"Alles kann, nichts muss"
Sind die neuen Kommunikationsmittel eher Fluch oder Segen?
Wir leben in einer digitalen Welt und die hat unsere Kommunikation stark verändert. Wir sind ständig erreichbar und das rund um die Uhr und rund um die Welt. Innerhalb von Sekunden kommen unsere Mitteilungen bei ihren Empfängern an. Das geht schnell und ist unverbindlich. Vor einigen Jahrzehnten wurden die Briefe noch per Hand geschrieben. Heute kommen Emails und kaum jemand macht sich die Mühe, sie fehlerfrei abzuschicken, obwohl es dank der Korrekturtasten doch so einfach wäre. Oberflächlicher sind die Kontakte geworden, dafür vielfältiger.
„Digital Natives“ nennt man die Generation, die mit Smartphone und Co. aufgewachsen ist und die sich ein Leben ohne ständige Verfügbarkeit nicht mehr vorstellen kann. Schließlich hat die digitale Kommunikation viele Vorteile. Auch weit entfernte Familienangehörige können sich dank WhatsApp, Facebook und wie die Dienste alle heißen, vernetzen und in Kontakt bleiben. Die große Welt kann auf dem kleinen Display eines Smartphones in jede Wohnung geholt werden. Das erweitert den Horizont, ohne dass man je einen Fuß über eine Grenze hat setzen müssen. Aber die Kommunikation hat ihre Schattenseiten. In der Anonymität des Netzes lässt sich trefflich hetzen. Beleidigungen und Hassparolen nehmen überhand. Jeder sucht sich im weltweiten Netz die Wahrheiten, die ihm gefallen – alles andere wird weggeklickt. Zwar ist es vor allem die junge Generation, die ständig online ist, aber das Rad der Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen und auch die Alten haben die neuen Medien längst für sich entdeckt. Wichtig ist, die Möglichkeiten der neuen Medien mit Sinn und Verstand anzuwenden. Denn in unserer Gesellschaft zählt heute Medienkompetenz zu den Schlüsselqualifikationen.
"Nicht zum Sklaven der Medien machen lassen"
Die alte Generation: Irmgard Köhler-Langewiesche, Journalistin, 86 J.:
Kaum etwas hat sich in den letzten Jahrzehnten so sehr geändert wie die Formen der Kommunikation. Als ich 1978 bei der Süddeutschen Zeitung in Fürstenfeldbruck anfing zu arbeiten, gab es nur mechanische Schreibmaschinen. Für den Kontakt zur Zentrale nach München wurde der Fernschreiber benutzt, Fotos mussten von Boten in die Hauptredaktion transportiert werden. Nach und nach kamen elektrische Schreibmaschinen, Faxgeräte und schließlich Computer. Mit den digitalen Fotos verschwanden auch die Labors der Fotografen. Dem alten Handy folgte das Smartphone mit WhatsApp, Twitter & Co. Der Brief wurde weitgehend von der Email abgelöst. Per Skype kann man den persönlichen Kontakt über weite Entfernungen pflegen.
Ich persönlich finde das gut, wenn man sich nicht zum Sklaven der neuen Medien machen lässt. Ich erfahre von meinen Kindern und Enkeln schnell und unkompliziert wie es ihnen geht. Ich bin täglich auf Facebook, kann auch mit Freunden Text und Fotos austauschen, Fehler werden im Nu repariert und müssen nicht mehr wie früher mühsam ausradiert werden. Freilich will - wie alles im Leben - auch der Umgang mit den neuen Möglichkeiten gelernt sein. Ich bin sehr froh, dass ich kluge Enkel in der Nähe habe, die bei Problemen rasche Hilfe bringen.
"Persönliches Gespräch ist die interessanteste Kommunikation"
Die mittlere Generation: Sandra Pabst, Geschäftsführerin, 43 J.:
Die Kommunikation hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren sehr verändert. Ich habe Freunde, die nur noch über WhatsApp erreichbar sind. Oft bin ich versucht, unangenehme Dinge wie Absagen zu Einladungen oder Ähnliches eher über Email zu klären und den persönlichen Kontakt zu meiden. Das ist heute einfacher geworden. Ansonsten stelle ich fest, dass man beim Hin- und Herschreiben auf WhatsApp beispielsweise manchmal die Aussage gar nicht emotional deuten kann und es dadurch zu Missverständnissen kommen kann.
Außerdem ist, wie ich finde, eine schriftliche Unterhaltung sehr mühsam und langwierig. Ich schreibe Kurzmitteilungen meistens, wenn ich nur schnell Fragen klären will, oder wenn ich weiß, dass ich die Person gerade nicht erreichen kann, sie aber schon einmal über etwas informieren möchte. Da nutze ich auch gerne Chatgruppen, wenn die auch von den anderen Teilnehmern sinnvoll genutzt werden.
Erschreckend finde ich den Umgangston auf Facebook. Wie respektlos viele Menschen da in der Anonymität des Internets plötzlich werden können, erstaunt mich immer wieder. Ich denke, dass jeder seine persönliche Meinung äußern kann, ohne andere zu beleidigen oder anzugreifen. Das persönliche Gespräch ist mir immer noch am liebsten, da es durch die Körpersprache die intensivste und interessanteste Kommunikation für mich ist.
"Erreichbarkeit ist eine große Chance"
Die junge Generation: Julia Weinzierler, Studentin, 20 J.:
Ich selbst bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es zur Normalität gehört, immer erreichbar zu sein. Daher kann ich nur von diesem Blickpunkt aus sprechen. Ein Tag ohne digitale Kommunikation ist heute kaum denkbar. Auch wenn man alleine zu Hause ist, sind die einzigen kommunikationsfreien Stunden wohl die der Nacht. Dementsprechend ist mein Gegenüber also informierter – und dies viel kleinteiliger als es früher möglich war.
In dieser Erreichbarkeit sehe ich aber eine große Chance: Im Studium, am Arbeitsplatz und im zwischenmenschlichen Bereich kann man effizient und zeitnah kommunizieren, diskutieren, Dinge umsetzen und planen. Dementsprechend nehme ich Kommunikation heute nicht als oberflächlich wahr, ich glaube sogar, dass sie oft tiefer ins Detail geht. Was mir gerade auf der Zunge liegt, kann ich sofort mitteilen und während früher Dinge nur innerhalb zeitlich begrenzter Meetings geklärt werden mussten, können Mitarbeiter heute durchgehend einbezogen werden.Leider ist zu beobachten, dass Umgangsformen und die Sprache unter diesem Effizienzaspekt leiden.
Für mich gilt aber, dass kommunikatives Handeln das ist, was man daraus macht. Solange ich den Ton wahre und mich meinen Standards gemäß verhalte, ist auch mein Gegenüber dazu bereit. Und wenn ich mal nicht erreichbar sein möchte, schalte ich die Geräte ab. Digitale Kommunikation heißt für mich nämlich auch: Alles kann, nichts muss.
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