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Tür an Tür mit Kunst und Kultur leben

An der Dachauer Straße soll das erste Kreativquartier Münchens entstehen

Neubauviertel gibt es fast überall im Stadtgebiet, doch irgendwie sind sie alle gleich: modern und chic, aber ohne eigene Identität. Ganz anders soll es hinter dem Leonrodplatz auf dem Areal zwischen Dachauer/Schwere-Reiter- und Lothstraße werden. Die Stadt plant dort das erste Kreativquartier in München und will ein Neubauviertel durch die Vernetzung von Wohnen und Wissen, Kunst und Kultur entwickeln. So sind kulturelle und kreativ-wirtschaftliche Nutzungen in und rund um den Bereich der beiden denkmalgeschützten Hallen vorgesehen: Jutier- und Tonnenhalle wurden in den 1920er Jahren gebaut, sind inzwischen bedeutende Industriedenkmäler, stehen jedoch seit 2003 leer und sollen erhalten bleiben.

Bunte Kulturszene

Längst schon hat sich auf dem verschachtelt wirkenden Areal mit seinen alten Lagerhallen eine bunte Kulturszene angesiedelt: Künstler, Musiker, Schauspieler, Tänzer, Filmleute und viele andere Kreative werkeln da im Stillen vor sich hin, abgeschottet von der Außenwelt: Denn im Vorbeifahren sieht man von der Dachauer und Schwere-Reiter-Straße aus von all dem nichts. 100 bis 150 Kreative haben hier Proben-, Produktions- und Aufführungsmöglichkeiten gefunden. Immer wieder proben hier auch die Münchner Philharmoniker Stücke ein, etwa ein Musiktheater.

Kein Wunder, dass die dort ansässige Kulturszene am liebsten dauerhaft auf dem ehemaligen Industriegelände bleiben würde – doch sie muss sich in ein paar Jahren auf einen Umzug in die Jutier- und Tonnenhalle einstellen. Der Umzug müsse möglichst nahtlos erfolgen, um den Prozess der kreativ Tätigen auf dem Gelände am Leben zu halten, sagte der Münchner Bildhauer Christian Schnurer am Rande einer Podiumsdiskussion im „Schwere Reiter" (Tanz - Theater - Musik) am Leonrodplatz, das sich in einer der Hallen befindet. Schnurer selbst kümmert sich um die Kulturszene auf einem Teil des Geländes, er ist Geschäftsführer der Halle 6. Ein Großteil des gesamten Areals gehört der Stadt München. Der Abriss der alten Lagerhallen und der Einzug in die sanierte Jutier- und Tonnenhalle müsse sukzessive erfolgen, forderte Schnurer. Sollte die Stadt alles Alte auf einmal abreißen, dann stünden die Künstler und Kreativen auf der Straße und die ganze Kulturszene auf dem Gelände wäre kaputt – „es dauert lange, bis man das wieder aufbaut", prophezeite Schnurer. Zudem befürchtet er schon jetzt, dass die künftigen Flächen für Kunst und Kultur in dem geplanten Kreativquartier zu gering sein werden. „Wir werden mehr brauchen", sagte er an die Adresse der anwesenden Verantwortlichen der Stadt gerichtet. Die Halle 6 verfüge allein über 5000 Quadratmeter, dann steht auf dem Gelände auch das sogenannte Atelierhaus, in dem mehr als 20 Maler, Bildhauer und andere Künstler tätig sind, ganz zu schweigen von den anderen Hallen. Jutier- und Tonnenhalle haben dem Kulturreferat zufolge hingegen nur jeweils eine Fläche von 3000 Quadratmetern.

Baubeginn nicht vor 2015

Die Planungen für das Kreativquartier haben indes noch gar nicht begonnen, die Stadt will demnächst einen städtebaulichen Ideenwettbewerb mit rund 30 Architektenbüros ausloben. Eine Vertreterin des ebenfalls in dem Hallen-Konglomerats ansässigen Pathos Transporttheaters meldete bei der Diskussion großes Interesse an, bei der Entwicklung des neuen Quartiers mit dabei zu sein: „Wann sind wir gefragt, unsere Ideen einzubringen und mitsprechen zu können?" In den nächsten Monaten werden weitere Workshops stattfinden, kündigte Münchens Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers an.

Er nannte auf Nachfrage am Rande der Podiumsdiskussion auch einen groben Zeitplan für dieses Prestige-Objekt der Stadt: Voraussichtlich 2014 werde das Areal leer geräumt und der Baubeginn werde nicht vor dem Jahr 2015 erfolgen, so Küppers. Auf dem mehr als 20 Hektar großen Areal sollen 900 Wohnungen (50 Prozent in gefördertem Wohnungsbau durch die Stadt München) entstehen, außerdem 770 Arbeitsplätze, eine Grundschule, Kindertagesstätten und ganz im Süden des Geländes zur Lothstraße hin der „Campus Nord" als Erweiterung für die Fachhochschule, die jetzt Hochschule München heißt. Kreative Nutzung sei nicht nur im Bereich von Jutier- und Tonnenhalle sondern prinzipiell überall auf dem Areal möglich, erklärte Stadtbaurätin Professor Dr. Elisabeth Merk auf Nachfrage. Gleich zu Beginn der dreistündigen Diskussion hatte sie klargestellt: „Das ist der richtige Standort in der Stadt für ein Kreativquartier." Der Architektenwettbewerb solle sich mit dem vorhandenen Ort und den vorhandenen Nutzungen auseinander setzen.

Internationale Leuchtkraft

Kulturreferent Küppers betonte, dass man die Jutier- und die Tonnenhalle habe untersuchen lassen und bei beiden „die Grundsubstanz in Ordnung ist, so dass sich die Sanierung lohnen würde." Dies muss freilich erst noch der Stadtrat beschließen und dafür auch Geld zur Verfügung stellen. Sie seien bedeutende Industriedenkmäler und „werden Mittelpunkt eines neuen Stadtquartiers. Das hat es so noch nicht gegeben", sagte Küppers. In der Tonnenhalle sei Produktions- und Präsentationsart für nationale und internationale Produktionen vorgesehen, in der Jutierhalle Künstlerateliers, Büros, Ausstellungsflächen. Auch Theateraufführungen sind geplant. Fazit des städtischen Kulturreferenten: „Das Kreativquartier soll auch international leuchten."

Stadtteilpolitikerin Ingeborg Staudenmeyer (SPD), die Vorsitzende des Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, war vorab voll des Lobes für das Projekt: „Ich finde das toll. Neuhausen mausert sich. Ein Kreativquartier gibt es nicht in München." Kollege Dr. Walter Klein (SPD) vom Nachbezirk Schwabing-West, der unmittelbar an das neue Wohnviertel angrenzen wird, war nicht ganz so in Jubelstimmung: Die Loth- und die Winzererstraße seien dicht bebaut und dort gebe es derzeit zum Teil noch preiswerte Mieten. Durch das neue Klientel in dem Kreativquartier könnten die Mieten in der direkten Nachbarschaft steigen. Um dies zu verhindern, müsse die Stadt dann eine Erhaltungssatzung erlassen, so Klein.

 


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