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Wie sieht's aus?

Pläne für Gewerbeband: „Stadtreparatur“ oder „Unverschämtheit“?

Hier soll ein neues Quartier entstehen: Zu sehen sind das Betonwerk (rechts unten) und der lange Siemens-Riegel an der Boschetsrieder Straße (verläuft diagonal durch die Bildmitte). Am Rand rechts oben sind zwei der Stern-Hochhäuser (sie sind beide 51 Meter hoch) zu sehen. (Bild: heller + partner)

Wenn nachverdichtet wird, wollen die Menschen, die schon im Viertel wohnen, vor allem wissen, wie die Neubauten künftig aussehen und ihre Heimat verändern werden. Jene Menschen, die sie planen sollen, können genau das noch nicht sagen. Das ist die Crux bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung wie jetzt beim Gewerbeband Obersendling. Neben dem gerade erst dicht bebauten EON-Gelände sollen hier auf der Brache des Betonwerks Katzenberger und an Stelle alter Siemens-Blocks 200 Mietwohnungen, Büros und ein Hotel entstehen.

Frühestens 2025 könnten diese Neubauten fertig sein. Zwar sollen schon ab Herbst 2019 die ersten auf dem Gelände stehenden alten Gebäude abgerissen werden, doch frühestens Mitte 2021 – also in zwei Jahren – wird der Bau beginnen.

Und so kommt es zu Missverständnissen, wenn die Planer den Bürgern den aktuellen Sachstand erklären; es kommt zu unerfüllbaren gegenseitigen Erwartungen und zu Misstrauen: Was die einen wollen, können die anderen noch nicht liefern. Und was die anderen liefern, wollen die einen nicht unbedingt glauben.

Zwei Ideen sind Grundlage

Bisher gibt es zu dem, was da kommen soll, nur die Ergebnisse eines Workshops, in dem sich sieben Planungsbüros erste Gedanken zu dem Areal gemacht haben. Im Juni wurden zwei der dazu eingereichten Studien als Grundlage für die nächsten Schritte ausgewählt. Diese stellte die Horus Sentilo Projektentwicklungs GmbH jetzt den Bürgern vor.

Fünf Fußballfelder groß ist das Planungsgebiet südlich der Boschetsrieder Straße. An dieser und dem Industriegleis sollen neue Gebäude entstehen und den leerstehenden „Siemens-Riegel“ ersetzen. Bis zu acht Etagen sollen die Gebäude hoch sein dürfen. Manche sollen niedriger werden als der gegenwärtige Riegel, manche dürfen aber auch „profilübergreifend“ geplant werden – das heißt schlicht deutlich höher als acht Etagen. Die beiden Studien denken an bis zu drei Hochhäuser mit einer Höhe von bis zu 99 Meter.

„Das Quartier beleben“

Horus Sentilo sieht in der Planung die Chance, das ganze Viertel neu zu beleben. 200 Wohnungen – ausnahmslos Mietwohnungen – werde man bauen, daneben Büros (diese werden allerdings überwiegen), ein Hotel, eine Markthalle, Einkaufsmöglichkeiten (auch für die Nachbarschaft), eine Kita (für 160 Kinder) und Grünflächen samt zentralem Platz – beides am alten Industriegleis, auf dem man den neuen Rad- und Fußweg am Real-Markt fortführen wolle.

„Ein lebendiges Viertel für Familien, Arbeit und Freizeit“ werde entstehen, sagt Torsten Bischoff (Geschäftsführer Horus Sentilo): Wo früher Schwerlastverkehr und Dreck vom Betonwerk die Umgebung belastet haben und jetzt alles brach liege, werde man künftig eine Mischung aus Wohnen, nicht störendem Gewerbe und Grüngürtel haben. Der Zugang von der Boschetsrieder Straße zum Grüngürtel werde an mehreren Stellen möglich, da es keinen durchgehenden Bauriegel wie derzeit geben werde. Man werde eine Tiefgarage (dreistöckig um den U-Bahn-Tunnel herum) bauen, so dass das Quartier oberirdisch vom Autoverkehr unbelastet bleibe. Mit zwei Haltestellen an der Boschetsrieder Straße werde es an die etwa zeitgleich fertig werdende Tramtangente angebunden.

Damit sieht Horus Sentilo ihr Vorhaben auch als ein Stück „Stadtreparatur“. Auf das Areal komme etwas, das „für alle Sinn und Mehrwert stiftet“, versprach Bischoff. Auch architektonisch wolle man etwas Besonderes erreichen: „Wir möchten architektonisch ein Ausrufezeichen setzen!“

Ein Versprechen an skeptische Bürger

Willi Bock (er erläuterte das Vorhaben als Vertreter der Agentur heller & partner) betonte: „Das Vorhaben wird der ganzen Nachbarschaft nutzen!“ Den Bürgern versprach er: „Sie können mitreden und sich einbringen. Was Sie sagen, wird in die weitere Planungen einfließen!“ Als nächstes beginnt Ende Juli ein städteplanerischer Workshop, der diese Zusage berücksichtigen müsste.

Große Skepsis riefen bei den Bürgern die vorgesehenen Hochhäuser hervor. Sie wären die mit Abstand höchsten Gebäude im Viertel. Anwohner nannten ihre Planung eine „Unverschämtheit“. „Lieber mit Augenmaß bauen“ verlangten die Bürger oder eben auch gleich „München zusperren“, also den weiteren Zuzug verbieten. Sie äußerten die Befürchtung, dass Bausünden der Vergangenheit (und Gegenwart) wiederholt werden. Daher dürfe man die in früheren Bürgerveranstaltungen geforderte Deckelung der Bauhöhe auf acht Etagen nicht ignorieren – sonst wäre die Bürgerbeteiligung nur eine Show.

Geht ein Miteinander?

Für ein gelassenes Miteinander warb u.a. Rudolf-Martin Schleicher von der am Gelände ansässigen Firma Schleicher Fahrzeugteile: „Ich bin froh, dass überhaupt jemand dieses lange brach liegende Areal anpackt und entwickelt“, sagte er. Der Betrieb wolle mit seinen Mitarbeitern an Ort und Stelle bleiben. „Schauen wir, dass wir ein Miteinander hinkriegen“, so Schleicher, „das wünscht sich doch jeder!“


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