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"Herr Bürgermeister, lassen Sie uns ein Denkmal setzen!"

Erhält Widerstandskämpfer Prof. Kurt Huber die posthume Ehrenbürgerschaft?

Prof. Kurt Hubers Stele am Bürgerhaus Gräfelfing war für Dr. Dieter Püschel ausschlaggebend für den offenen Brief an Bürgermeister Peter Köstler. Mit seinem Schreiben möchte er den Gräfelfinger Bürgermeister überzeugen, sich beim Gemeinderat und den Bürgern ebenfalls für die posthume Ehrenbürgerschaft des Widerstandskämpfers der Weißen Rose stark zu machen. (Bild: Olaf Dankert)

"Das Bild ist die Mutter des Wortes." Dieses Zitat vom deutschen Schriftsteller und Kulturkritiker Hugo Ball (1886 - 1927) beschreibt Dr. Dieter Püschels Initiative geradezu perfekt. Der in Thüringen geborene Philosoph und Wahl-Gräfelfinger setzt sich dafür ein, dass Kurt Huber, dem Universitätsprofessor und Widerstandskämpfer der Weißen Rose, posthum die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Gräfelfing verliehen wird. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Sandra Meilhaus und der Deutsch- und Lateinlehrerin Stefanie Fehlhammer, die seit fünf Jahren Koordinatorin der Erinnerungsarbeit am Kurt-Huber-Gymnasium ist. Um den Kreis zu schließen: Ausschlaggebend für Püschels Einsatz und Wort, das er am 2. Juli in Form eines offenen Briefes an Bürgermeister Peter Köstler im Rathaus überreicht hat, ist das Bild Kurt Hubers am Bürgerhaus Gräfelfing.

"Das Bild eines Mannes, der in die Zukunft schaut"

So schreiben die Initiatoren unter Püschels Feder in ihrem offenen Brief: "In Gräfelfing gibt es ein Bild bzw. Foto, das uns richtungsweisend erscheint, wohin wir als Bürgerschaft wirklich wollen. Seit meine Frau und ich vor zehn Jahren aus Pasing hierhergezogen sind, verschafft es mir jedes Mal, wenn ich daran vorbeikomme, das tiefe Gefühl guter Laune und frohgemuter Stimmung. Wir haben erschreckend wenig Bilder dieser Art wie jenes, mit der die Gemeinde Prof. Kurt Hubers mit einer Stele gedenkt, die in der Nähe des einstigen Familiensitzes an diesen großen Mann der 'Gartenstadt' erinnert. Hier steht man vor dem Bild eines Mannes, der über das ganze Gesicht lachend sich an den Betrachter wendet und in die Zukunft schaut."

"Weitgehend in Vergessenheit geraten"

Im Gespräch mit dem Samstagsblatt bedauert Püschel: "Die Geschwister Scholl sind im öffentlichen Bewusstsein in Deutschland fest verankert, während Prof. Kurt Huber, der mit einer Gruppe von sieben Studenten von Sommer 1942 bis Februar 1943 Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime leistete, weitgehend in Vergessenheit geraten ist."

Bereits zuvor habe sich Dieter Püschel mit der Idee einer posthumen Ehrenbürgerschaft des Widerstandskämpfers an die damalige Bürgermeisterin Uta Wüst gewandt – leider ohne Erfolg. Nach der Gedenkfeier zum 75. Todestag Kurt Hubers, die im Jahr 2018 am Gräfelfinger Gymnasium begangen worden ist, fand er in Stefanie Fehlhammer eine neue Verbündete, die sich seinen Bemühungen anschloss.

"In Gräfelfing habe ich den Eindruck, dass Erinnerungsarbeit mehr am Gymnasium als in der Gemeinde stattfindet", resümiert Püschel. Das zeige auch die Stele am Bürgerhaus: Mit nur ein paar Blumen in einem Betonbehälter geschmückt, wirke das Denkmal eher vernachlässigt. "Auf meine Anfrage bei einem lokalen Blumenhändler bestätigte mir der Inhaber, dass es für kleines Geld schöner gestaltet werden könnte."

"Ein Zeichen konstitutiven Rangs"

Dabei verdiene der Universitätsprofessor für seinen Mut und seine offenen Worte mehr Anerkennung, wie Püschel betont: "Hubers Angriffe im 6. Flugblatt der 'Weißen Rose' bilden im deutschen Widerstand gegen Hitler einen Leuchtturm, dessen sprachliche Ausstrahlung die Royal Air Force inspirierte, hunderttausende Flugblätter über deutschen Städten abzuwerfen."

Und so ruft Püschel in seinem Brief Peter Köstler auf: "Lieber Herr Bürgermeister, lassen Sie uns den Gemeinderat Gräfelfings und die Bürgerschaft in einer Zeit, in der überall auf der Welt falsche Denkmäler geschleift werden, jetzt für einen Gedanken gewinnen, einer herausragenden Persönlichkeit Gräfelfings ein Denkmal in Form einer posthumen Ehrenbürgerschaft zu setzen! Die Gemeinde Markt Indersdorf hat uns vor Augen geführt, wie es mit einer posthumen Ehrung Greta Fischers als Leiterin des 1945 gegründeten Kinderzentrums im Kloster Indersdorf gelingen kann, weltweites Aufsehen auf sich zu ziehen. In einer Zeit, in der antidemokratische Kräfte mit dem Rückenwind der AFD in Deutschland und in Europa wieder auf dem Vormarsch sind und der Faschismus jederzeit wieder aufbrechen kann, wäre mit einer posthumen Ehrung Prof. Kurt Hubers ein Zeichen konstitutiven Rangs zu setzen, auch für unsere Zukunft. Frei nach Ihrem Wahlslogan 'Mehr Gräfelfing wagen!', der Sie 2020 erfolgreich ins Amt des 1. Bürgermeisters brachte, stünde dies unserer Gemeinde gut zu Gesicht."

Wird der Einsatz Erfolg haben?

Einen Termin zu einem Erstgespräch mit Bürgermeister Peter Köstler haben Dieter Püschel, Sandra Meilhaus und Stefanie Fehlhammer am Montag, 13. Juli, erhalten. Das Datum ist auch der 77. Todestag des Universitätsprofessors, der im Jahr 1943 im Gefängnis Stadelheim für seinen Freiheitskampf gegen das NS-Regime – dem "Kampf um ein neues Deutschland", wie Kurt Huber im Abschiedsbrief an seine Familie schrieb – hingerichtet worden ist.

So bleibt zu hoffen, dass das Stelen-Bild am Bürgerhaus für seine Betrachter in naher Zukunft mit den Worten "Gräfelfinger posthum Ehrenbürger" verknüpft werden kann. Über die Ergebnisse des Gesprächs werden die Münchner Wochenanzeiger berichten.

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