Neue Technik erschwert das Ehrenamt
Stadt lässt Bürgergremien künftig weniger Entscheidungszeit

Hinter "Vorgang 20-26 / T 040499" verbirgt sich die Hochhausstudie der Stadt. Sie umfasst 106 Seiten und ist Grundlage für eine Weichenstellung, die das Bild unserer Stadt für die nächsten Generationen bestimmt. Die Bezirksausschüsse werden zu "Vorgang 20-26 / T 040499" angehört. Um sich eine fundierte Meinung bilden zu können, muss man diese 106 Seiten lesen und durcharbeiten. Dazu braucht man - neben Berufstätigkeit und Familie - Zeit. (Foto: red)
Die Stadt passt die Dokumentenverwaltung der Bezirksausschüsse an die des Stadtrats an und stellt das entsprechende Onlinesystem um. Juristisch sei das neue Verfahren (mit "RIS-Extranet") zwar nicht fehlerhaft, der ehrenamtlichen Arbeit sei es allerdings "nicht zuträglich", meinte Ludwig Weidinger. Er ist Vorsitzender des Bezirksausschusses im Münchner Süden (BA 19).
Die Mitglieder dieses Bürgergremiums sind allesamt ehrenamtlich tätig. Sie nehmen mit ihrem Wissen um die Dinge im Viertel Stellung zu eben diesen, ehe der Stadtrat darüber "aus der Ferne" entscheidet - z.B. über Bauvorhaben, Denkmalschutz, Baumfällungen oder Verkehrsregelungen.
Um solche Stellungnahmen fair und fachkundig abzugeben, nehmen sich die BA-Mitglieder (von denen viele berufstätig sind und das Mandat in ihrer Freizeit ausüben) gerne die nötige Zeit. Häufig sehen sie sich die Stellen im Viertel, um die es geht, selbst vor Ort an, um sich eine "belastbare" Meinung zu bilden und eine für die Bürger sinnvolle Entscheidung treffen zu können.
Steine in den Weg legen
Die Stadt macht ihnen diesen Einsatz künftig erheblich schwerer und legt ihnen mit ihrem neuen Verwaltungssystem große Steine in den Weg. Bisher konnten BA-Mitglieder auf Dokumente zugreifen, sobald diese in der BA-Geschäftsstelle verfügbar waren. Viele Mitglieder haben dies genutzt, um sich frühzeitig in die Thematik einzuarbeiten und die konkrete Situation vor Ort zu begutachten.
Künftig wird der Zugriff auf die nötigen Unterlagen aber erst mit Versand der Tagesordnung zur nächsten BA-Sitzung möglich sein - und das muss erst drei Tage vor dieser Sitzung passieren.
"Vorbereitung wird fast unmöglich"
"Dies mag zwar rechtlich korrekt sein, schränkt das ehrenamtliche Engagement aber erheblich ein", bedauert der Bezirksausschuss 19, "eine Vorbereitung zu den wichtigen Sitzungen der Unterausschüsse wird dadurch fast unmöglich."
Dabei weiß der Stadtrat eigentlich selbst, dass BA-Mitglieder mehr Zeit brauchen, um sich mit Angelegenheiten ihres Viertels zu befassen: "Vorlagen und andere als Grundlage für die Beratung und die Entscheidung dienende Unterlagen sind allen Bezirksausschussmitgliedern möglichst 15 volle Kalendertage vor der Sitzung zu übermitteln", hat der Stadtrat in die Geschäftsordnung für die Bezirksausschüsse geschrieben.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH