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"Erinnern ist wichtig"

Gedenktafel an der Bergmannschule enthüllt

Bei herrlichstem Sonnenschein feierte die Schulfamilie Zusammenhalt und Menschlichkeit. Eine Gedenktafel erinnert jetzt an ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Schulgebäudes an der Bergmannstraße 36. (Bild: ds)

Die Menschentraube vor der Bergmannschule mag für Passanten ein ungewöhnliches Bild abgegeben haben: Da stehen Münchens dritte Bürgermeisterin Christine Strobl, Stadtschulrätin Beatrix Zurek, Vertreter von Bezirksausschuss, Kirchen und Institutionen, von Förderverein und Elternbeirat der Schule zusammen mit den Kindern zweier Schulklassen auf dem Fußweg. Mittendrin Schulleiter Friedrich Fichtner, in Anzug und Krawatte und mit Gitarre in den Händen, und die Kinder singen voller Inbrunst ihre Schulhymne: "Wir sind die Welt, wir sind die Kinder."

Feierlich wurde die Gedenktafel enthüllt, die nun am Eingang des 127 Jahre alten Gebäudes an eine düstere Zeit erinnert: An die Jahre 1944 und 1945, als in dem zerbombten Schulhaus achtzehn Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt waren. Als "Bombenräumkommando" mussten sie unter Lebensgefahr Gebäude absichern und reparieren.

Nie wieder Krieg

"In der seit 1891 geführten Schulchronik stand davon kein Wort", erklärte Fichtner den versammelten Gästen. Ein Anwohner habe ihn vor vier Jahren darauf angesprochen, er habe sich daraufhin "an meinen geliebten Bezirksausschuss" gewandt – und nach einem jahrelangen Antragsverfahren hängt die Gedenktafel nun. Natürlich hatte der Schulleiter mit den Kindern zuvor über Inhalt und Zweck dieser Tafel gesprochen. "Was darf es nie wieder geben?", fragte er seine Schüler ab, und alle wussten die richtige Antwort: "Krieg!"

Sie werde oft gefragt, sagte Bürgermeisterin Christine Strobl, ob das Gedenken nach so langer Zeit denn wirklich noch sein müsse. "Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je", beantwortete sie diese Frage: "Gerade weil Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus – also gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – zur Zeit wieder salonfähig werden, ist es wichtig, an die furchtbaren Geschehnisse zu erinnern." Daran zu erinnern, dass diese Anfänge zu einem menschenverachtenden Regime geführt haben, dem Millionen von Menschen zum Opfer gefallen sind. Das Erinnern sei wichtig, gerade an Einrichtungen mitten im Stadtviertel, "von denen keiner sagen kann, er hätte es nicht gewusst".

Aus der Geschichte lernen

Und besonders wichtig sei das Erinnern in der Schule. "Es ist wichtig für die Stadt und wichtig für die Zukunft derjenigen, die hier stehen", sagte sie zu den Schulkindern gewandt. In München und gerade auch an der Bergmannschule sei der Zusammenhalt zwischen den Menschen gewährleistet, egal wo sie herkommen, egal welche Religion sie haben. "Es zeigt sich, dass man aus der Geschichte sehr wohl lernen kann."

Auch Zeitzeuge Ernst Grube, Überlebender des Ghettos Theresienstadt und Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, nahm an der Enthüllung der Gedenktafel teil und bot den Schulkindern an, zu ihnen in die Klasse zu kommen und von der damaligen Zeit zu erzählen.

Weiße Rosen

Um die Ecke an der Tulbeckstraße haben die Schulkinder ein weiteres Gedenkprojekt schon selbst realisiert: Bereits vergangenen Sommer hatten sie die Mauer des Trafohäuschens mit weißen Rosen und Flugblättern bemalt (Westend-Anzeiger berichtete). Noch vor der Nutzung als KZ-Außenlager war im Schulgebäude nämlich eine Studentenkompanie stationiert, zu der auch Alexander Schmorell, Hans Scholl und Willi Graf gehörten, Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Alle drei wurden vom Nazi-Regime 1943 hingerichtet. Die Flugblätter der "Weißen Rose" waren auch an der Bergmannschule in Umlauf gebracht worden.

Die Schulkinder gestalteten ihre Motive für die Flugblätter, die heute, gemalt, die Mauer hinabsegeln: Freiheit. Mut. Vertrauen. Zusammenhalt. Respekt. Hoffnung. Gerechtigkeit. Selber denken. Überzeugung. Liebe. Mitgefühl. Jeder Mensch ist gleich viel wert.


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