„Versuch der partiellen Wiedergutmachung“
Kreativquartier: Aus der Jutierhalle soll die Ernst-Henle-Halle werden
Die Jutierhalle auf dem Kreativquartier soll in Ernst-Henle-Halle umbenannt werden. Das zumindest fordert der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9), der in seiner jüngsten Sitzung einen entsprechenden Antrag der Grünen-Fraktion einstimmig so beschlossen hat. Stadtbaudirektor Henle (1879-1938) habe nicht nur die Pläne zu dieser Halle entworfen, sondern sich auch als Leiter des Wasserwerks (1910-1934) große Verdienste um die Wasserversorgung Münchens erworben, erklärt Ina Kuegler. „Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er im Januar 1934 außer Dienst gestellt. Unter dem Eindruck der Reichspogromnacht nahm sich Henle am 11. November 1938 das Leben“, so die Antragsinitiatorin weiter.
„Die Tonnenhalle und die benachbarte Jutierhalle entstanden 1926 und stehen seit 1993 unter Denkmalschutz. Die Jutierhalle, in der anfangs von den Münchner Wasserwerken Leitungsrohre mit Jute umwickelt wurden, ist eine Eisenbetonkonstruktion und wurde 1952 erweitert“, betont Ina Kuegler. Das Landesamt für Denkmalpflege stufe die Jutierhalle als „noch dem reduzierten Historismus verpflichtet“ ein. Die Jutierhalle, die eben noch leer steht, solle in naher Zukunft ein wichtiger (Veranstaltungs-)Ort für die Kultur und für die Kreativwirtschaft werden. „Dieses neue Kulturzentrum nach Ernst Henle zu benennen, bietet sich geradezu an und wäre ein Versuch der partiellen Wiedergutmachung.“ Die Verdienste Henles um die Wasserversorgung Münchens seien schon länger bekannt – wenn auch nicht genügend gewürdigt. „Neu sind aber die Erkenntnisse, wie der Stadtbaudirektor von den Nationalsozialisten mit einer Hetzkampagne aus dem Amt gemobbt wurde“, erklärt die Grünen-Politikerin.
"Wasserversorgung Münchens sichergestellt"
Ernst Henle wurde am 3. Februar 1878 in München geboren. Seine Eltern traten am 15. September 1879 der evangelisch-lutherischen Kirche bei. Henle rückte im September 1914 als Oberstleutnant der Landwehr ein, wurde zum Hauptmann befördert und mit dem Eisernen Kreuz I und II ausgezeichnet. Nach dem Studium an der TH war er nach Angaben von Ina Kuegler zunächst bei der Obersten Baubehörde tätig, 1907 wurde er bei der Münchner Stadtverwaltung verbeamtet. Seit 1910 war er Leiter, später Vorstand des Städtischen Wasserversorgungsamts. Er habe in den 20er Jahren entscheidenden Anteil an den Infrastrukturmaßnahmen gehabt, die die Wasserversorgung Münchens dauerhaft sicherstellen sollten.
„Der Übertritt der Familie zum Protestantismus hat Henle, wie auch andere Konvertierte, nicht davor geschützt, von seinen Kollegen und Untergebenen ab 1933 übelst diffamiert zu werden. In wiederholten Schreiben an die Rathausspitze warben diese für die ‚Ausschaltung völkisch fremder Elemente‘ und erklärten, es sei ‚ein unerträglicher Gedanke, als einziges öffentliches Amt der Stadt der Führung eines Judenstämmlings unterstellt zu bleiben‘.“ Am 16. Januar 1934 sei Henle in den Ruhestand versetzt worden. „Ein weiterer Schlag der antisemitischen Politik war im Oktober 1938 die Kündigung des Henle-Mietshauses“, so Ina Kuegler, „Die Gewofag wollte das Haus für eine ‚arische‘ Familie freimachen.“ Im Zuge der Reichspogromnacht am 9. November 1938 habe Henle befürchtet, festgenommen zu werden.
Am 11. November 1938 verließ Ernst Henle seine Wohnung und nahm sich in der Isar das Leben. Seine Leiche wurde erst am 2. März 1939 am Kraftwerk Neufinsing gefunden. Die Polizei habe in ihrem Selbstmordverzeichnis für die „Beweggründe zur Tat“ nur ein Wort vermerkt: „Jude“.
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