel eine Bügelmaschine bei mir zu Hause, die ist älter als ich und funktioniert nach wie vor einwandfrei. Wenn Hersteller also wirklich nachhaltig und achtsam produzieren würden, könnten sie es auch. Davon bin ich überzeugt. Ich wünsche mir generell mehr Achtsamkeit sowohl bei den Herstellern als auch bei den Leuten. Wegwerfen muss eben oft nicht sein. Deswegen finde ich die Idee der Repair-Cafés toll. Ich würde selbst gern eins in unserem Pasinger Alten- und Service-Zentrum initiieren, vielleicht sogar eins mit einem integrierten „Selbsthilfe-Kurs“. Da wäre ich sofort Teilnehmer.
„Bei uns liegt das Tüfteln in der Luft“
Die junge Generation: Simon Miller, Schüler, 17 J.:
Bei uns in der Familie wird sehr viel repariert, ganz egal ob das Bügeleisen kaputt ist, ein Stuhl zerbrochen oder am Fahrrad etwas nicht geht. Klar schauen wir auch, ob sich eine Reparatur überhaupt rentiert. Aber meistens braucht man nur eine Kleinigkeit richten und schon ist wieder alles paletti. Das ist erstaunlich. Auch als ich klein war und irgendwelches Spielzeug mal nicht mehr ging, haben wir immer nachgeschaut, ob wir etwas richten können, bevor wir es tatsächlich weggeworfen haben.
Mein Großvater ist Elektriker, mein Vater ist Ingenieur – bei uns liegt das Tüfteln sozusagen in der Luft. Das hat mich geprägt. Ich schaue immer zuerst selbst nach, warum etwas nicht funktioniert. Meist wende ich mich an die beiden, wenn ich Hilfe beim Reparieren benötige. Ich denke, bei meinem Großvater ist das einfach Prägung aus seiner Kindheit, als man auf dem Bauernhof einfach auf sich gestellt war und nicht gleich Ersatz in irgendwelchen Geschäften gefunden hat. Man war früher viel sorgfältiger und achtsamer mit den Dingen und viel sparsamer. Das ist heute leider nicht mehr so. Das wünschte ich mir eigentlich.
Selbermachen und verstehen - das macht auch irgendwie happy. Meinen Computer zum Beispiel habe ich mit einem Freund selbst zusammengebaut. Alle Einzelteile von der Graphikkarte bis zu den Speichern haben wir uns zusammengesucht und später den passenden Lüfter und das passende Gehäuse zusammengesucht. Jetzt haben wir beide Computer, die genau das machen, was wir wollen. Und falls wirklich mal etwas nicht funktioniert, wissen wir, welches Teil das sein könnte und wo wir das eingebaut haben. Das ist so genial!
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