"Wir müssen unsere Fachkräfte selbst ausbilden"
Betriebe schließen Lücken mit Flüchtlingen: Was funktioniert? Wo sind die Hürden?
Kann man Flüchtlinge in Betriebe und Arbeitsprozesse integrieren? Ja: Sieben Unternehmer des Münchner Bauforums zeigten Praxisbeispiele gelungener Anstellungsverhältnisse. Damit will die Gemeinschaft der Unternehmer rund um das Bauwesen zeigen, wie es gelingen kann, Flüchtlinge einzubinden. Gleichzeitig wurde in den Praxisbeispielen deutlich, wo für kleine bis mittelständische Unternehmen die Herausforderungen bei der Beschäftigung von Flüchtlingen liegen. Zugleich stellte die Geschäftsführerin des Münchner Flüchtlingsrats, Rebecca Kilian-Mason Integrationsmöglichkeiten von Flüchtlingen in den Arbeitsprozess vor.
Grundsätzliche Fähigkeiten werden vorausgesetzt
Die Veranstaltung soll einerseits anderen Unternehmen Mut machen, Flüchtlinge zu beschäftigen. Andererseits sollen die Integrationsbeispiele ein Signal an die Politik senden, wo organisatorischer Handlungsbedarf notwendig ist. Der Abend ist aber auch ein Signal an die Flüchtlinge: Die Unternehmen benötigen dringend Arbeitskräfte, allerdings müssen die Arbeitnehmer verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Während fehlende fachliche Kenntnisse von den Betrieben in Kauf genommen und durch Aus- und Lernverfahren kompensiert werden, werden Fleiß, Pünktlichkeit und rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache vorausgesetzt. Von den 53 Unternehmen, die im Münchner Bauforum organisiert sind, beschäftigen derzeit sieben Betriebe insgesamt elf Flüchtlinge. Die Herkunftsländer der Flüchtlinge sind: Eritrea, Somalia, Gambia, Senegal, Afghanistan und Syrien. Angestellt sind die Flüchtlinge als Praktikanten, Auszubildende und festangestellte Fachkräfte.
"Sie lernen sehr schnell"
Die Sandstrahlerei Bräuer aus Gilching beschäftigt zwei fest angestellte Fachkräfte aus Eritrea und Afghanistan. Vor der Anstellung der beiden Flüchtlinge suchte das Unternehmen dringend Arbeitskräfte. Auf Vermittlung eines Asyl-Helferkreises fand der Technische Leiter, Andreas Bräuer, die neuen Arbeiter, Halib und Halem. Die Beurteilung der Arbeitsleistung fällt seitens des Unternehmens positiv aus: „Beide Flüchtlinge sind sehr fleißig und lernten die Anforderungen sehr schnell. Innerhalb von drei Monaten eigneten sie sich Fähigkeiten an, für die andere oft ein ganzes Jahr brauchen“, so Andreas Bräuer.
Die Motivation, das Anstellungsexperiment mit den Flüchtlingen zu wagen, entstand aus dem Mangel an geeigneten Fachkräften: „Der Arbeitsmarkt bietet in unserer Branche zur Zeit keine geeigneten Fachkräfte. Deshalb versuchen wir, auch als kleines Unternehmen, unsere Fachkräfte selbst auszubilden. Im Mittelpunkt stehen dabei immer unternehmerische Überlegungen, weil es für den Betrieb natürlich ein Risiko und Kosten bedeutet, die in die Arbeitskraft investiert werden müssen. Die Erfolgsquote, die wir brauchen, damit sich dieses Risiko lohnt, lag in unserem Fall bei Flüchtlingen deutlich höher“, so Bräuer.
Die größten Hürden liegen bei den Behörden
Nichtsdestotrotz stand der Betrieb bei der Integration auch vor Herausforderungen. Sprachprobleme und traumatische Erlebnisse der neuen Mitarbeiter ließen sich durch den persönlichen Einsatz innerhalb des Betriebs lösen. Das Üben der deutschen Sprache und private Gespräche sind mittlerweile zum Betriebsalltag geworden.
Die strukturellen Herausforderungen waren für den Betrieb die größere Belastung: Die langsamen Verfahren der Behörden, die mangelnde und unzuverlässige Information in den Ämtern sowohl beim Arbeitsamt als auch seitens der Staatsregierung schienen kaum zu überwinden. „Für einen Betrieb ist fehlende Planungssicherheit eine Katastrophe“, sagt der technische Leiter der Sandstrahlerei Bräuer. „Ohne die Unterstützung ehrenamtlicher Institutionen wie dem Helferkreis wären wir nicht weitergekommen“, bedauert Bräuer.
Eine weitere Herausforderung war die Suche einer Unterkunft für seine Mitarbeiter. Nachdem die beiden Flüchtlinge in einem Angestelltenverhältnis waren, verloren sie das Bleiberecht in ihrer alten Unterkunft. „Beide hatten auf einmal kein Dach mehr über dem Kopf. Zufällig fand ich heraus, dass sie mehrere Tage um die Weihnachtszeit unter einer Brücke schliefen, weil sie keine Wohnung bekamen. Dann haben wir sofort gemeinsam eine Bleibe gesucht. Was aber nicht so einfach war. Wenn ein Vermieter die Wahl hat zwischen beispielsweise einem Referendar im Lehramt und einem Flüchtling, entscheidet er sich immer gegen den Flüchtling. Erst über persönliche Kontakte und der Versicherung, dass beide bei mir angestellt bleiben, konnten wir eine Wohnung finden.“
Betriebe brauchen schnelle und verlässliche Verfahren
„Damit die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt funktioniert, müssen die Behörden die Unternehmen bei der Bewältigung der Herausforderungen unterstützen“, so das Fazit des Münchner Bauforums. Für die integrative Arbeit, die die Betriebe leisten, brauchen die Unternehmen schnelle, verlässliche und unbürokratische Verfahren. Die Betriebe und Flüchtlinge brauchen weiterhin Unterstützung bei der Erlernung der deutschen Sprache und bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft. Der Prozess der Integration darf nicht allein auf den Schultern ehrenamtlicher Institutionen oder betrieblicher Anstrengung beruhen. „Wenn der organisatorische Part gelingt, ist die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ein großer Gewinn für die Flüchtlinge, die Betriebe und die Gesellschaft im Ganzen.“, so Andreas Bräuer.
Was macht das Bauforum?
Seit fünf Jahren bündelt der Verein Münchner Bauforum Experten aus jeder Branche rund um den Bau als kompetente Ansprechpartner unter einem Dach. Der Verein dient dabei der Privatperson als Vermittler von qualifizierten Handwerksbetrieben, kompetenten Planern und zuverlässigen Dienstleistern bei Bauleistungen. Das Münchner Bauforum ist jedoch nicht nur ein außergewöhnliches Netzwerk an unterschiedlichen Unternehmen. Die Mitglieder befassen sich auch mit aktuellen Themen und Problematiken, wie beispielsweise aktuell mit der Integration von Flüchtlingen.
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