"Der Lebenslauf sollte vollständig und aussagekräftig sein"
Das Bewerbungszentrum am Harras unterstützt Menschen bei der Job-Suche
Wer auf dem Weg zurück ins Arbeitsleben Hilfe braucht, findet sie hier: Das am Harras gelegene Bewerbungszentrum (BWZ) unterstützt Arbeitslosengeld-II-Empfänger bei der Suche nach einer Stelle. Gegründet wurde die Beratungsstelle vor zehn Jahren auf Initiative des Jobcenters München. Sie wird von PETER SCHNABL Fort- und Weiterbildung und dem IPB-Institut für Personaltraining und Beratung unterstützt.
Florian Ladurner sprach mit Peter Schnabl über die Aufgaben des Bewerbungszentrums, die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und den Kooperationspartnern, über Veränderungen beim Bewerbungsprozess und auf dem Arbeitsmarktes sowie erfolgreiche Strategien für die persönliche Bewerbung.
"Wir stellen alles zur Verfügung"
Seit 2008 ist das Bewerbungszentrum mit Sitz in der Lindenschmittstraße Erwerbslosen bei der Suche nach freien Stellen sowie der Anfertigung von Bewerbungsunterlagen behilflich. Was für Angebote stehen den Arbeitsuchenden in der Beratungsstelle am Harras zur Verfügung?
Peter Schnabl: Im Bewerbungszentrum stellen wir Arbeitssuchenden, auch denen, die keinen eigenen PC haben, alles zur Verfügung, was man für die erfolgreiche Bewerbung braucht: Computer, Internetzugang, Farbdrucker, Scanner, Fotoausstattung für Bewerbungsfotos, Bewerbungsmappen und dergleichen. Dies können unsere Kunden selbstständig nutzen und sich je nach Bedarf von den Mitarbeitern unterstützen lassen. In individuellen Beratungsterminen können wir die persönliche Bewerbungsstrategie finden und umsetzen. Zusätzlich bieten wir unterschiedliche Workshops zu Bewerbungsthemen an.
"Sehr gut erreichbar"
In einer Großstadt wie München legen viele Einwohner Wert auf kurze Anfahrtswege, gute Erreichbarkeit von Behörden und Geschäften und ein hohes Maß an Servicequalität. Wie bewerten Jobsuchende die Arbeit des Bewerbungszentrums und welche Rolle spielt dabei auch die Nähe der Beratungsstelle zur Stadtmitte?
Peter Schnabl: Die Freiwilligkeit der Nutzung, durchgängige Öffnungszeiten und engagierte Mitarbeiter, die den Münchner Arbeitsmarkt kennen, schaffen ein gutes Angebot. Die Zahl von 25.000 Kunden und über 250.000 Besucherkontakten in den vergangenen zehn Jahren lässt auf eine hohe Zufriedenheit schließen. Dies bestätigen auch Kundenbefragungen. Durch die Lage direkt am Harras sind wir für Kunden aus dem ganzen Stadtgebiet sehr gut erreichbar.
"Langzeitarbeitslose profitieren zu wenig"
In deutschen Großstädten zeigen sich große Schwankungen, was die Arbeitslosigkeit betrifft. Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, um mehr Menschen in Arbeitsverhältnisse zu bringen?
Peter Schnabl: Das Jobcenter und die Agentur für Arbeit München tun eine Menge dafür, Arbeitslosigkeit zu verringern. Die Arbeitslosenquote ist mit vier Prozent bereits sehr gering in München. Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit tut sich einiges. Das Jobcenter betreut aktuell 7.500 Langzeitarbeitslose, das sind 13 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Trotzdem profitieren noch zu wenige Langzeitarbeitslose vom Job-Boom.
"Wir bedanken uns beim Jobcenter"
Seit zehn Jahren gibt es das Bewerbungszentrum nun schon. Sehen Sie in diesem Projekt, das Sie zusammen mit dem Jobcenter und einem weiteren Partner betreiben, eine Art Vorreitermodell in Sachen Stellenvermittlung?
Peter Schnabl: Unser Projekt sehen wir als Modell dafür, wie Arbeitssuchende wirkungsvoll unterstützt werden können, schneller eine passende Stelle zu finden. Ein Projekt wie das unsere ist gebunden an große kommunale Bezüge. In kleineren Kommunen lässt sich ein vergleichbares Angebot nur schwer darstellen. Umso mehr bedanken wir uns beim Jobcenter München für den Mut zu diesem offenen Konzept und die Unterstützung in den vergangenen Jahren.
"Größere Dynamik Richtung Digitalisierung"
Werfen wir nun einen Blick auf die heutige Arbeitswelt. Unsere verschiedenen Lebensbereiche haben sich durch Globalisierung und Digitalisierung verändert. Neue Berufsfelder wurden geschaffen, einige Sparten fürchten im digitalen Zeitalter an Bedeutung zu verlieren. Der Wandel auf dem Arbeitsmarkt hat auch Folgen für Arbeitssuchende und Berufseinsteiger. Wie hat sich der Bewerbungsprozess in den letzten zehn Jahren, seit Bestehen des Bewerbungszentrums, verändert und wie stellen Sie sich den Arbeitsalltag in den kommenden zehn Jahren vor?
Peter Schnabl: Der gravierendste Unterschied besteht darin, dass sich heutzutage auch ein Helfer durch die Fragestellungen eines Internetportals durcharbeiten muss und häufig eine Bewerbung ohne Internetzugang und E-Mail Adresse nicht mehr möglich ist. Gerade hierbei wünschen sich viele unserer Kunden Unterstützung und bekommen diese sowohl in technischer als auch in beratender Hinsicht.
Was den Arbeitsalltag in zehn Jahren betrifft habe ich folgende Vorstellung: Die Arbeitswelt wird eine noch größere Dynamik Richtung Digitalisierung entwickeln und daraus werden die Anforderungen im Umgang mit der Verarbeitung von Datenströmen steigen. Damit steigen gleichzeitig auch die Anforderungen an Bildung und lebenslanges Lernen.
"Unsichere Arbeitsverhältnisse häufen sich"
Politiker und Arbeitsmarktexperten beklagen eine zunehmende Akademisierung bei Jobsuchenden. Im Gegensatz dazu gibt es einen wachsenden Mangel an Auszubildenden in den Lehrberufen. Teilen Sie die Ansicht, dass Unternehmen auf den steigenden Bildungsgrad innerhalb der Gesellschaft noch zu wenig reagieren und noch keine ausreichenden Plätze für Uni-Absolventen anbieten?
Peter Schnabl: Für Uni-Absolventen gibt es durchaus Plätze, allerdings häufen sich unsichere Verhältnisse. Die starke Nutzung von Volontariaten und Praktika bietet für Uni-Absolventen wenig Anreiz für eine Loyalitätsentwicklung zum Unternehmen.
"Offenheit ist gefragt"
Da wir gerade über Anreize sprechen: Was würden Sie Schulabsolventen, die kurz vor ihrem Abschluss stehen und noch nicht wissen, was sie später einmal beruflich machen wollen, raten: Ausbildung oder Studium?
Peter Schnabl: Je nach individueller Neigung und Fähigkeiten. Eine Offenheit für ständige Weiterentwicklung ist jedenfalls in Zukunft noch stärker gefragt. Das Wissen um die Durchlässigkeit zwischen Ausbildungsberuf bis hin zum Studium ist noch wenig entwickelt. Ausbildungsbetriebe gehen mit ihrem Ausbildungsangebot möglicherweise zu wenig auf Höherqualifizierte ein.
"Sie weckt Interesse"
Eine aussagekräftige Bewerbung ist der Schlüssel für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Im Bewerbungszentrum werden Arbeitssuchende von Experten beraten wie sie überzeugende Bewerbungsunterlagen erstellen und wie sie ihre Stärken und Kompetenzen im Vorstellungsgespräch dem Arbeitgeber gut vermitteln können. Was macht für Sie eine gute Bewerbung aus und welche Fehler machen Bewerber bei der Erstellung ihrer Unterlagen am häufigsten?
Peter Schnabl: Eine gute Bewerbung weckt das Interesse des Adressaten, indem sie die Person, die Motivation und die Kompetenz des Bewerbers für die angestrebte Stelle überzeugend darstellt. Hilfreich für Bewerber ist es vor der Erstellung der Unterlagen die Anforderungen der neuen Stelle und des Zielbetriebs sorgfältig zu analysieren. Speziell im Anschreiben sollten sie sich sehr gezielt auf die angestrebte Stelle und den Betrieb konzentrieren. Der Lebenslauf sollte vollständig und aussagekräftig sein und die Kompetenzen für die angestrebte Position deutlich machen.
Der häufigste Fehler ist, dass der Bezug zwischen Bewerber und Stelle nicht hergestellt wird. Jüngeren Bewerbern fällt es oft besonders schwer, sich in die Sichtweise des Unternehmens zu versetzen. Bewerber mit längerer Berufserfahrung verorten sich häufig zu stark in ihren bisherigen Positionen, ohne den Bogen zum Neuen zu spannen. Höherqualifizierte beziehen sich häufig auf ihren Titel ohne die Chance zu nutzen, sich überzeugend für die neuen Herausforderungen zu präsentieren.
"Authentisch bleiben"
Lücken im Lebenslauf haben oftmals negative Auswirkungen auf die Bewerbung. Was sollten Bewerber, die in ihrem Lebenslauf größere Lücken aufweisen beachten und wie sollten sie diese dem Unternehmen erklären, damit es mit der Bewerbung trotzdem klappt?
Peter Schnabl: Dies sollte man individuell beantworten, eine Generallösung gibt es hierfür nicht. Grundsätzlich sollte man Lücken ehrlich darstellen und authentisch bleiben. Wenn möglich auch verdeutlichen, wie man Zeiten ohne Arbeitsplatz anderweitig genutzt hat, zum Beispiel im Ehrenamt, in der Familie oder durch Weiterbildung.
"Wichtig ist, dass die Menschen in Arbeit bleiben"
"Das Bewerbungszentrum hat die primäre Aufgabe, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Das bedeutet, dass wir Kunden, die freiwillig zu uns kommen, darin unterstützen, dass sie selbstständig auf dem Arbeitsmarkt bewegen können", sagt Peter Schnabl. Nachhaltigkeit ist daher ein zentraler Aspekt der Stellenvermittlung. Sie gelingt, wenn Kunden mit den Beratern die eigenen Fähigkeiten in ehrlicher Form mit den Stellenanforderungen abgleichen. "Je höher die Deckungsgleichheit zwischen den beiden Punkten ist, desto höher ist die Nachhaltigkeit", so Schnabl. Für ihn bedeutet Nachhaltigkeit, dass seine Kunden nicht nur eine Stelle finden, sondern sie auch behalten.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH