"Musik ist eine Sprache, die aus dem Herzen kommt und keine Sprachbarrieren kennt"
Hilft Musik im Leben weiter? Vier Festival-Pianisten antworten
Wenn sich vier Pianisten aus dem traditionellen Jazz zum gemeinsamen Musizieren treffen, dann geht es auf der Bühne rund. Zwei Flügel. Und sonst nichts. Das ist musikalische Handwerkskunst, die das dritte Münchner Pianistenfestival im Künstlerhaus am Lenbachplatz zu einer ganz besonderen Veranstaltung macht. Das Festival findet am Donnerstag, 10. August, ab 20.30 Uhr statt.
Jeder der Pianisten - Christian Christl, Christian Willisohn, Michael Hortig und Axel Zwingenberger - ist in einem anderen Stil zu Hause. Und trotzdem können sie miteinander an zweimal 88 Tasten ein Feuerwerk entzaubern.
Natürlich werden sich die einzelnen Pianisten solistisch präsentieren. Das Hauptaugenmerk beim Festival aber liegt darauf, dass die zwei Flügel ausgiebig genutzt werden und dass hier Musiker spontan und ohne Probe miteinander spielen.
Festsaal-Tickets kosten 35 Euro (für Bayoogie-Club-Mitglieder 24 Euro). Karten gibt es in den Büros der Münchner Wochenanzeiger (Fürstenrieder Straße 9 und Luise-Kiesselbach-Platz 31) und bei München Ticket (Tel. 089 / 54818181, www.muenchenticket.de).
Welches Stück spielen Sie am liebsten?
Das Samstagsblatt hat die Musiker nach ihrem Lieblingsstück gefragt: Welches spielen sie am liebsten und warum liegt ihnen dieses Musik so am Herzen?
"Die Stimmung macht es aus"
Michael Hortig: Mein Lieblingsstück ist "So blue", ein Stück, wie es die frühen Bluespianisten zumeist am Schluss gespielt haben, wenn die Gäste gegangen sind und sie noch eine Nummer ganz für sich gespielt haben. Diese Nummern sind technisch gesehen total einfach, sind aber sehr melodisch und haben soviel Gefühl, dass man selbst darin versinkt, und genau da liegt das, was man "Blues" nennt, ob heiter oder traurig, die Stimmung macht ihn aus. Gerade diese schöne und frühe Art des Bluespianos ist es, die in den frühen 1920ern die Grundlage des später so erfolgreichen Boogie-Woogie-Stils gewesen ist. Diese Art von Musik wurde von Leuten gespielt, von denen man heute nicht einmal den wahren Namen kennt, sondern die nur als "Toothpick", "Peg Leg Will" oder "Dad" in die Bluesgeschichte eingegangen sind. Mit dem Beginn des elektrifizierten Blues ist diese Musik verschwunden, in den 60er Jahren gab es vereinzelt noch Aufnahmen alter Pianisten, die man wieder entdeckt hat, und seither gab es nur mehr eine Handvoll junger Musiker, die sich dieser Musik verschrieben haben. Aber in den letzten Jahren hat der sogenannte "Barrelhouse Style" doch eine kleine Rennesance erlebt und inzwischen gibt es wieder mehr Pianisten, die sich dieser Bluesart widmen.
"Vom allerersten Akkord weg fasziniert"
Christian Christl: Ich spiele am liebsten das "bluesige" Boogie Woogie Piano. Als Beispiel mag ich besonders "Nobody knows you when you are down and out". Der Song wurde von Jimmy Cox 1923 erstmalig veröffentlicht. Die Textaussage ist einfach zu wahr: Keiner kennt dich, wenn du am Boden liegst. Ich habe das am eigenen Leib erlebt. Wenn du erfolgreich bist, lieben dich alle. Wenn du aber keinen Erfolg hast, kennt dich keiner. Dieser Song besticht auch rein musikalisch betrachtet durch eine ungewöhnliche Abfolge von Gospel- und Blues-Akkorden, während die linke Hand am Klavier schon eine Boogie-Woogie-ähnliche Rhythmik einbringen kann. So kann ich am Klavier Gospel, Blues und Boogie Woogie zu einer ganz eigenen Einheit verschmelzen. Wenn ich diesen Song live spiele, ist das Publikum meist vom allerersten Akkord weg fasziniert.
"Etwas Einmaliges schaffen"
Axel Zwingenberger: Ich habe kein absolutes Lieblingsstück, sondern ich erfreue mich am Blues- und Boogie-Woogie-Spielen generell. Es ist einfach meine musikalische Sprache mit der Tiefe des Blues und der Lebensfreude des Boogie Woogie. In diesen Musikformen kann man vor allem auch spontan improvisieren und damit etwas Einmaliges schaffen, was nur in dem betreffenden Moment erklingt. Dazu muss man ganz im Einklang mit sich sein, seine Inspiration wirken lassen. Das ist extrem befriedigend und macht mir ungeheuren Spaß. Das kann mal ein virtuoses Stück sein, in dem ich mich richtig austobe, aber genauso auch ein ganz ruhiger Blues, je nachdem, wie ich es gerade fühle. Das Publikum merkt es durchaus, dass es etwas erlebt, was so nicht wieder passieren wird. Der rollende Boogie-Woogie-Beat legt den Drive dazu, die Bluesklänge geben dem Ganzen die Atmosphäre. Für mich ist es die perfekte Art, mich auszudrücken und dem Publikum damit Freude zu machen.
"Immer Ausdruck reiner Lebensfreude"
Christian Willisohn: Ein Lieblingsstück kann ich nicht benennen. Blues ist die Basis, ein Grundgefühl, das zu den unzähligen Facetten dieser Musik führt. So ist jedes Stück und seine Interpretation immer von der jeweiligen Stimmung oder Gefühlslage abhängig. Musik passiert immer in dem Moment, in dem man sie macht und jeder Ton klingt so lange, bis er verstummt. Bei jedem Konzert entsteht also in gewisser Weise Musik neu und immer im Dialog mit dem Publikum. Ich lasse mich nicht gerne auf nur eine Stilistik reduzieren, fest steht nur, dass bei meiner Musik immer der Blues als Grundgedanke und Pulsschlag mitschwingt. Zum Boogie Woogie kann ich nur sagen, dass er für mich immer Ausdruck reiner Lebensfreude ist und sich dieses Gefühl sehr schnell auf das Publikum überträgt.
Hilft Musik im Leben?
Das Samstagsblatt hat die Musiker gefragt: Hilft Musik im Leben weiter? Tun sich Kinder, die eine musikalische Grundbildung haben, in Dingen wie Lesen, Lernen, Sozialkontakte leichter?
"Etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen"
Michael Hortig: Musik hilft im Leben weiter, das habe ich selbst erfahren. Musik ist eine Sprache, die aus dem Herzen kommt und keine Sprachbarrieren kennt. Pure Emotionalität! Das ist gerade heute ein großer Luxus, wo der Fokus vielfach nur auf Erfolg gerichtet ist. Man kann aber die Menschen damit verzaubern, ganz einfach dadurch, dass die musikalischen Klänge Gefühle hervorrufen, die man mit Worten so nicht erreichen kann. Das gilt für Kinder wie für Erwachsene jedes Alters. Man kann singen, man kann ein Musikinstrument erlernen, gerade, wie man es selbst schön findet.
Man muss zuhören können, man kann mit anderen zusammenspielen und sich so musikalisch unterhalten. Eine tolle Erfahrung, vor allem, wenn man die Mitspieler eigentlich gar nicht kennt, sondern durch die Musik mit ihnen eine gemeinsame Sprache findet und sogar gemeinsam eine musikalische Geschichte erzählen kann. Ich habe enorm viel dadurch gelernt und Freunde gefunden. Man trainiert seine Fantasie, und in der Musik kann man seine Ideen auch gleich umsetzen. Und das beste ist: das Publikum klatscht auch noch dazu! So etwas erlebt man nur, wenn man Musik macht. Etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen.
"Einem Kind kann nichts Besseres passieren"
Christian Christl: Ich finde es großartig, wenn Kinder bereits im frühen Alter ein Instrument lernen dürfen. Meist zeigt sich sehr schnell, ob Talent vorhanden ist. Wenn ja, sollte dies unbedingt gefördert werden. Ein Instrument spielen zu können bedeutet für Kinder zweierlei:
Zum einen der Lernprozess. Das "Verstehen", wie ein Instrument funktioniert, wie es zum Klingen gebracht werden kann. Und zum zweiten das "Empfinden" und das "Spüren" wird gefördert, weil Kinder intuitiv eine Logik entwickeln können, einer Situation klanglichen Ausdruck zu verleihen. Das Zuhören, das aufeinander Eingehen darf in einem harmonischen Maße wachsen.
Das Erfolgserlebnis, einen Klang erzeugen zu können, fördert bestimmt auch die Motivation, andere Dinge im Leben erlernen zu wollen. Meines Erachtens kann einem Kind nichts Besseres passieren, als dass die Eltern so früh wie möglich damit beginnen, ein eventuell vorhandenes Talent zu fördern. Ohne Stress. Ohne Druck. Aber mit ganz viel Spaß.
"Es ist eines der wichtigsten Dinge im Leben"
Axel Zwingenberger: Musik gehört für mich zu einer der wichtigsten Dinge im Leben. Mit ihr kann man sämtliche Stimmungen / Erlebnisse durchleben oder meistern. Man kann durch sie Freude, Liebe, aber aber auch Depressionen oder Agressionen ausdrücken und sie dadurch überwinden. Ob man nun Blockflöte oder Harfe spielt, es ist vollkommen egal, die Freude am Musizieren gilt. Und gerade in jungen Jahren, wo vor allem in der jetzigen Zeit Kreativität oder Kommunikation durch all die sozialen Netze und den dazu gehörigen Mitteln langsam verloren geht, ist eine musikalische Ausbildung für die Entwicklung eines Kindes etwas ganz Wichtiges.
Aber Achtung: Zwingen Sie nie ein Kind, ein Instrument zu spielen! Ich kenne es vom mir selbst: Der Zwang führte dazu, dass ich komplett aufgehört habe, sogar das Notenlesen habe ich verlernt. Und hätte mich mit 15 Jahren mein älterer Bruder nicht zu einem Konzert eines Bluespianisten namens Roosevelt Sykes gezerrt, ich hätte sicher nie mehr mit dem Klavierspielen angefangen.
"Die musikalische Ausbildung bei Kindern mehr fördern!"
Christian Willisohn: In den USA gab es schon in den 70er Jahren viele Studien über die Auswirkungen vom Erlernen eines Musikinstruments auf die Entwicklung von Kindern. So wurde bei allen Studien festgestellt, dass es sich positiv auf das Lernen, das kognitive Denken und die soziale Entwicklung auswirkt.
In unseren Landen ist diese Erkenntnis leider nicht sehr verbreitet. Ich würde mir sehr wünschen, dass die musikalische Ausbildung bei Kindern mehr gefördert wird, sei es von staatlicher oder auch privater Seite. Dabei spielt vor allem die Qualität des Musikunterrichts und der Lehrer eine große Rolle. Optimal ist, wenn der Lehrer als direktes Vorbild verstanden wird. Das heißt, der Lehrer sollte das, was er vermitteln will, auch mit Spaß und der nötigen Leidenschaft spielen können, um bei den Kindern die Begeisterung zu erwecken. Das ist leider nicht immer der Fall.
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