"Man muss sich wehren!"
SPD will Berechnung des Mietspiegels korrigieren
Wollte man den Wohnungsmangel in Bayern nachhaltig lindern, müssten innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens 100.000 Wohnungen entstehen, rechnet die SPD im Landtag. Die Knappheit trägt dazu bei, dass Mieten in den Städten steigen - während der Bestand an Sozialwohnungen nach unten geht. München braucht mehr bezahlbaren Wohnraum - und die Mieter mehr Schutz. Wie dieser gewährleistet werden kann, stellten die SPD-Abgeordneten Andreas Lotte (wohnungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion), Natascha Kohnen (energiepolitische Sprecherin der Landtagsfraktion), Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend und Stadträtin Beatrix Zurek (Vorsitzende des Mietervereins) mit Matthias Jörg (Vorsitzender des Mieterbeirats) bei einer Podiumsdiskussion vor.
"Immer mehr Menschen sind von der Frage bezahlbaren Wohnraums betroffen", unterstrich Andreas Lotte. Traditionell sei die SPD die Partei der Mieter: "Hunderttausende Mieter sind mir wichtiger als eine Handvoll Spekulanten", so Lotte.
Wesentlich für die Gesellschaft
Die Frage des Wohnens schätzt Natascha Kohnen als wesentlich für den Zusammenhalt der Gesellschaft ein. Sie kritisierte, dass die Staatsregierung das Thema Wohnungsmangel in der Asylpolitik "missbrauche" - das Problem fehlenden Wohnraums gebe es schließlich schon viel länger als die Flüchtlingsbewegungen. "Jeder hat ein Anrecht auf Wohnraum", verwies sie auf die bayerische Verfassung. "Der Staat muss aber dafür sorgen, dass ihn sich auch jeder leisten kann!"
München, so ergänzte Claudia Tausend, habe viel Erfahrung in der Wohnungspolitik: Die Stadt sei immer eine Stadt der Zuwanderung gewesen - angefangen von der Zuwanderung aus dem ländlichen Raum von vor über 100 Jahren. "Sichere Mieten sind seit vielen Jahren die vordringlichste Frage bei uns", sagte sie. Der Bund habe indes viele Jahre so gut wie nichts in diesem Bereich getan, bis die derzeitige Koalition den Städte- und Wohnungsbau zum "Glanzstück ihres Koalitionsvertrags" gemacht und davon inzwischen das meiste abgearbeitet habe.
Mietspiegel anders berechnen?
Jetzt werde diskutiert, wie der Mietspiegel berechnet werden müsse. Die SPD will den Berechnungszeitraum von bisher vier auf acht Jahre ausdehnen. "Beim Mietspiegel gibt es nur einen Weg: nach oben", stellte Beatrix Zurek fest. Der Grund: Es werden nur Mieten, die in den letzten vier Jahren vereinbart wurden, als Grundlage hergenommen. Das sei nicht verständlich, so Zurek: Um die ortsübliche Miete zu berechnen, müssten alle Mieten berücksichtigt werden.
"Die Mieten werden in München nicht sinken", dämpfte Claudia Tausend die Hoffnung auf eine grundlegende Änderung. Bei der Diskussion um den Mietspiegel gehe es "vielmehr um die Abflachung der Dynamik des Anstiegs!"
Mieterbeirat Matthias Jörg verteidigte die Mietpreisbremse als sinnvolles Instrument. Allerdings verstoßen 55 Prozent der Münchner Vermieter gegen die Mietpreisbremse, erklärte er. "Da liegt der Fehler doch nicht im Gesetz!" Jörg wies zudem auf das Problem der Zweckentfremdung von Wohnungen hin, die über Webportale als "Ferienwohnungen" an Touristen vermietet werden. Das sei eine "ganz böse Sache, durch die München viel Wohnraum entzogen wird."
Aufsicht gefordert
Andreas Lotte forderte mit Blick auf Fälle von Mietwucher und Entmietungen ein Wohnraumaufsichtsgesetz zum Schutz von Mietern. Diese müssten aber ihre Rechte auch selbst verteidigen, mahnte Beatrix Zurek: "Mieter sollen ihre Rechte mit Nachdruck verfolgen, sonst tun wir uns mit politischen Forderungen schwer". Die Menschen müssten verstehen, dass man sich nicht erst wehren müsse, "wenn die Sache schon den Bach hinuntergegangen ist."
Wohnungsbau besser fördern
Wenn der Markt versage, solle der Staat eingreifen und Alternativen ermöglichen, betonte Matthias Jörg und forderte, die Wohnungsbauförderung zu erhöhen. Die Staatsregierung gebe pro Jahr und Einwohner 20 Euro aus. Der Mieterberitat fordere 50 Euro. Wien investiere 400 Euro: "Wen wundert es, dass dort mehr bezahlbarer Wohnraum herauskommt?" fragte Jörg.
Vieles kaum durchsetzbar
Die SPD habe ganz klare Vorstellungen, wie die Mieter zu schützen seien, meinte Beatrix Zurek. Allerdings seien viele Korrekturen im Mietrecht, an die sie denkt, kaum durchzusetzen. Zurek forderte z.B. Korrekturen bei den Modernisierungskosten: Diese seien oft "der Killer in München". Einig zeigte sich die Runde in der Forderung, dass eine energetische Sanierung nicht zu höheren Mieten und damit zu einer Gentrifizierung führen dürfe. Claudia Tausend schlug daher vor, bei einer solchen Sanierung den Vermieter zu verpflichten, staatliche Förderung anzunehmen und die Sanierungskosten nicht auf die Mieter umzulegen.
"Es ist ein ständiges Ringen um den besten Weg", fasste Andreas Lotte zusammen. Viele Ideen seien schwierig umzusetzen. Aber: "Es es geht oft in kleinen Schritten voran!"
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH